Globale Ernährungssicherung

Die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert erfordert eine nachhaltige Transformation der globalen Agrar- und Ernährungssysteme. Dies umfasst nicht nur eine nachhaltige Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, sondern eine gerechte Verteilung und einen ganzheitlichen Ansatz, der die Qualität der Ernährung mit einbezieht. Aktuell gefährdet der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine unsere Ernährungssysteme weltweit und das Menschenrecht auf angemessene Nahrung für viele Millionen Menschen. Hinzukommen die Folgen der Klimakrise und des Verlustes an Biodiversität.

Weltweit litten 2021 etwa 768 Millionen Menschen an Hunger. Die meisten betroffenen Menschen lebten 2021 in Asien (425 Millionen), gefolgt von Afrika (278 Millionen) sowie Lateinamerika und der Karibik (mehr als 56,6 Millionen) Seit Beginn der COVID-19 Pandemie hat sich die Zahl der von Hunger bedrohten Menschen, um 150 Millionen erhöht. Der SOFI-Bericht zeigt, dass 9,8% der Weltbevölkerung in 2021 von Unterernährung betroffen waren.

Ganzheitlicher Ansatz

2,3 Milliarden Menschen haben keinen zuverlässigen und sicheren Zugang zu angemessener und ausreichender Ernährung.

Mit Ernährungssicherung wird in der Regel die Bekämpfung von Hunger und kalorischer Unterernährung assoziiert. Es geht aber um mehr – ebenso stehen Mangel- und Fehlernährung im Fokus: Insgesamt hatten im Jahr 2021 2,3 Milliarden Menschen (29,3 % der Weltbevölkerung) keinen zuverlässigen und sicheren Zugang zu angemessener und ausreichender Ernährung. 11,7 % der Weltbevölkerung (923,7 Millionen Menschen) waren 2021 von gravierender Ernährungsunsicherheit betroffen. Dabei waren Frauen stärker betroffen als Männer (31,9% der Frauen, 27,6 % der Männer).  Hauptursachen für Hunger und Mangelernährung sind Armut, Konflikte und Kriege. Die Auswirkungen der Klimakrise, des Biodiversitätsverlustes und der COVID-19 Pandemie tragen zusätzlich dazu bei.

Gleichzeitig nimmt jedoch weltweit auch die Fehlernährung zu. Die Zahlen von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen haben sich seit 2000 auf 675,8 Millionen (13,1%) in 2021 nahezu verdoppelt. Insgesamt ist somit etwa die Hälfte der Bevölkerung weltweit nicht angemessen ernährt.

Bei der Verbesserung der Welternährungssituation geht es demnach nicht allein um einen rein quantitativen Ansatz. Angemessene Ernährung wird als vielschichtiges Phänomen in seinem gesundheitlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Kontext begriffen.

Um eine ausgewogene Ernährung der Bevölkerung sicher zu stellen, bedarf es deshalb eines ganzheitlichen Ansatzes mit dem Fokus auf eine Vielfalt an Lebensmitteln.

Die Land- und Ernährungswirtschaft muss hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten durch

  • die Bereitstellung einer Vielfalt an bezahlbaren, ernährungsphysiologisch hochwertigen Lebensmitteln (z.B. heimisches Gemüse und Obst),
  • die Fokussierung auf lokale Lebensmittel, die kulturell akzeptiert, an die Standortbedingungen vor Ort angepasst sind und eine hohe Nährstoffdichte aufweisen,
  • eine Einkommenssicherung, die es Menschen, vor allem in sich entwickelnden Ländern, ermöglicht, sich eine ausreichende und ausgewogene Ernährung leisten zu können,
  • eine nachhaltige Landwirtschaft, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette vermeidet, sowie
  • die Berücksichtigung von geschlechterspezifischen Fragen und die Auswirkungen von Programmen und Projekten auf die Gesundheit und Fürsorgetätigkeiten von Frauen.

Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die globale Ernährungssicherung

Einer der größten Treiber des Anstiegs der weltweiten Hungerzahlen ist derzeit der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er verstärkt die negativen Auswirkungen anderer Krisen wie die Corona-Pandemie oder die Klimakrise und droht, die größte globale Nahrungsmittelkrise seit dem Zweiten Weltkrieg nach sich zu ziehen. Durch die zumindest partiell wiederaufgenommenen Getreideexporte über das Schwarze Meer sowie den Ausbau alternativer Exportrouten über Fluss, Straße und Schiene ist eine gewisse Entspannung in Bezug auf die ukrainischen Getreideexporte eingetreten. Dennoch steigt die Zahl hungernder Menschen auf der Erde weiter an.

Der Anteil Russlands und der Ukraine an den weltweiten Weizenexporten betrug vor dem russischen Angriffskrieg knapp 30 %, an den weltweiten Maisexporten etwa 20% und an den weltweiten Sonnenblumenölexporten sogar über 60%. Dies zeigt die Bedeutung der beiden Länder für die internationalen Agrarmärkte und macht deutlich, welche Folgen ein Einbrechen der Produktion oder Exporte auf die global verfügbaren Mengen, die Preise und damit die globale Ernährungssicherung hat.

Die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland und in der EU mit Lebensmitteln ist grundsätzlich gewährleistet. Deutschland hat in sehr vielen Bereichen einen hohen Selbstversorgungsgrad und weitreichende Substitutionsmöglichkeiten. Angesichts der multiplen Krisen könnte es jedoch zu Preissteigerungen sowie zeitweisen Engpässen in der Versorgung einzelner Produkte kommen.

Mit größeren Versorgungsengpässen ist dagegen insbesondere in einigen Ländern außerhalb der EU zu rechnen – vor allem dort, wo heute schon Nahrungsknappheit herrscht, etwa aufgrund von extremen Wetterereignissen, Kriegen oder Konflikten. Das Welternährungsprogramm (WFP) schätzt (Stand Juni 2022), dass 2022 in den 82 Ländern, in denen WFP tätig ist und für die Daten vorliegen, 345 Mio. Menschen akut von Ernährungsunsicherheit betroffen oder stark gefährdet sein werden, davon 47 Mio. Menschen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Außerdem droht laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) durch den Krieg bis zu 13 Mio. Menschen zusätzlich chronische Unterernährung.

Das BMEL beobachtet die Auswirkungen in der Ukraine, der EU und global genau und unterstützt mit zielgerichteten und pragmatischen Maßnahmen. Als Teil der humanitären Hilfe der Bundesregierung hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Koordinierungsstelle (German Food Bridge) initiiert, um Lebensmittelspenden aus Handel und Ernährungswirtschaft in die Ukraine zu vermitteln. Zudem wird die ukrainische Landwirtschaft unterstützt durch Vermittlung von Betriebsmitteln und der Beschaffung von Tierarzneimitteln mit Mitteln in Höhe von 5 Mio. €, die über den Rapid Response Plan der FAO eingespeist werden.  BMEL unterstützt die Ertüchtigung alternativer Exportrouten, beispielsweise mit dem Ausbau eines Labors im ukrainischen Ismajil an der Grenze zu Rumänien, mit dem Warenkontrollen beschleunigt werden sollen. Eine Übersicht der Handlungsfelder des BMEL als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine finden Sie hier.

Agenda 2030 – Ziele für nachhaltige Entwicklung

Das Menschenrecht auf Nahrung ist mit konkreten Zielen in der Agenda 2030 verankert und speziell im zweiten Nachhaltigkeitsziel (SDG 2), das die Beendigung des Hungers sowie die Förderung einer besseren Ernährung und einer nachhaltigen Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 umfasst. Globale Krisen, Kriege, Klimawandel und der Verlust an Artenvielfalt stellen für die Erreichung des Ziels jedoch enorme Herausforderungen dar. Weitere Infos gibt es hier.

Recht auf Nahrung

Das Recht auf angemessene Nahrung ist ein Menschenrecht und Basis für resiliente Ernährungssysteme. Verwirklicht ist das Recht dann, wenn jedem Menschen zu jeder Zeit Zugang zu Ressourcen gewährleistet wird, welche es ihm erlauben, Nahrung zu produzieren, zu verdienen oder zu erwerben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Welternährungsausschuss (CFS) die „Freiwilligen Leitlinien für das Recht auf Nahrung“ beschlossen. Diese geben den Staaten und anderen Akteuren Handlungsempfehlungen für die Verwirklichung dieses Menschenrechts. Die Bundesregierung hat durch das BMEL die Entwicklung dieser Leitlinien politisch und finanziell maßgeblich unterstützt und setzt sich aktiv für deren Umsetzung ein.

Klimakrise

Zunehmend bedroht die Klimakrise die Welternährung. Landwirte sind davon besonders betroffen, denn sie produzieren in und mit der Natur. Extreme Wetterereignisse wie Stürme, Überschwemmungen und Dürren erschweren vermehrt die Arbeit. Zugleich trägt die Landwirtschaft jedoch auch zur Klimakrise und zum Biodiversitätsverlust bei. Wüstenbildung, Wassermangel, Verlust sensibler Biotope und genetischer Ressourcen sowie die Zunahme extremer Wetterereignisse führen zu hohen Ernteverlusten und bedrohen Millionen Menschen in ihrer Existenz – insbesondere Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in Entwicklungsländern.

Internationale Zusammenarbeit

Die Instrumente der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Ernährungssicherung reichen von hochrangigen Arbeitsgruppen, Fachgesprächen auf Arbeitsebene über bilaterale Kooperationsprojekte bis hin zum Engagement in internationalen Organisationen.

Das BMEL setzt sich vor allem in der FAO aber auch in zahlreichen anderen internationalen Institutionen und politischen Prozessen wie G7, G20 und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dafür ein, sektorübergreifende Politiken für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu gestalten. Durch Projekte vor Ort stärkt das BMEL den Aufbau einer ernährungssensitiven Land- und Ernährungswirtschaft.

Eine zusammenfassende Übersicht des internationalen Engagements des BMEL finden Sie hier:

  1. Zusammenarbeit mit FAO und CFS
  2. Internationale Forschungskooperationen zur Welternährung: :BLE Projektträger
  3. Bilateraler Treuhandfonds
  4. Bilaterales Kooperationsprogramm
  5. Afrikakonzept
  6. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA)
  7. G7 und G20

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