Mikroplastik im Boden – welche Rolle spielt die Landwirtschaft?
Die Verschmutzung der Weltmeere mit Mikroplastik ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den öffentlichen Fokus gerückt. Weitaus weniger wissen wir über die Belastung der terrestrischen Ökosysteme mit den kleinen Kunststoffpartikeln (man spricht in der Wissenschaft von Mikroplastik bei Partikeln unter 5 mm Durchmesser) und deren ökologische und agronomische Auswirkungen.
Landwirtschaftliche Böden könnten eine Schlüsselrolle spielen: Mikroplastik, das aus unterschiedlichen Quellen eingetragen wird, kann einerseits die Bodenökologie beeinträchtigen und andererseits den Weg in naheliegende Gewässer finden. Um Aussagen darüber treffen zu können, welche Maßnahmen für die Vermeidung von Mikroplastikeinträgen in landwirtschaftlichen Böden notwendig sind, müssen zuvor das Ausmaß der Verschmutzung, die Wirkungen im Boden und das Austragspotential in die Gewässer erforscht werden. Dafür ist es notwendig, die wichtigsten Quellen zu identifizieren, um effiziente Lösungen für die Vermeidung weiterer Emissionen zu entwickeln.
Wie gelangt Mikroplastik in den Boden?
Als potentielle Eintragswege für Mikroplastik in Agrarböden werden vor allem die Ausbringung von Klärschlamm und Komposten sowie der Foliengebrauch im Gemüse- und Obstanbau angesehen. So wird zum Beispiel Mikroplastik aus Kosmetika, Reinigungsmitteln und Faserabrieb beim Waschen von synthetischen Textilien ins Abwasser eingetragen. Bei der Behandlung in Kläranlagen enden etwa 95 % dieser Partikel im Klärschlamm. Knapp ein Viertel davon wird in Deutschland als Dünger auf die Felder aufgebracht. Als wichtige, aber wenig untersuchte Eintragspfade außerhalb des Landwirtschaftssektors gelten der Reifenabrieb von Fahrzeugen sowie die unsachgemäße Entsorgung von Kunststoffprodukten (Littering).
Fragestellungen und Herausforderungen
Das Thema Mikroplastik im Boden bietet ein weites interdisziplinäres Forschungsgebiet (siehe Textbox). Da in der Vergangenheit nur wenig zu dem Thema geforscht wurde, befindet sich die Analytik noch in der Entwicklung. Die meisten Daten aus der wissenschaftlichen Literatur sind Schätzungen aus Produktions- oder Konsumstatistiken, da Messwerte bisher kaum vorliegen oder sich auf Mikroplastikpartikel am oberen Ende des Größenspektrums (> 1mm) beziehen. Die Messung von Mikroplastik in Böden ist aufwendig und kompliziert. Eine Vielzahl von Stoffen unterschiedlicher Größe muss untersucht werden, die teilweise fest mit den Bodenpartikeln verbunden sind. Durch die ähnlichen chemischen Eigenschaften ist es schwierig, organische Substanz von Mikroplastik zu trennen.
Offene Forschungsfragen:
- Welche Quellen bzw. Eintragspfade sind für landwirtschaftliche Böden relevant?
- Wie viel Transport, Zersetzung und Abbau von Mikroplastik findet im Boden statt?
- Welche Rolle spielt die Auswaschung aus dem Boden in die Gewässer?
- Gibt es in Deutschland geographische Muster der landwirtschaftlichen Mikroplastikbelastung?
- Was sind die Auswirkungen von Mikroplastik auf Bodenorganismen und Pflanzen?
- Können die in Agrarböden gefundenen Mikroplastikkonzentrationen eine Beeinträchtigung der Bodenfunktion verursachen?
Was wird geforscht?
Am Thünen-Institut für Ländliche Räume untersuchen Wissenschaftler die Frage nach der räumlichen Verteilung von Mikroplastik in zwei beispielhaften Flusseinzugsgebieten (Weser und Warnow). Die Mengen an Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden, die potentiell in Flüsse, Seen und in das Grundwasser gelangen können, sollen in Anlehnung an das regionalisierte Agrarsektormodell RAUMIS räumlich differenziert dargestellt werden. Die Ergebnisse fließen in die hydrologische Modellierung ein mit dem Ziel, die Einträge aus der Landwirtschaft in die Nord- bzw. Ostsee abzuschätzen.
Für die Untersuchung der auf Plastik in Böden zurückzuführenden Umweltprobleme existieren zurzeit noch keine anerkannten Methoden. Am Institut für Agrartechnologie werden daher im Projekt PIA analytische Methoden zur Bestimmung von Plastik in landwirtschaftlichen Böden entwickelt.
Ausblick
Im Gesamtbild sind es in Deutschland nur wenige Betriebe, die Kompost oder Klärschlamm einsetzen. Es handelt sich meist um Ackerbau- oder Sonderkulturbetriebe ohne eigene Produktion von Wirtschaftsdünger, die auf diese Weise den Humusgehalt ihrer Flächen erhalten oder erhöhen. Daher kann man davon ausgehen, dass die räumliche Verteilung von Mikroplastik, das durch organische Dünger wie Klärschlamm oder Kompost aus Bioabfall auf die Felder gelangt, auf kleinem Maßstab sehr heterogen ist.
Ein ähnliches punktuelles Bild dürfte sich für die Verschmutzung mit Folienresten ergeben, da Sonderkulturbetriebe, die Folien insbesondere zur Erntebeschleunigung und Ertragssteigerung einsetzen, nur einen geringen Anteil an allen landwirtschaftlichen Betrieben darstellen.
Im Gegensatz dazu ist zu erwarten, dass die Verschmutzung durch Littering und Reifenabrieb eher gleichmäßig über alle landwirtschaftlichen Flächen verteilt wird und an vielbefahrenen Straßen und Feldrändern sowie in der Nähe zu Ballungsräumen zunimmt.
Die Zersetzung von Makroplastik, also Plastikpartikel größer fünf Millimeter, durch Umwelteinflüsse stellt einen weiteren, wenig untersuchten Eintragspfad dar. Ergebnisse aus jüngsten Untersuchungen zeigen Mikroplastikpartikel von einem bis fünf Millimeter in Agrarböden, auf denen kein Klärschlamm oder Kompost aufgebracht wurde. Diese stammen vermutlich vom Zerfall größerer Kunststoffteile, etwa Einwegverpackungen oder Folien. Auch hier besteht dringender Forschungsbedarf, um die Mengen, die Quellen und den Verbleib des Mikroplastiks in landwirtschaftlichen Böden besser einordnen zu können.
Ein Beitrag von Dr. Elke Brandes und Peter Kreins, Thünen-Institut für ländliche Räume.