Aus der Geschichte des Ministeriums

Niklas, Lübke, Schwarz, Höcherl, Ertl, Kiechle, Borchert, Funke, Künast, Seehofer, Aigner, Friedrich, Schmidt, Klöckner - all diese Politikerinnen und Politiker leiteten die Geschicke des 1949 gegründeten Ressorts. Seit Dezember 2021 ist Cem Özdemir amtierender Bundesminister. Zentrale Wegmarken der vergangenen mehr als 70 Jahre des Ministeriums haben wir hier für Sie in einer Übersicht zum Nachlesen zusammengestellt.

Die Anfangszeit

Bundeslandwirtschaftsminister­ Prof. Dr. Wilhelm Niklas
Bundeslandwirtschafts­minister Prof. Dr. Wilhelm Niklas © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Nur wenige Monate nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland nimmt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im September 1949 seine Arbeit auf. Es wird schließlich in einer ehemaligen Kaserne im damals noch selbstständigen Duisdorf bei Bonn untergebracht.

Bundeslandwirtschaftsminister der ersten Stunde ist Prof. Dr. Wilhelm Niklas im Kabinett Adenauer. Die wichtigste Aufgabe ist zunächst die Verbesserung der Ernährungssituation. Denn noch bis 1950 sind Lebensmittel rationiert. Die dringendsten Anliegen der Bauern sind ausreichende Betriebsmittel und angemessene Preise.

Die fünfziger Jahre

Anfang der fünfziger Jahre werden Marktordnungen für Getreide und Futtermittel, Zucker, Milch und Fette sowie für die Vieh- und Fleischwirtschaft eingeführt. Sie geben der landwirtschaftlichen Produktion einen festen Rahmen. Das Wirtschaftswunder setzt ein, die Hungerzeit gehört der Vergangenheit an, die Einkommen steigen. Auch die Bauern sollen davon profitieren. Unter Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke (seit 1953) wird das Landwirtschaftsgesetz verabschiedet. Damit erhält die Agrarpolitik den Auftrag, der Landwirtschaft eine Teilnahme an dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung zu ermöglichen. Mit dem "Grünen Plan" werden Strukturverbesserungen im Agrarbereich gefördert.

Bundeslandwirtschaftsminister Werner Schwarz (ab 1959)
Bundeslandwirtschafts­­minister Werner Schwarz © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Und noch eine wichtige Weichenstellung für die Landwirtschaft findet in den Fünfzigern statt: Mit den Römischen Verträgen wird im Jahr 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet. Sie ist die Wiege der Europäischen Union in ihrer heutigen Gestalt. Außerdem ist sie der Startschuss für eine gemeinsame Europäische Agrarpolitik, die die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft nachhaltig prägen wird. Im Jahr 1959 wird Werner Schwarz Bundeslandwirtschaftsminister.

Die sechziger Jahre

In den Zeiten zunehmenden Wohlstands auf der einen sowie des Kalten Krieges auf der anderen Seite, wächst Europa im Westen stärker zusammen. Der gemeinsame Agrarmarkt der Europäischen Gemeinschaften entsteht und mit ihm die gemeinsame Preispolitik.

Im Jahr 1965 wird Hermann Höcherl Bundeslandwirtschaftsminister. Auch angesichts des Trends zu größeren Betrieben bleibt in der Bundesrepublik Deutschland der bäuerliche Familienbetrieb das Leitbild der nationalen Agrarpolitik. Die Landwirtschaftspolitik wird mit anderen Politikbereichen noch weiter vernetzt, so zum Beispiel mit der Raumordnungs- und Sozialpolitik.

Ein weiterer Meilenstein der Agrarpolitik wird in den 60er Jahren gesetzt: Die große Koalition schafft 1968 die verfassungsrechtliche Grundlage für die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Weiter werden mit dem neuen Marktstrukturgesetz landwirtschaftliche Erzeugerzusammenschlüsse gefördert.

Die siebziger Jahre

Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl
Bundeslandwirtschafts­minister Josef Ertl © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

In diesem Jahrzehnt steht das Landwirtschaftsministerium unter der Leitung von Josef Ertl, der von 1969 bis 1982 im Amt ist. Die Europäische Gemeinschaft wird erweitert. Wechselkursschwankungen belasten die deutsche Landwirtschaft. Um die Folgen besser abzufedern, wird ein Aufwertungsausgleich für die Landwirtschaft eingeführt. Zudem steigen die Überschüsse bei wichtigen Agrarprodukten stetig an, so dass der Markt zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät. In dieser Zeit wird die einzelbetriebliche Förderung immer wichtiger. Mit ihr wird die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu einem wesentlichen Kern der nationalen Agrarpolitik. Des Weiteren wird die eigenständige soziale Sicherung für Landwirte ausgebaut.

Das Tierschutzgesetz (1972), das Bundeswaldgesetz (1975) und das Bundesnaturschutzgesetz (1976) verdeutlichen einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. Sie regeln auch neue Anforderungen, die an die Land- und Forstwirtschaft gestellt werden. Neben dem Umwelt- und Tierschutz wird dabei auch der Verbraucherschutz zu einem zunehmend wichtigen Thema.

Die achtziger Jahre

Anfang der 80er Jahre wechselt die Spitze des Landwirtschaftsministeriums mehrfach: Nach dem Ende der sozialliberalen Koalition im Jahr 1982 übernimmt der damalige Bildungsminister Björn Engholm für 14 Tage die Geschäfte des Hauses. In der christlich-liberalen Koalition ist zunächst Josef Ertl erneut für das Agrarressort zuständig, bevor Ignaz Kiechle im Jahr 1983 das Landwirtschaftsministerium übernimmt.

In diesen Jahren leidet die deutsche Landwirtschaft zunehmend unter Überschussproblemen. Im Milchbereich werden diese mit der Einführung einer Garantiemengenregelung angegangen. Auf europäischer Ebene werden Flächenstilllegungen erstmals gefördert. Zur Unterstützung der bäuerlichen Familienbetriebe werden auf nationaler Ebene unter anderem die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, Beitragsentlastungen in der agrarsozialen Sicherung und steuerliche Entlastungen beschlossen. 1986 wird die Zuständigkeit für Naturschutz auf das neu errichtete Bundesumweltministerium (BMU) übertragen.

Die neunziger Jahre

Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (ab 1993)
Bundeslandwirtschafts­minister Jochen Borchert © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Die deutsche Einheit verändert Deutschland und Europa in grundlegender Weise. Das Landwirtschaftsministerium erhält mit der Wiedervereinigung die historische Aufgabe, die Umwandlung der planwirtschaftlich organisierten Landwirtschaft in der früheren DDR wirtschaftlich und sozial zu begleiten. Die privatisierten Betriebe müssen in den europäischen Markt integriert werden. Das Ministerium erhält eine Außenstelle in Berlin.

Im Jahr 1993 wird Jochen Borchert Landwirtschaftsminister. In der Europäischen Union werden bereits 1992 die Weichen hin zur Förderung einer mehr marktorientierten und nachhaltigen Landwirtschaft gestellt. Der ökologische Landbau und der Anbau nachwachsender Rohstoffe schaffen Möglichkeiten, der Überschusssituation zu begegnen. Neue Einkommensquellen werden auch im außerlandwirtschaftlichen Bereich erschlossen.

In der rot-grünen Koalition übernimmt ab 1998 Karl-Heinz Funke das Amt des Landwirtschaftsministers. Die Europäische Agrarreform wird im Jahr 1999 mit der Agenda 2000 fortgeführt. Eine vielfältige Landwirtschaft, die neben der Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen auch gesellschaftliche Aufgaben wie Landschaftspflege und Naturschutz erfüllt, wird Leitbild der Agrarpolitik.

Von 2000 bis 2010

Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (ab 2000)
Bundeslandwirtschafts­ministerin Renate Künast © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mit dem Regierungsumzug wird im Jahr 2000 in der Wilhelmstraße 54 der Berliner Dienstsitz des Bundeslandwirtschaftsministeriums errichtet. Während der BSE-Krise werden 2001 der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit in das Ressort eingegliedert. Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird Renate Künast. Der Arbeitsbereich Verbraucherschutz wird ausgebaut, die Lebensmittelsicherheit neu organisiert und der ökologische Landbau verstärkt gefördert. Mit der Agrarreform der Europäischen Union von 2003 wird die Förderung der Landwirtschaft so umgestaltet, dass sie weitgehend von der Produktion unabhängig ist.

Nach kurzer kommissarischer Führung des Ministeriums durch den damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin, übernimmt Horst Seehofer im Jahr 2005 in der zweiten großen Koalition das Ministerium. Die Schwerpunkte liegen auf der Zukunft ländlicher Räume, der Bekämpfung von Lebensmittelskandalen und Tierseuchen, der Aufklärung über gesunde Ernährung und dem gesundheitlichen Verbraucherschutz.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (ab 2008)
Bundeslandwirtschafts­ministerin Ilse Aigner © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

2008 übernimmt Ilse Aigner die Leitung des Ministeriums. In einem breit angelegten Diskussionsprozess zur Charta für Landwirtschaft und Verbraucher werden Lösungen für Zielkonflikte zwischen Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichen Anforderungen gesucht. Beim wirtschaftlichen Verbraucherschutz rückt der Umgang personenbezogenen Daten im Internet zunehmend in den Fokus.

Von 2010 bis heute

Auf EU-Ebene wird Ende 2013 eine Reform der GAP beschlossen. Diese setzt den Kurs der Marktorientierung der Landwirtschaft fort und reagiert auf die vielfältigen sich wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen: So ist sie stärker als bisher auf die Entlohnung gesellschaftlicher Leistungen ausgerichtet und treibt die Integration von Umweltleistungen in die GAP voran. Zudem wird die Förderung der ländlichen Entwicklung in der EU kontinuierlich verstärkt.

Im September 2013 scheidet Ilse Aigner, die den Reform-Prozess begleitet hat, aus ihrem Amt aus. Der damalige Bundesminister des Inneren, Dr. Hans-Peter Friedrich, leitet das Ministerium geschäftsführend. Er wird mit der Bildung der neuen Regierung 2013 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Die Zuständigkeit des Verbraucherschutzes im Bereich Recht und Wirtschaft gehen vom BMEL an das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz über. Der gesundheitliche Verbraucherschutz bleibt beim BMEL.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (ab 2014)
Bundeslandwirtschafts­minister Christian Schmidt © BMEL/photothek.net/Thomas Köhler

Nach dem Ausscheiden von Bundesminister Hans-Peter Friedrich übernimmt 2014 Christian Schmidt die Leitung des Ministeriums. Auf die wachsende gesellschaftliche Nachfrage nach verlässlichen Ernährungsinformationen reagiert er mit der Gründung des Bundeszentrums für Ernährung, das unabhängige verlässliche Informationen für Verbraucher zur Verfügung stellt. Auch mit dem Aufbau des Deutsches Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) im BfR geht er auf sich wandelnde gesellschaftliche Anforderungen an sein Ressort ein. Der nicht zuletzt angesichts des demographischen Wandels wachsenden Bedeutung der Entwicklung der Ländlichen Räume trägt er mit dem Aufbau einer eigenen Abteilung zum Thema Rechnung.

Im März 2018 wird Julia Klöckner Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft. Sie richtet mit dem Aufbau einer Unterabteilung zum Thema Digitale Innovation und mit der Einrichtung digitaler Experimentierfelder in ländlichen Räumen – für mehr Ressourcenschonung, Arbeitserleichterung und Messung des Tierwohls – den Fokus verstärkt auf die Chancen der neuen Techniken. In der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik setzt sie sich in Brüssel für höhere Umweltstandards und deren Entlohnung ein. Das Thema Ernährung wird breiter aufgestellt, auch mit der Einführung einer übersichtlichen Nährwertkennzeichnung.

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