"Berichte über Landwirtschaft"
Heft 3, Oktober 2003
Perspektiven der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft nach der Osterweiterung der Europäischen Union - Bericht über die 42. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) 2002 in Halle -
Heinz Ahrens, Michael Grings, Michael Harth, Volker Petersen, Halle (Saale)
Der Beitrag gibt einen zusammenfassenden Überblick über 42 Referate und 16 Posterpräsentationen der 42. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V. in Halle. Die Tagung stand unter dem Rahmenthema "Perspektiven der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft nach der Osterweiterung der Europäischen Union" - eine Thematik, die angesichts der Tatsache, dass die Osterweiterung bereits zu Beginn des Jahres 2004 erfolgen soll und weitreichende Konsequenzen für Land- und Ernährungswirtschaft in den alten und neuen Mitgliedstaaten, aber auch in anderen Ländern, haben wird, von großer Relevanz ist. Die Tagungsbeiträge befassten sich mit Fragen der Implikationen der EU-Osterweiterung aus Sicht von Mitglieds- und Beitrittsländern, der Agrarpolitik und Märkte, der Entwicklung des ländlichen Raumes, der Institutionen und Umweltressourcen, mit betriebswirtschaftliche Fragen sowie mit internationalen Aspekten der Zukunftsgestaltung für die Land- und Ernährungswirtschaft. Im Rahmen der Tagung wurde eine Sonderveranstaltung zur Würdigung in der Nationalsozialismus-Zeit verfolgter und vertriebener Agrarökonomen durchgeführt.
Die Entwicklung der Milchleistung, ihre einzelbetrieblichen Voraussetzungen und Antriebskräfte - Ermittelt aus Daten norddeutscher Betriebe mit intensiver Milchviehhaltung -
Klaus Walter und István Heinrich, Braunschweig
Die Einnahmen aus dem Milchverkauf machen inzwischen über 80 Prozent der monetären Leistungen der Milchproduktion aus. Bei der Sicherung der Einkommen aus diesem Betriebszweig kommt der Leistungssteigerung große Bedeutung zu, insbesondere dann, wenn mit sinkenden Milchpreisen und damit nachgebenden Einnahmen zu rechnen ist.
Die Daten der Betriebe des "Arbeitskreis Forschung und Praxis" der Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) dienen als Basis, um die Entwicklung der Milchleistung durch die verfahrensspezifischen Kennzahlen zu erklären. Durch Berechnung und Vergleich von Entwicklungspfaden werden die langfristigen Interaktionen aufgezeigt.
Die Steigerung der Milchleistung je Kuh (verkaufte Menge) betrug in diesen Betrieben knapp 1.500 Kilogramm je Kuh, gleichzeitig konnte die aus Grundfutter erzielte Leistung um 1.300 Kilogramm angehoben werden. Die je Kuh eingesetzte Kraftfuttermenge ging im Beobachtungszeitraum von 22 auf 20 Dezitonnen je Kuh und Jahr zurück und kann den Anstieg der Milchleistung nicht bewirkt haben.
Für viele Kennzahlen der Produktion, wie Erstkalbealter, Remontierungsquote, Stallform (Anbinde- oder Laufstall), Arbeitverfassung (Familien- oder Lohnarbeitsbetrieb) oder Weidegang (im Vergleich mit Sommerstallhaltung) sind ebenfalls keine einheitlichen Verbindungen zur Leistungsentwicklung ableitbar.
Die Kosten für Tierarzt und Medikamente wachsen mit dem Milchertrag. Erfolgreichen Betriebsleitern gelingt es jedoch, die Leistung bei (nahezu) konstanten Ausgaben für die Gesunderhaltung zu steigern und damit diesen ungünstigen Trend zu durchbrechen.
Das Niveau der Kosten für die Besamung und den eigenen Zuchtbullen wird hier als Indikator für den Zuchtfortschritt herangezogen. Die Ergebnisse sprechen für eine große Übereinstimmung bei der Entwicklung dieser Kostenposition und den Leistungsfortschritten.
Die Entwicklung der Energiegehalte in Mais- und vor allem in Grassilagen ist nahezu kongruent mit der Steigerung der Milchleistung. Die übrigen Grundfuttermittel, speziell die Zwischenfrüchte, weisen deutlich ungünstigere Wechselbeziehungen zur Milchleistung auf.
Einsatz von Tierarzneimitteln zur Anwendung bei landwirtschaftlichen Nutztieren in Mecklenburg-Vorpommern
Sören Thiele-Bruhn, Andreas Mogk und Dirk Freitag, Rostock
Der Einsatz von Arzneimitteln, insbesondere antibiotisch wirksamer Stoffe, bei landwirtschaftlichen Nutztieren und der daraus resultierende Stoffeintrag in die Umwelt wurde für das Land Mecklenburg-Vorpommern abgeschätzt. Dazu wurden für den Verordnungszeitraum von Oktober 2000 bis September 2001 Herstellungsaufträge und Verschreibungen für Fütterungsarzneimittel ausgewertet. Von insgesamt 2.097 Verordnungen für Fütterungsarzneimittel wurden 90 Prozent für Schweine ausgestellt. Es wurden 16 Tonnen Tierarzneiwirkstoffe und davon zehn Tonnen antibiotisch wirksame Stoffe, hier vor allem Tetracycline und Sulfonamide abgegeben. Durch direkte Abgabe vom Tierarzt an den Tierhalter werden insbesondere Tetracycline und b-Lactam-Antibiotika in Verkehr gebracht. Dabei ist für Mecklenburg-Vorpommern von einer mengenmäßigen Abgabe der Antibiotika zu zwei Drittel über Fütterungsarzneimittel und nur zu ein Drittel durch direkte Abgabe bei den betroffenen Tierarten (Schwein, Geflügel und Kalb) auszugehen. Die recherchierten Wirkstoffmengen wurden mittels eines Bilanzierungsmodells und weiterer Angaben auf mögliche Konzentrationen in Wirtschaftsdüngern und Böden umgerechnet. Bezogen auf die landwirtschaftliche Netto-Fläche wurden durchschnittlich 9 (3 bis 14) Gramm Antibiotika oder 13 (4 bis 23) Gramm Arzneiwirkstoffe je Hektar über tierärztliche Verordnungen in den Landkreisen verabreicht. Infolge der Applikation von Tierarzneimitteln ist mit Rückständen in Wirtschaftsdüngern, insbesondere von Geflügel zu rechnen; es wurden Konzentrationen von 0,04 bis 15 Milligramm je Kilogramm und Liter bilanziert. Nach Ausbringung des Tierdungs auf landwirtschaftliche Böden und unter Berücksichtigung von Abbauprozessen hätte dies bilanzierte Konzentrationen an Tetracyclinen von 1,8 (0,8 bis 2,6) und an Sulfonamiden von 0,7 (0,2 bis 1,3) Gramm je Kilogramm und Liter Boden zur Folge. Diese niedrigen Rückstandskonzentrationen liegen deutlich unterhalb des Auslöserwertes nach Europäische Arzneimittelagentur von 100 Gramm je Kilogramm und Liter und wurden durch Laboranalysen an ausgewählten Feldproben aus Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Neben Wirtschaftsdüngern tragen auch Stallstäube zu einem Eintrag von pharmakologisch wirksamen Substanzen in die Umwelt bei.
Silomaisreife und Sortenwahl nach Maß - Optimale Silierreife von Silomais und Produktsicherheit in der Tierproduktion durch erntenahe Bestandesführung mittels Messung der Kornabreife -
Reinhard Amler, Angersdorf
- Mit dem Korn-Trockenmasse-Gehalt kann der Erntezeitpunkt, das Ertragsmaximum und die Qualität von Silomais exakter und dabei mit geringstem materiellen und zeitlichen Aufwand im Vergleich zum Trockenmasse-Gehalt der Gesamtpflanze unterschiedlicher Genotypen bestimmt werden. Das Silieroptimum und das Ertragsmaximum sind mit der physiologischen Reife beim Silomais nahezu identisch und liegen bei der Korn-Trockenmasse von 65 Prozent im Anfangsbereich zum Körnermais.
- Die derzeitige Silomaisernte nach dem Trockenmasse-Gehalt der Gesamtpflanze kann zu Reifegraden im Korn von unter 55 Prozent oder zu unzureichenden Stärke- und Energiegehalten im Siliergut führen. Der Trockenmasse-Gehalt der Gesamtpflanze ist bei einem bestimmten Kornreifegrad beziehungsweise Stärkegehalt nur Ausdruck der Alterung der Restpflanze. Zur Verbesserung der Qualität sind Hochschnitt beziehungsweise Fütterung von Konzentraten die Konsequenz in der Praxis.
- Die Restpflanze nimmt neben dem Korn einen starken Einfluss auf den Trockenmasse-Gehalt der Gesamtpflanze. Bei Trockenmasse-Gehalten der Restpflanze über 30 Prozent sollte der Futterwert, vor allem aus mykotoxikologischer Sicht, untersucht werden. Auf diesen Standorten ist die Ernte bereits vor Erreichen des Silieroptimums und Ertragsmaximums durchzuführen. Deshalb sollten in der Zukunft nur ernteelastische Sorten angebaut werden, die intensiv Stärke einlagern und eine hohe Zellwandverdaulichkeit bei langsam abreifender Restpflanze aufweisen.
- Die Körnerreifezahl ist zur Einordnung einer Sorte in eine Reifegruppe besser als die Siloreifezahl und der Korn-Trockenmasse-Gehalt als Reifemaßstab für alle Nutzungsrichtungen im Maisanbau geeignet.
Neue sichere Anbaumethoden von Miscanthus in Europa
Ralf Pude, Bonn
In Europa gibt es vielversprechende Möglichkeiten Miscanthus industriell zu nutzen, zum Beispiel. als Baumaterial und als Energieträger (18; 19). Aus diesem Grund steigt die Nachfrage der Industrie an dem nachwachsenden Rohstoff Miscanthus. Alleine in England soll die Anbaufläche von Miscanthus in den kommenden Jahren auf 10 000 Hektar und in der Schweiz auf 3.000 Hektar ausgeweitet werden. Auch in Deutschland nimmt der Anbau langsam zu, hier besonders in Bayern und in NRW (3; 19; 20).
Miscanthus ist eine tropische Pflanze, die an das nord- und mitteleuropäische Klima nicht optimal angepasst ist. Frühere Versuche haben gezeigt, dass der Anbau unter ungünstigen Standort-Bedingungen, zum Beispiel kalte Temperaturen im Winter, sehr schwierig sein kann (5; 7).
Über die Untersuchung verschiedener Genotypen und dem Vergleich unterschiedlicher Vermehrungstechniken wurden Ansätze gefunden, diese tropische Pflanze auch in Europa dauerhaft zu etablieren. Im Rahmen eines Versuches auf ungünstigen Standorten wurde das Wachstum verschiedener mikro- und makrovermehrter Miscanthus- Herkünfte untersucht. Bei Etablierung der mikrovermehrten Pflanzen (ein-, zwei und mehrtriebig angezogen) im Jahre 1997 zeigte sich, dass hier vor allem die Selektion auf mehrtriebige Jungpflanzen bei der Anzucht und die Auswahl von im Herbst rechtzeitig abreifenden Genotypen zu nennen ist. Der Anbau von makrovermehrtem Miscanthus wurde in einem Versuch mit unterschiedlichen Rhizomgrößen (fingergroß und faustgroß) und unterschiedlichen Herkünften getestet. Dazu wurde Miscanthus mit großen Rhizomstücken nur bei 1,4 Prozent dagegen war sie bei den kleinen Rhizomen bei 64,8 Prozent. Bei der Frühjahrspflanzung verlief die Bestandesetablierung sowohl aus kleinen als auch aus großen Rhizomen mit Ausfällen von nur 6,7 Prozent zufriedenstellend. Im Gegensatz zu einigen Literaturangaben konnte mit diesen Versuchen gezeigt werden, dass der Anbau von Miscanthus auch auf nicht optimalen Standorten möglich und dabei abhängig von der Vermehrungsmethode, den Genotyp und dem Pflanztermin ist.
Bedeutung und Entwicklung der Nebenerwerbslandwirtschaft - dargestellt am Beispiel Baden-Württembergs
Ruth Schwenninger und Reiner Doluschitz, Stuttgart
Die Nebenerwerbslandwirtschaft stellt einen wichtigen Baustein einer vielfältig strukturierten Landwirtschaft dar (3, Seite 335). Anhand einer empirischen Erhebung wurde eine schriftliche Befragung von jeweils 200 Nebenerwerbsbetrieben in Herrenberg, einer industriestarken, und Rottenburg, einer industrieschwachen Ackerbauregion durchgeführt. Im Rahmen dieser Erhebung konnte festgestellt werden, dass der Einkommensbeitrag aus der Landwirtschaft im industrieschwachen Rottenburg eine größere Rolle spielt als im industriestarken Herrenberg. Dies spiegelt sich an der geringeren Flächenausstattung, der extensiveren Bewirtschaftungsweise und den günstigeren außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsmöglichkeiten in Herrenberg wider.
Die hohe und kontinuierliche Beanspruchung des überbetrieblichen Maschineneinsatzes und eine der Doppelbelastung angepasste Betriebsorganisation zeigen, dass Nebenerwerbslandwirte rational handeln. Als wichtiges Ergebnis der Untersuchung kann die Tatsache, dass die Nebenerwerbslandwirtschaft durchaus eine dauerhafte Erwerbsform darstellt, die vorwiegend aus Freude an der landwirtschaftlichen Tätigkeit betrieben wird und nicht die letzte Station vor der Betriebsaufgabe ist, angesehen werden.
Handels-Ökobilanz von regionalen und überregionalen Lebensmitteln - Vergleich verschiedener Vermarktungsstrukturen
Martin Demmeler und Alois Heißenhuber, Freising-Weihenstephan
Der sich ausdehnende Handel mit Agrargütern und Lebensmitteln wirkt sich durch die hervorgerufenen Transportströme zunehmend auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen aus. Zur Erfassung der Wirkungen der auf regionaler, nationaler, europäischer und globaler Ebene stattfindenden Handelstransporte wird ein Handels-Ökobilanz-Modell entwickelt. Auf dieser Grundlage wird eine Ökobilanz eines überregionalen Warenkorbes erstellt. Demgegenüber werden, ausgehend vom Lebensmittelsortiment eines Einzelhandelsunternehmens, die Handelsströme eines regionalen Warenkorbes in einer Ökobilanzierung erfasst. Der regionale Warenkorb verursacht je Wirkungskategorie im Vergleich zum überregionalen Warenkorb lediglich ein Drittel bis die Hälfte an Umweltschäden. Die Einsparpotenziale sind im unmittelbaren Zusammenhang mit der Handelsstruktur des untersuchten Unternehmens zu sehen. Ökologische Schadwirkungen lassen sich dann vermindern, wenn die Effizienz der Transportmittel erhöht wird beziehungsweise wenn die Transportentfernungen verringert werden. Der regionale Handel mit Lebensmitteln und Agrargütern stellt, wie das Untersuchungsbeispiel zeigt, bei der Nutzung effizienter Vertriebsstrukturen ein hohes Potenzial zur Einsparung von Ressourcen und zur Schonung der Umwelt bereit. Durch Kooperation mit dem Lebensmitteleinzelhandel könnte dieses Potenzial von zahlreichen regionalen Initiativen ebenfalls erschlossen werden.
Entre Rios - Anmerkungen zur Geschichte und Entwicklung der donauschwäbischen Genossenschaft Agrária Mista Entre Rios Ltda. in Paraná / Brasilien unter besonderer Berücksichtigung deutscher Entwicklungshilfe -
Wolfram Ruhenstroth-Bauer, Gauting
Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert im habsburgischen Staat entlang des Mittellaufs der Donau angesiedelten, später Donauschwaben genannten und seinerzeit aus Südwestdeutschland stammenden Siedler ihre Heimat. Sie hatten den südosteuropäischen Siedlungsraum zu einer Kornkammer des Balkans entwickelt und dabei hervorragende Pionierarbeit geleistet. Aufgrund ihrer deutschen Herkunft wurden sie 1945 vorwiegend aus Ungarn, Rumänien und Jugoslawien vertrieben. Viele von ihnen fanden in Österreich, zum Teil auch in Deutschland eine erste Zuflucht.
Als fest in der Landwirtschaft verwurzelte Menschen konnten sie sich nur schwer in den industriell geprägten Aufnahmeländern integrieren. In dieser Lage entstand der Gedanke der Auswanderung nach Übersee, wobei Brasilien als Aufnahmeland favorisiert wurde. Unterstützt von österreichischen und schweizer staatlichen, karitativen und kirchlichen Stellen, insbesondere der Schweizer Europahilfe, nahm der Plan einer Ansiedlung von 20.000 donauschwäbischen Familien in Südamerika bald konkrete Formen an. Im Hochland des brasilianischen Bundesstaates Paraná wurde ein geeigneter Standort gefunden.
Für ein erstes Pilotprojekt, bei dem es letzten Endes verblieb, wurden 500 Siedlerfamilien ausgewählt, die in der Region Guarapuava in gemeinschaftlicher Arbeit die donauschwäbische Kolonie Entre Rios aufbauen sollten. Die in der Folge gegründete landwirtschaftliche Genossenschaft Agrária wurde Träger und Motor dieses Unternehmens. Fehlentscheidungen der ersten Jahre, vorwiegend mangels Kenntnis und Erfahrung im Landbau dieser Region, aber auch mehrere Missernten führten dann zu einer ernsten Krise, die zahlreiche Siedler veranlassten, wieder nach Deutschland und Österreich zurückzukehren. Nach dem Rückzug insbesondere der Schweizer Europahilfe, aber auch brasilianischer Banken kam es 1955 zu einem ersten Wechsel in der Siedlungsleitung, in die nach wirtschaftlich unvermindert schwierigen Jahren 1966 Vertreter der jungen, bereits in der neuen Heimat aufgewachsenen Generation gewählt wurde.
In diesem wirtschaftlich und menschlich kritischen Stadium der donauschwäbischen Siedlung wurde Entre Rios auf Empfehlung des deutschen Botschafters in Rio de Janeiro in die Planung deutscher Entwicklungshilfe mit einbezogen. Ein von der Siedlungsleitung vorgelegtes langfristiges Sanierungskonzept sah die Lieferung deutscher landwirtschaftlicher Produktionsmittel, vorwiegend Dünger und Landmaschinen, während eines Zeitraumes von drei Jahren vor, wobei diese den Siedlern gegen Landeswährung zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt und die eingehenden so genannten Gegenwertmitteln für Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt werden sollten. Die ersten so finanzierten Vorhaben waren die Einrichtung einer genossenschaftlichen Kalkmühle, die Schaffung von Lagerraum für Getreide, der Bau eines Agrargymnasiums sowie die Errichtung einer Wohnsiedlung für brasilianische Arbeiter.
Die in den Jahren ab 1968 eingesetzten Produktionsmittel führten zu einer außerordentlichen Steigerung der Wirtschaftskraft der Genossenschaft Agrária wie der einzelnen donauschwäbischen Betriebe, so dass die vorher in Frage stehende Kreditwürdigkeit auch aus der Sicht der brasilianischen Banken wieder gegeben war. So konnten die notwendigen Mittel für eine innere und äußere langfristig angelegte Landreform aufgebracht werden, mit deren Hilfe die Betriebe innerhalb des Siedlungsraumes ebenso wie die neu geschaffenen landwirtschaftlichen Betriebe außerhalb der Siedlung ihrem Ertrag und ihrer Produktivität nach zu gesicherten Existenzen entwickelt werden konnten.
Nach dem Weizenboom bis zu Anfang der 70er Jahre folgte dann die Einführung des Braugersteanbaues, es folgten Soja und Mais. Zu den Erfolgen im Ackerbau - Entre Rios war in der Zeit des Weizenbooms die größte geschlossene Weizenanbauregion Brasiliens - kamen hervorragende und hochprämierte Ergebnisse im Bereich der Tierzucht. Mit der Entwicklung des agroindustriellen Sektors schließlich, insbesondere mit dem Bau der Mälzerei Agromalte verband sich bis heute die weiträumige wirtschaftliche Ausstrahlung von Entre Rios auf den gesamten Raum. Entre Rios ist inzwischen nicht nur der größte Arbeitgeber im Bezirk Guarapuava, die Genossenschaft ist auch der größte Steuerzahler und damit der Entwicklungsmotor der Region. Nicht zuletzt initiierte die donauschwäbische Siedlung dank der deutschen Entwicklungshilfe auch einen wirtschaftlichen Strukturwandel des Bundesstaates Paraná. Schrittweise wurden die bis dahin als wenig fruchtbar geltenden Hochländer ackerbaulich erschlossen und im Laufe der Jahre zu einer Region intensiver Agrarwirtschaft entwickelt.
Insgesamt betrachtet kommt der deutsche Entwicklungshilfe für Entre Rios der Stellenwert einer erfolgreichen Hilfe zur Selbsthilfe zu, von der über das Projekt hinausgehend ein Ausstrahlungseffekt ausging, der im besten Sinne den Zielen deutscher Entwicklungshilfe im Bereich der Agrarhilfe wie insgesamt auch bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Bundesstaates Paraná entspricht.