Aus "Berichte über Landwirtschaft" - Sonderheft 216

Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung – Empfehlungen an die Politik

Kurzfassung des Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (verabschiedet im November 2007).

Im vorliegenden Gutachten analysiert der Beirat den derzeitigen Stand und die Perspektiven der Bioenergie. Er bewertet die Entwicklungen im Hinblick auf die politischen Ziele Klimaschutz, Energieversorgung und Beschäftigung. Darauf aufbauend leitet er Empfehlungen für die Weiterentwicklung der deutschen Bioenergie-Politik ab.

Der Beirat unterstützt die deutsche Politik in ihrem Bestreben, in der Klimaschutzpolitik eine internationale Vorreiterposition einzunehmen. Er misst dem Klimaschutzziel bei seiner Bewertung der Bioenergiepolitik höchste Priorität bei. Gerade wenn Deutschland beim Klimaschutz aber besonders hohe Ziele erreichen und mit gutem Beispiel vorangehen will, ist es nach Auffassung des Beirats besonders wichtig, die knappen Ressourcen auf die effizientesten Klimaschutzstrategien zu konzentrieren. Diesem Anspruch wird die deutsche Bioenergiepolitik bisher nicht gerecht. Sie fördert mit hohen Subventionsäquivalenten besonders jene Bioenergielinien, die relativ teuer und vielfach ineffizient sind.

Die bisher im Fokus der Bioenergiepolitik stehenden Bioenergie-Linien (Biokraftstoffe; Biogas auf Maisbasis) weisen relativ hohe CO2äq-Vermeidungskosten in einer Größenordnung von 150 bis weit über 300 Euro/t CO2äq auf. Wenn die deutsche Politik mit Hilfe der Bioenergie Klimaschutzpolitik betreiben möchte, so sollte sie sich auf solche Energielinien konzentrieren, bei denen sich Klimaschutz mit CO2-Vermeidungskosten von unter 50 Euro/t CO2äq erreichen lässt. Das wäre die Biogaserzeugung auf Güllebasis, möglichst mit Kraftwärmekopplung (KWK), die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung auf Basis Hackschnitzeln (aus Waldrestholz oder Kurzumtriebsplantagen) und die Co-Verbrennung von Hackschnitzeln bzw. (in gewissem Umfang) Stroh in bestehenden Großkraftwerken. Die Erzeugung von Biodiesel und Bioethanol in Deutschland ermöglicht nur eine sehr geringe CO2äq-Vermeidungsleistung in einer Größenordnung von weniger als 3 t CO2äq/ha, während sich mit anderen Bioenergie-Linien (z. B. Hackschnitzel-Blockheizkraftwerk auf der Basis von Kurzumtriebsplantagen) mehr als 12 t CO2äq/ha erreichen ließen.

Die Kritik an der zu hohen Subventionierung von energetisch und klimapolitisch ineffizienten Bioenergielinien bedeutet keine Absage an regenerative Energien. Im Gegenteil: Mehr Effizienzorientierung in der Bioenergie ermöglicht mehr Klimaschutz bei gleichem Aufwand. Bei einer entsprechenden Kurskorrektur in der deutschen Förderpolitik könnte die durch Bioenergie erreichte CO2äq-Vermeidung bei konstantem Budget vervielfacht werden, ohne dass hierfür mehr Agrarfläche in Anspruch genommen werden müsste.

Regenerative Energien sind aber mehr als nur Bioenergie. Vieles spricht dafür, dass im Spektrum der regenerativen Energien langfristig die Solar- und die Windkraft eine dominierende Rolle einnehmen werden. Das potenzielle Energieangebot aus Sonne und Wind übersteigt den Energiebedarf bei weitem, die Herausforderung besteht darin, einen nachhaltigen Zugang zu diesen Quellen zu erschließen. Der Beirat empfiehlt, die Erschließung dieser Quellen stärker ins Zentrum der deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik zu rücken und dabei den Fokus verstärkt auf Energieimport zu richten.

Im Vergleich zur Solarenergie sind die Potenziale der Bioenergie auf Dauer relativ gering. Das hat im Wesentlichen drei Gründe.

  • Bei der Solarenergie können Flächen genutzt werden, die nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Biomasse für den Nahrungsbereich stehen, und auf diesen Flächen können wesentlich höhere Energieerträge je Flächeneinheit erzielt werden als bei der Bioenergie.
  • Die weltweite Knappheit der Ackerflächen führt dazu, dass bei steigenden Erdölpreisen auch die Preise für Bioenergie steigen und infolge dessen auch das gesamte Agrarpreisniveau mit nach oben gezogen wird. Somit steigen auch die Rohstoffkosten für die Bioenergie-Anlagen, während höhere Energiepreise bei der Solarenergie voll rentabilitätswirksam werden.
  • Bei knappen Ackerflächen führt eine großflächige Ausdehnung der Bioenergie zwangsläufig dazu, dass bisher nicht ackerbaulich genutzte Flächen in Kultur genommen werden (Grünlandumbruch, Waldrodung) bzw. die Bewirtschaftung der Flächen intensiviert wird. Das verursacht erhöhte CO2- und N2O-Emissionen mit der Folge, dass die Ausdehnung der Bioenergieerzeugung auf Ackerflächen im Endeffekt sogar kontraproduktiv für den Klimaschutz sein kann. Diese Risiken sind mit den von der Politik geplanten Zertifizierungs- Systemen nicht in den Griff zu bekommen.

Bei diesem Befund kann der deutschen Politik aus klimaschutzpolitischer Sicht nicht empfohlen werden, die Förderung der Bioenergieerzeugung auf Ackerflächen weiter auszubauen. Sie sollte die Förderung schrittweise auf solche Bioenergie-Linien ausrichten, die (a) nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, (b) zur Vermeidung von Methan-Emissionen aus Gülle beitragen oder (c) besonders niedrige CO2äq-Vermeidungskosten bzw. ein sehr hohes CO2äq-Vermeidungspotenzial aufweisen.

Die Beurteilung der Bioenergie-Politik unter den Kriterien "Versorgungssicherheit" und "Beschäftigung" führt zu einem ähnlichen Votum.

Würde man den gegenwärtigen Bioenergie-Mix auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands ausdehnen, so ließe sich mit der dort erzeugten Energie lediglich 2,3 Prozent des Endenergieverbrauchs Deutschlands decken. Bei einer konsequenten Fokussierung der Bioenergiestrategie auf Hackschnitzel-KWK-Anlagen, welche maximale Netto-Energieerträge je Hektar liefern, ließe sich dieser Anteil auf knapp neun Prozent steigern. Dann bliebe aber kein Raum mehr für Biokraftstoffe. Möchte die Politik hingegen die Selbstversorgung mit Kraftstoffen optimieren, müsste sie die Förderstrategie konsequent auf die Linie Biogas-Kraftstoff (mit Direkteinspeisung ins Erdgasnetz) ausrichten. Wenn sie hingegen das Ziel favorisiert, bei Kraftstoffen "nur" möglichst unabhängig von Erdöl- und Erdgasimporten zu werden, erschiene es ratsam, den Import von Biokraftstoffen von vornherein als tragende Säule in die Biokraftstoff-Strategie zu integrieren. Die negativen Nebenwirkungen dieser Strategie (Nahrungskonkurrenz, Klimabelastung, siehe oben) kämen aber auch hier zum Tragen.

Bei einer Verbreitung der Bioenergieerzeugung in Ackerbauregionen sind per saldo schwach positive Beschäftigungseffekte zu erwarten, allerdings nicht in allen Fällen. Wenn hingegen die Förderung der Bioenergie zu einer Verdrängung der Tierproduktion führt, sind die Beschäftigungssalden für die betroffenen ländlichen Räume eindeutig negativ. Positive Beschäftigungseffekte bestehen vor allem in der Technologieentwicklung und im Anlagenexport. Deshalb sollte sich die Politik vorrangig auf die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten und Exportaktivitäten konzentrieren. Sie sollte die deutsche Landwirtschaft nicht durch eine hohe Förderung ineffizienter Bioenergielinien in eine neue Politikabhängigkeit führen und auf einen Sektor (Energie) ausrichten, in dem die deutsche Landwirtschaft eigentlich kaum wettbewerbsfähig ist und der durch harten (internationalen) Kostenwettbewerb sowie geringe Wertschöpfungspotenziale gekennzeichnet ist.

Insgesamt kommt der Beirat somit zu dem Ergebnis, dass die deutsche Bioenergiepolitik grundlegend überdacht werden sollte. Er empfiehlt die Erzeugung von Bioenergie (a) in wärmegeführten KWK-Anlagen bzw. Heizanlagen auf Basis von Hackschnitzeln sowie (b) auf Basis von Biogas aus Gülle und Reststoffen in den Mittelpunkt der deutschen Bioenergiepolitik zu stellen. Die Beimischungsziele für Biokraftstoffe sollten zurückgenommen werden, und der NaWaRo-Bonus für Biogas sollte in andere Boni überführt werden. Dieser grundlegende Umbau der Bioenergiepolitik sollte schrittweise erfolgen, damit die betroffenen Unternehmen sich anpassen können und einen ausreichenden Vertrauensschutz erfahren.

Die nationale Bioenergiepolitik muss einen deutlichen Akzent auf eine Erhöhung der Effizienz legen, um so einen höheren Beitrag zur Verringerung der nationalen CO2äq-Emission pro Kopf der Bevölkerung zu leisten. Gleichwohl kann hierdurch nur ein sehr bescheidener Beitrag zur Lösung des globalen Klimaschutzproblems geleistet werden. Deshalb empfiehlt der Beirat der Bundesregierung dringend, wesentlich mehr Ressourcen in die Entwicklung einer globalen Klimaschutzstrategie zu investieren.

Abbildung 1: CO2äq-Vermeidungskosten und Vermeidungsleistung.

Hierfür sollte eine Projektgruppe ("task force") installiert werden, die sich international vernetzt und nachhaltig wirksame Strategien oder Aktionspläne entwickelt. Das Mandat der Gruppe müsste langfristig angelegt und die Ressourcenausstattung großzügig bemessen werden. Vorrangiges Ziel sollte es sein, im internationalen Verbund erfolgversprechende Klimaschutzstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Hierzu gehören insbesondere die Ausweitung des Kyoto-Prozesses auf eine zunehmende Anzahl von Ländern und Wirtschaftssektoren, aber auch die weltweite Anpassung der Besteuerung fossiler Energieträger und eine effiziente, international ausgerichtete Förderung der Entwicklung regenerativer Energien.

Autoren

Prof. Prof. Dr. FOLKHARD ISERMEYER (Vorsitzender), Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), Braunschweig; Prof. Dr. Dr. ANNETTE OTTE (Stellvertretende Vorsitzende), Universität Gießen; Prof. Dr. OLAF CHRISTEN, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. STEPHAN DABBERT, Universität Hohenheim; Prof. Dr. KLAUS FROHBERG, Universität Bonn; Prof. Dr. ULRIKE GRABSKI-KIERON, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Prof. Dr. JÖRG HARTUNG, Tierärztliche Hochschule Hannover; Prof. Dr. Dr. h.c. ALOIS HEIßENHUBER, Technische Universität München, Prof. Dr. JÜRGEN HEß, Universität Kassel, Prof. Dr. Dr. h.c. DIETER KIRSCHKE, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Peter MICHAEL SCHMITZ, Universität Gießen; Prof. Dr. ACHIM SPILLER, Universität Göttingen; Prof. Dr. ALBERT SUNDRUM, Universität Kassel; Prof. Prof. Dr. CARSTEN THOROE, Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI), Braunschweig

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