Sachstandsbericht: Temporärer Fachausschuss für "vegane und vegetarische Lebensmittel"

Der temporäre Fachausschuss für "vegetarische und vegane Lebensmittel" der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) hat sich darauf verständigt, über den Fortschritt der Beratungen innerhalb dieses Fachausschusses wie folgt zu berichten:

Ausgangssituation: bis Ende 2022


Der Markt für vegane und vegetarische Lebensmittel zeigt seit Jahren wachsende Umsatzzahlen und eine steigende Vielfalt der Produkte. Einen an die DLMBK gerichteten Antrag nahm das Präsidium der DLMBK zum Anlass, als Fachausschuss für horizontale Fragestellungen erstmals Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu entwerfen, die von der Kommission angenommen und 2018 veröffentlicht wurden.

Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches geben keine unverrückbare Verkehrsauffassung wieder, sondern unterliegen einer regelmäßigen Überprüfung durch die DLMBK. Änderungsbedarf kann zum Beispiel durch gesetzliche Anpassungen oder mögliche Änderungen des Marktgeschehens begründet sein. Daher hat sich das Präsidium der DLMBK auf seiner 60. Sitzung mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit die 2018 erstmals veröffentlichten Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs die Bewährungsprobe im Markt bestanden haben. Einige der dafür zu klärenden Fragen lauten: Hat die amtliche Lebensmittelüberwachung hinsichtlich der beschriebenen Kriterien der gestuften sensorischen Ähnlichkeit noch weiteren Präzisierungs- und Klarstellungsbedarf? Gibt es eine klare, berechtigte Verbrauchererwartung, und hängt diese eventuell von den einzelnen Zielgruppen der Produkte ab? Wie steht es um die Akzeptanz der Leitsätze, die in einigen Teilen einen prägenden Charakter haben, bei Herstellern und Händlern? Darüber hinaus ging anbieterseitig ein Änderungsantrag ein, der vom Präsidium an den temporären Fachausschuss überwiesen wurde.

Der temporäre Fachausschuss 8 hatte daraufhin im November 2020 seine Arbeit wieder aufgenommen und über die genannten Fragestellungen beraten.

Es wurden verschiedene Punkte angepasst, geändert und versucht deutlicher darzustellen, allerdings konnte der überarbeitete Leitsatzentwurf im Juni 2022 nicht die erforderliche Mehrheit im Plenum der DLMBK erreichen. Somit behielt die im Dezember 2018 veröffentlichte Fassung der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs weiterhin ihre Gültigkeit.

Zwischenzeitlich gab es zum 1. Juli 2022 eine Neuberufung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission. Zudem ging im Sommer 2022 erneut ein gruppenübergreifender Antrag auf Wiederaufnahme der Beratungen zu den Leitsätzen ein, der vom Präsidium an den temporären Fachausschuss 8 überwiesen wurde.

Die Diskussion zu dem vorliegenden Änderungsantrag wurde in der 12. Sitzung des Fachausschusses am 8. Februar 2023 unter Beteiligung von Sachkundigen und weiteren Mitgliedern der DLMBK fortgesetzt. Der Änderungsantrag basierte auf dem bereits vorliegenden, überarbeiteten Leitsatzentwurf aus der vergangenen Berufungsperiode. Nach
erneuter Bearbeitung der strittigen Punkte, die zuletzt zum Scheitern in der Plenarabstimmung geführt hatten, wurde der überarbeitete Leitsatzentwurf als geplante
Neufassung von den anwesenden Fachausschussmitgliedern einstimmig beschlossen und durchlief anschließend ein Anhörungsverfahren.

Am 15. August 2023 traf sich der Fachausschuss zu seiner 13. Sitzung, um gemeinsam mit Sachkundigen über die eingegangenen Anmerkungen und Stellungnahmen zu diskutieren.

Ziele

Die Definition von veganen/vegetarischen Lebensmitteln in den Leitsätzen, die dem Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz entspricht und somit die Grundlage für
alle am Markt Beteiligten bildet, wurde beibehalten und nicht ausgeweitet.

Deutlicher dargelegt werden soll, dass die Angaben "vegan/vegetarisch" nicht mit Auslobungen bezüglich einer Abwesenheit von potentiell allergischen Stoffen oder Stoffen,
welche Unverträglichkeiten auslösen können, gleichzusetzen sind, da technologisch unvermeidbare Spuren durchaus vorkommen könnten. Ebenso war man sich bei der
Beratung einig, dass Begrifflichkeiten wie "fleischfrei" oder "pflanzenbasiert" nicht eindeutig genug sind, um mit der Auslobung vegan oder vegetarisch gleichgesetzt werden zu können.

Erneut intensiv beraten wurde über die grundsätzliche Frage, für welche Produkte die Leitsätze gelten sollen. Wie kann man den Anwendungsbereich so formulieren, dass dies für alle beteiligten Kreise nachvollziehbar ist? Wie verhindert man, dass nicht-intendiert an Lebensmittel tierischen Ursprungs angelehnte Bezeichnungen bzw. die entsprechenden Produkte fälschlicherweise in den Geltungsbereich der Leitsätze gezogen werden, z. B. das Sellerie-Schnitzel. Das Ziel ist, die Produkte zu erfassen, welche sich bewusst oder unbewusst mit ihrer Aufmachung und/oder Bezeichnung an Lebensmittel tierischen Ursprungs oder deren verkehrsübliche Bezeichnungen anlehnen. Diese Erzeugnisse sollen zu einem gewissen Grade mit den in Bezug genommenen Produkten tierischen Ursprungs auch vergleichbar sein. Die Erzeugnisse sollen drei Kriterien erfüllen: Sie werden augenscheinlich als vegane/vegetarische Lebensmittel angeboten, sie lehnen sich eindeutig an verkehrsübliche Bezeichnungen von Lebensmitteln mit tierischen Zutaten an und weisen gleichzeitig Ähnlichkeit zu dem in Bezug genommenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs auf. Alle Kriterien müssen zusammen erfüllt sein, um unter den Anwendungsbereich der Leitsätze zu fallen. Vor diesem Hintergrund wurde über die in den geltenden Leitsätzen aufgeführten Ähnlichkeitskriterien besonders intensiv gesprochen. Der Ähnlichkeit zwischen Bezugs- und Ersatz-/Alternativprodukt kommt eine große Bedeutung zu; sie legt u. a. die Grundlage für die Wahl der verkehrsüblichen Bezeichnung. Der Fachausschuss war sich einig, dieses Prinzip weiterzuverfolgen.

Um die Unterscheidung zwischen hinreichender und weitgehender sensorischer Ähnlichkeit nachvollziehbarer zu machen, war es Konsens, für die sensorischen Dimensionen Aussehen, Geruch, Geschmack, Mundgefühl, Textur und Konsistenz wissenschaftlich korrekte Definitionen aufzunehmen, die so formuliert werden, dass sie anwenderfreundlich und verständlich sind. Auf die Definition der retronasalen Dimension wurde als Spezialfall nicht explizit eingegangen, da diese bereits durch die aufgeführten Eigenschaften mit abgedeckt ist.

Auch die ersetzenden Zutaten mit ihren sensorischen Eigenheiten wie Tofu, Seitan und Tempeh wurden besprochen. Diese werden schon sehr lange für vegane und vegetarische Lebensmittel verwendet. Im Leitsatzentwurf haben sie nun spezifische Beschreibungen erhalten.

Und letztlich wurden die Begrifflichkeiten "hinreichende und weitgehende sensorische Ähnlichkeit" selbst beschrieben, um die Unterscheidung greifbarer werden zu lassen. Eine hinreichende Ähnlichkeit bedeutet eine deutlich wahrnehmbare Ähnlichkeit, welche als Mindestvoraussetzung gegeben sein muss, um die Anlehnung an Begrifflichkeiten von Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu rechtfertigen, wohingegen eine weitgehende sensorische Ähnlichkeit tatsächlich eine nahezu umfassende Ähnlichkeit bedeutet. Hier treten nur geringe Abweichungen bezüglich der ersetzenden Zutaten und deren Eigenschaften auf. Es wurde dabei noch einmal deutlich gemacht, dass Anlehnungen an tierische Premiumprodukte und gewachsene Fleisch- bzw. Fischstücke mit diesem hohen Anspruch an die weitgehende Ähnlichkeit einhergehen.

Darüber hinaus wurden im Leitsatzentwurf die Namen von geänderten Leitsätzen angepasst und einige Beispiele spezifischer Wurstwaren im Abschnitt 2 "Besondere Beurteilungsmerkmale" für bestimmte vegane und vegetarische Lebensmittel aktualisiert.

Um die Übersichtlichkeit zu verbessern, entschied sich der Fachausschuss, bei den verschiedenen Produktgruppen in der Leitsatznummer 2 "Besondere Beurteilungsmerkmale" jeweils eine Unterscheidung in "Übliche Anlehnungen" und "Unübliche Anlehnungen" vorzunehmen. Die Liste der üblichen Bezeichnungen wurde erweitert, allerdings unter Beibehaltung der qualitativen Anforderungen. Es soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es in dem Segment der spezifischen Wurstwaren "Salami", "Lyoner" oder auch "Wiener" bereits eine durchaus nennenswerte Zahl an vegan/vegetarischen Ersatz-/ Alternativprodukten gibt, die auch die sensorischen Anforderungen an das Bezugsprodukt erfüllen. Darüber hinaus wurden die aufgeführten Beispiele für Bezeichnungen der Lebensmittel gegenüber den derzeit gültigen Leitsätzen überarbeitet.

Im Bereich der Anlehnungen an Fischprodukte wurden einige mögliche Bezeichnungen aus der Beispiel-Liste gestrichen, da sie derzeit keine Marktrelevanz besitzen.

Bei Anlehnungen an Feinkostsalate wurde lediglich auf übliche Anlehnungen hingewiesen.

Letztendlich wurde der final überarbeitete Leitsatzentwurf als geplante Neufassung von den anwesenden Fachausschussmitgliedern einstimmig beschlossen.

Nachdem die erste Abstimmung der Leitsatzempfehlung im Plenum im November 2023 aufgrund einzelner Gegenstimmen gescheitert war, hat die Kommission die Neufassung der Leitsätze nach zweiter Beratung in ihrer 49. Plenarsitzung im Juni 2024 mit der notwendigen Mehrheit von mehr als drei Vierteln der Stimmen aller Kommissionsmitglieder erfolgreich beschlossen.

Weitere Schritte

Die im Plenum verabschiedete Neufassung der Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs wird im nächsten Schritt zur Rechtsprüfung an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) weitergeleitet. Anschließend erfolgt die Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wurde dies erfolgreich abgeschlossen, können die Leitsätze im Bundesanzeiger sowie im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht werden.

Stand: 05.08.2024

Erschienen am im Format Artikel

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