Tagung des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) am 26. Februar 2024 in Brüssel

Ergebnisbericht

Leitung der deutschen Delegation: Bundesminister Özdemir

Zusammenfassung 

Im Fokus der Ratstagung stand der Meinungsaustausch zu den aktuellen Bauernprotesten in vielen Mitgliedstaaten und möglichen Lösungsansätzen, damit der Agrarsektor die aktuellen Herausforderungen bewältigen kann und die Ernährungssicherheit gewährleistet bleibt.

Die belgische Präsidentschaft hatte im Vorfeld Vorschläge für Vereinfachungsmöglichkeiten der EU-Agrarpolitik von den Mitgliedstaaten eingesammelt.

Der Rat führte einen Austausch zu diesem Thema auf der Grundlage von Fragen der Präsidentschaft.

 Weitere Punkte unter Sonstiges betrafen

  • den Klimazielvorschlag für 2040 der Kommission und die Auswirkungen auf den Agrarsektor;
  • eine Information der belgischen Präsidentschaft über eine Konferenz zu den Anforderungen für eine Gewährung des Seuchenfreiheitstatus;
  • die Schließung der Nordsee-Gewässer durch GBR für sämtliche Sandaal-Fischerei;
  • die verpflichtende Nutzung des digitalen Systems „CATCH“ zur Bekämpfung der illegalen, unregulierten und unangemeldeten (IUU-)Fischerei.

Im Einzelnen

TOP: Bauernproteste/ Information und Austausch zur Krisensituation im Agrarsektor

Die belgische Ratspräsidentschaft sowie Agrarkommissar Wojciechowski stellten Überlegungen vor, wie den Landwirtinnen und Landwirten entgegengekommen werden könnte. Der Kommissar ging dabei auch auf die im Vorfeld der Tagung übermittelten Vorschläge der Mitgliedstaaten ein.

Die Kommission werde weitere Vorschläge vorlegen; erste Gedanken habe er in einem Non-Paper ausgeführt.

Von Italien, Slowakei, Rumänien und Polen wurden zudem Punkte unter Verschiedenes zu diesem Themenkomplex eingebracht.

Bei den Beratungen forderten die meisten Mitgliedstaaten mehr Flexibilität sowie Verwaltungsvereinfachung.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten verwies auf die großen Herausforderungen und die Notwendigkeit, die Attraktivität des Agrarsektors zu steigern.

Viele Mitgliedstaaten betonten, dass es bei der Konditionalität schnell Änderungen geben müsse, auch wenn dafür das Basisrecht geändert werden müsse.

 Bundesminister Özdemir wies darauf hin, dass die Gründe für die Demonstrationen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich seien. Gemeinsam sei aber, dass

  • in ländlichen Regionen die Sorge bestehe, abgehängt zu werden;
  • die Landwirte den Eindruck hätten, keine angemessene Entlohnung zu erhalten.

Vor diesem Hintergrund müssten Leistungen für Klima-  und Artenschutz angemessen entlohnt werden. Die Betriebe sollten auch mit der Erbringung gesellschaftlich gewünschter Leistungen (Naturschutz und Tierschutz) Geld verdienen können. Weil es für diese Leistungen keine klassischen Märkte gebe, sollte die GAP stärker in diese Richtung weiterentwickelt werden.

An dem Green Deal müsse festgehalten werden. Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und Stärkung der ländlichen Räume müssen mit einem praxistauglichen, aber effektiven Schutz der Artenvielfalt, des Klimas und der Umwelt Hand in Hand gehen.

Er unterstützte Vereinfachungsmöglichkeiten der EU-Agrarpolitik nach dem Grundsatz:  Vereinfachungen in der GAP: Planbarkeit und Praktikabilität, ohne Standards zu senken.

Wichtig sei, dass bis zum Ende der Förderperiode eine stabile Lösung statt jährlicher Ausnahmen gefunden werde. Weitreichende Änderungen in der laufenden Förderperiode würden Fragen an die Verlässlichkeit demokratisch zu Stande gekommener EU-Entscheidungen aufwerfen.

Er führte weiter aus, dass Deutschland die Vorschläge der anderen Mitgliedstaaten mit großem Interesse zur Kenntnis genommen habe. Der Vorschlag von Italien, die De minimis - Obergrenze im Agrarsektor auf 50.000 € anzuheben, werde unterstützt und sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden (so auch eine Reihe weiterer Mitgliedstaaten).

Der Kommissions-Vorschlag zur Verlängerung des Abkommens mit der Ukraine werde begrüßt. Denn die Ukraine müsse von der EU so lange wie nötig vollständig unterstützt werden. Grenzblockaden hätten massive Auswirkungen auf europäische Unternehmen mit Produktionsstandorten in der Ukraine; zudem würden sie die Einfuhr von Gütern in die Ukraine, auch humanitäre und militärische Hilfslieferungen, blockieren. Die Ukraine brauche die Exporte und die Welt das ukrainische Getreide.

 Zusammenfassung der Präsidentschaft:

Die Diskussion habe weitgehende Übereinstimmung gezeigt, dass

  • die Attraktivität des Agrarsektors gesteigert werden müsse;
  • mehr Flexibilität bei Änderungen der GAP-Strategiepläne notwendig sei;
  • die Konditionalität (insbesondere GLÖZ 6, 7, 8) schnell geändert werden müsse (einschließlich Änderungen des Basisrechts);
  • deutliche Anhebung der De minimis – Obergrenze im Agrarsektor befürwortet werde;
  • faire Abkommen mit Drittstaaten geschlossen werden sollten;
  • ukrainische Agrarprodukte wieder ihre traditionellen Märkte erreichen sollten;
  • 120 Strategieplan-VO geändert werden sollte;
  • die Stellung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette gestärkt werden müsse.

Entsprechende Vorschläge sollten möglichst schnell vorgelegt und in den vorbereitenden Gremien (SAL und AStV) beraten werden.

Die (Zwischen-)Ergebnisse sollen dem ER (21. März 2024) berichtet werden.

Die Maßnahmen sollten bereits für 2024 gelten. Flankierend seien weitere mittel- und langfristigen Maßnahmen notwendig.

TOP: Sonstiges

EU-Tiergesundheitsrecht – Änderung der Anforderungen für eine Gewährung und Aufrechterhaltung der Seuchenfreiheit (wie die Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) und die „Aujeszky‘sche Krankheit“)

Die belgische Präsidentschaft berichtete über eine Konferenz zur Tiergesundheit, auf welcher der Status „seuchenfrei“ und dessen Voraussetzungen diskutiert worden seien.

 Agrarkommissar Wojciechowski führte – in Vertretung von Kommissarin Kyriakides (die wegen der Demonstrationen nicht das Ratsgebäude erreichen konnte) – aus, dass diese wichtige Frage im Regelungsausschuss diskutiert und auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationalen Normen die Entscheidungen getroffen werden sollten. Im Sinne des One Health-Ansatzes sollte zeitnah gehandelt werden.

 Einige Mitgliedstaaten argumentierten mit dem erfolgreichen Einsatz der Impfstoffe bei Tilgungsprogrammen, der Sicherheit der Impfstoffe, der Verbesserung des Gesundheitsstatus und der Kostenreduktion für die Überwachung. Eine Massentötung und die entsprechenden Verluste für die Landwirte könnten dann vermieden werden.

 Andere Mitgliedstaaten sahen in einer Lockerung der Regelungen in Bezug auf das Impfverbot in Verbindung mit dem Status „seuchenfrei“ eine große Bedrohung für ungeimpfte seuchenfreie Tierpopulationen und eine Gefährdung des erfolgreich erreichten Status der Seuchenfreiheit.

Es müsse sichergestellt sein, dass internationale Standards eingehalten werden.

Deutschland forderte, dass bezogen auf die jeweilige Seuche eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der Vor- und Nachteile durchgeführt wird. Eine Entlastung der Landwirte dürfe sich nicht nachteilig auf bereits erreichte Fortschritte bei der Tiergesundheit auswirken.

 Das EU-Reduktionsziel für 2040 und der Agrarsektor

Auf Antrag von Polen beriet der Rat über den am 6. Februar 2024 veröffentlichten Klimazielvorschlag für 2040. Polen betonte den Zusammenhang mit der Ernährungssicherung; wegen seiner Bedeutung müsse der Agrarsektor bei den Zielvorgaben besonders behandelt werden. Aufgrund natürlicher biologischer Prozesse sei eine Reduzierung der Emissionen in der Landwirtschaft nur bedingt möglich.

Die Kommission empfiehlt ein Zwischenziel von 90% für 2040; ein spezifisches Reduktionsziel für den Agrarsektor gibt es nicht.

 Die wortnehmenden Mitgliedstaaten betonten überwiegend die Notwendigkeit eines Gleichgewichts (Ernährungssicherung einerseits und Umweltaspekte andererseits); die Ziele müssten realistisch sein und den Besonderheiten des Agrarsektors Rechnung getragen werden.

 Deutschland verwies auf die ambitionierten, gesetzlich verankerten nationalen Ziele für 2040 und der Klimaneutralität. Da die Sektoren Land- und Forstwirtschaft besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen seien, sei eine resiliente, krisenfeste und ressourcenschonende Landwirtschaft wichtig, wobei auch auf einen sozialen Ausgleich geachtet werden müsse.

 Kommissar Sinkevičius betonte, dass alle Wirtschaftssektoren ihren Beitrag leisten müssten; auch der Agrarsektor, der im Übrigen bereits schon verschiedene innovative Lösungen zur Emissionsminderung hervorgebracht habe. Insgesamt sei das Reduktionsziel ein wichtiger Teil des Green Deals und biete auch Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle.

 Schließung der Sandaal-Fischerei in britischen-Gewässern

Dänemark (unterstützt von Schweden) hatte diesen Punkt unter Verschiedenes wegen der Schließung der britischen Nordsee-Gewässer für sämtliche Sandaal-Fischereien zum 26. März 2024 angemeldet und ein Papier vorgelegt.

Die Kommission wird aufgefordert, zeitnah die rechtliche Prüfung abzuschließen, ob und inwieweit das Vorgehen des Vereinigten Königreichs einen Verstoß gegen das EU-GBR Handels-und Kooperationsabkommen (HKA) darstelle. Schweden ergänzte, dass kein Präzedenzfall geschaffen werden sollte.

Auch die übrigen wortnehmenden Mitgliedstaaten sahen die Schließung der britischen Gewässer kritisch.

 Deutschland unterstützte die rechtliche Prüfung seitens der Kommission, betonte jedoch die Notwendigkeit des Schutzes des Sandaals aus naturschutzfachlicher Sicht, da der Sandaal eine wichtige Nahrungsquelle für Seevögel, Meeressäugetiere und Fische sei.

 Kommissar Sinkevičius betonte, dass die Kommission diese Schließung durch das Vereinigte Königreich sehr ernst nehme. Daher habe er seinen britischen Kollegen gebeten, diese Entscheidung zu korrigieren. Die rechtliche Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Kommission habe die alleinige Zuständigkeit für dieses Dossier. Die EU müsse geeint und solidarisch agieren; Alleingänge einzelner Mitgliedstaaten wären nicht zielführend.

 Verpflichtende Nutzung des digitalen Systems „CATCH“ zur Bekämpfung der illegalen, unregulierten und unangemeldeten (IUU-) Fischerei

CATCH ist ab 2026 EU-weit verpflichtend und soll dazu dienen, die Kontrolle der Fischereierzeugnisse EU-weit einheitlich digital abzuwickeln. Kommissar Sinkevičius führte aus, dass der EU eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der illegalen, unregulierten und unangemeldeten Fischerei zukomme.

 Mit CATCH gebe es nun eine Plattform, um die Kontrollen zu harmonisieren und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Dieses sollte auch Drittstaaten zur Verfügung gestellt werden, um die Bekämpfung weiter zu verbessern.

Ein nahtloser Übergang sei wichtig. Die Mitgliedstaaten sollten die Ressourcen vorhalten, damit die Daten entsprechend eingegeben werden. KOM werde die Nutzung von CATCH daneben technisch durch ein Seminarangebot und Schulungen unterstützen.

 Die wortnehmenden Mitgliedstaaten begrüßten grundsätzlich das neue digitale System CATCH.

Deutschland unterstützte den Ansatz der Kommission, mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele EU-weit die Verhinderung und Bekämpfung der IUU-Fischerei zu verbessern. Die weitere technische Vorbereitung, insbesondere auf technischer Ebene, werde daher gerne begleitet.

Erschienen am im Format Aktuelles

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