Tagung des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) am 19. und 20. Oktober 2020 in Luxemburg

Ergebnisbericht

Vorsitz: Bundesministerin Julia Klöckner - Leitung der deutschen Delegation: Staatssekretärin Beate Kasch

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt der Tagung standen die Einigung des Rates auf die Allgemeine Ausrichtung zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in den frühen Morgenstunden des 21. Oktobers, die politische Einigung über die Fangmöglichkeiten in der Ostsee sowie die Schlussfolgerungen des Rates zur Farm-to-Fork-Strategie.

Zudem befasste sich der Rat auf Anmeldung von einzelnen Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelungen von Schlachthygienevorschriften für Kleinerzeuger von Geflügelfleischprodukten, einer Verschiebung des Beginns der Anwendung des neuen EU-Tiergesundheitsrechts sowie den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rindfleischmärkte.

Im Einzelnen

TOP Verordnung zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten in der Ostsee für 2021

Die Vorsitzende des Rates, Bundesministerin Julia Klöckner, formulierte eingangs das Ziel, dass die politische Einigung für alle betroffenen Mitgliedstaaten fair sein und den Anforderungen der Gemeinsamen Fischereipolitik im Allgemeinen und dem Mehrjahresplan für die Ostsee im Besonderen entsprechen müsse. Sie verwies auf die vielfältigen gemeinsamen Bemühungen mit Blick auf die Kompromissfindung im Vorlauf auf den Rat, auch im Rahmen der Gruppe der Ostsee-Anrainer (BALTFISH).

Der Rat für Landwirtschaft und Fischerei führte sodann einen intensiven Gedankenaustausch und beschloss – nach intensiven bi- und trilateralen Gesprächen – in der Nacht auf den 20. Oktober schließlich mit großer Mehrheit die Fangquoten für die Ostsee für 2021.

Bei der für die deutsche Fischerei besonders wichtigen Heringsfischerei der westlichen Ostsee war auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen eine erneute Kürzung um 50 % notwendig. Für Dorsch in der westlichen Ostsee konnten die Quoten nach erheblichen Kürzungen im letzten Jahr um 5 % angehoben werden. Der Dorsch in der östlichen Ostsee, dessen Bestandssituation besonders schwierig ist, kann weiterhin nur als Beifang gefischt werden; die Quoten wurden nochmals um 70 % abgesenkt.

Die Vorsitzende unterstrich bei der Vorstellung des Kompromissvorschlags der deutschen Präsidentschaft in der Nacht zum 20. Oktober, dass dieser Kompromiss die Nachhaltigkeit der gemeinsam genutzten Bestände gewährleiste, aber auch eine tragfähige Lösung für die Ostseefischer biete.

Auch Kommissar Sinkevičius betonte, dass es sich um ein ausgewogenes Ergebnis handle.

TOP GAP nach 2020

Der Rat beriet am 19. und 20. Oktober 2020 in Luxemburg über die Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einigte sich in den frühen Morgenstunden des 21. Oktobers mit qualifizierter Mehrheit auf eine Allgemeine Ausrichtung des Rates, die als Verhandlungsmandat für die Triloge mit dem Europäischen Parlament und der Kommission dienen wird.

Die Vorsitzende unterstrich während der Verhandlungen mit Nachdruck, dass das Bekenntnis des Europäischen Rates vom Juli 2020 für einen stabilen und verlässlichen EU-Agrarhaushalt mit der Verpflichtung für eine stärkere ökologische Ausrichtung der GAP verbunden sei und der Rat insbesondere mit dem neuen Instrument der Öko-Regelungen in der ersten Säule die höhere Ambition der künftigen GAP beim Umwelt- und Klimaschutz unter Beweis stellen müsse.

Strittige und die Verhandlungen dominierende Punkte waren bis zuletzt die Frage eines Mindestbudgets für verpflichtende Ökoregelungen, dessen konkrete Höhe, damit korrespondierende Mechanismen zur Vermeidung bzw. Reduzierung von etwaigen Mittelverlusten und Vereinfachungsbestrebungen im Rahmen der Konditionalität für kleine landwirtschaftliche Betriebe.

Hinsichtlich des Mindestbudgets für Ökoregelungen in der 1. Säule einigten sich die Mitgliedstaaten auf ein verpflichtendes Mindestbudget in Höhe von 20 % der nationalen Direktzahlungs-Obergrenze. Um Bedenken vieler Mitgliedstaaten wegen eines möglichen Mittelverlustes bei fehlender Nachfrage der angebotenen Ökoregelungen Rechnung zu tragen, sprachen sich die Mitgliedstaaten – einem Vorschlag des Vorsitzes folgend – für eine zweijährige sogenannte „Lernphase“ für die Jahre 2023 und 2024 aus, während der Mitgliedstaaten nicht abgerufene Mittel aus dem Mindestbudget für andere Direktzahlungsinterventionen oder für Umweltmaßnahmen in der 2. Säule verwenden können.

Zudem wurde ein Mechanismus vorgesehen, mit dem Mitgliedstaaten besonders hohe Umweltleistungen in der 2. Säule, soweit diese mehr als 30 % der Mittel der 2. Säule betragen, auf das Mindestbudget der Ökoregelungen anrechnen können. Auch beschloss der Rat, dass auch die Investitionsförderung für Junglandwirte auf die Junglandwirteförderung in Höhe von 2 % der Direktzahlungen anzurechnen ist.

Daneben wurde für die Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand im Rahmen der Konditionalität eine für die EU-weit wirksame Umsetzung wichtige Festlegung beschlossen. Wie vom deutschen Vorsitz vorgeschlagen, müssen für die Verbesserung der Biodiversität mindestens 3 % der Ackerfläche nicht-produktiv bereitgestellt oder mindestens 5 % mit stickstoffbindenden Pflanzen oder Zwischenfrüchten ohne Pflanzenschutzmitteleinsatz bebaut werden. Bestimmte, begrenzte Ausnahmeregelungen gibt es für kleinere Betriebe bis 10 ha Ackerland sowie für Betriebe mit Dauergrünlandanteil oder hohem Waldanteil. Der Ratsbeschluss sieht aber auch vor, dass kleine Betriebe, die in einigen Mitgliedstaaten einen Großteil der Betriebe und spürbare Anteile der Flächen ausmachen, grundsätzlich der Konditionalität unterliegen.

Der Rat einigte sich darauf, das Auslaufen der nationalen Übergangsbeihilfen fortzusetzen, allerdings in geringeren als den ursprünglich vorgeschlagenen Schritten. Der Erhalt der Ausnahme von Begünstigten mit bis zu 2.000 Euro Direktzahlungen von der Finanzdisziplin im Rahmen der Horizontalen Verordnung war für viele Mitgliedstaaten unverzichtbarer Teil des Kompromisses.

Kommissar Wojciechowski zeigte sich insbesondere mit Blick auf die verpflichtenden Ökoregelungen und das verpflichtende Mindestbudget vom vorgelegten Kompromiss „stark beeindruckt“ und bezeichnete die Ökoregelungen als das Kernanliegen der GAP-Reform.

TOP Farm-to-Fork-Strategie

Die Vorsitzende stellte den Entwurf zu Ratsschlussfolgerungen zur Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ der Europäischen Kommission vor. Bundesministerin Klöckner ging kurz auf die vorhergehenden Beratungen ein, die auch zwei Aussprachen auf Ministerebene umfasst hätten, und dankte den Mitgliedstaaten für deren Beiträge und konstruktive Haltung während der Diskussion. Sie stellte heraus, dass die vorliegenden Ratsschlussfolgerungen der Kommission eine politische Richtschnur an die Hand gäben, wie die zukünftigen Anstrengungen hin zu einem nachhaltigen und resilienten Lebensmittelsystem zu bündeln seien. Nachhaltigkeit bedeute in diesem Zusammenhang die Produktion und Verteilung sicherer, nahrhafter und erschwinglicher Lebensmittel im Rahmen einer Gesamtstrategie, die der Ernährungssicherheit, dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Umwelt und der Abmilderung der Folgen des Klimawandels diene.

Alle Mitgliedstaaten erkannten die Anstrengungen des Vorsitzes bei der Kompromissfindung an und gratulierten zur zügigen Erarbeitung eines ausgewogenen und tragfähigen Kompromisses. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten betonte dabei die Schwierigkeiten, die aufgrund der inhaltlichen Komplexität und kontroversen Standpunkte zu überwinden gewesen seien.

Die grundsätzliche Ausrichtung der Strategie, das europäische Nahrungssystem mit der natürlichen Umwelt in Einklang zu bringen, fand ebenfalls allgemeine Unterstützung. Es gehe darum, ökologische, ökonomische und soziale Komponenten in Einklang zu bringen. Mehrere Mitgliedstaaten betonten gleichzeitig, dass die Konkurrenzfähigkeit der EU-Landwirtschaft nicht aus dem Auge verloren werden dürfe.

Kommissarin Kyriakides sagte zu, bei der Umsetzung der Ziele der Farm-to-Fork-Strategie die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, für alle Legislativvorschläge im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie vorab Folgenabschätzungen durchzuführen sowie unverzüglich mit Drittländern in einen konstruktiven Dialog im Rahmen der „grünen Diplomatie“ einzutreten.

TOP Verschiedenes

GAP-Reformpaket nach 2020: Gemeinsame Erklärung der Visegrád-Gruppe und sieben weiterer Mitgliedstaaten

Im Rahmen des Oktoberrates brachte die polnische Delegation als amtierende Präsidentschaft der Visegrád-Gruppe unter „Sonstiges“ eine Gemeinsame Erklärung der Visegrad-Gruppe und sieben weiterer Mitgliedstaaten zu Elementen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Zusammenhang mit der Einigung über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 ein. Aufgrund des thematischen Bezugs wurde der Punkt gemeinsam mit TOP 4, dem GAP-Reformpaket, behandelt.

Polen verdeutlichte dabei stellvertretend für die Staaten der Erklärung, ehrgeizigere Ziele der GAP mitzutragen. Es seien aber auch realistische und umsetzbare Lösungen ohne weiteren bürokratischen Aufwuchs nötig, um die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Landwirtschaft zu erhalten und der Situation der Unterzeichnerländer gerecht zu werden.

Lokale Schlacht- und Verarbeitungstätigkeiten

Der Rat befasste sich mit einer Note Frankreichs und weiterer Mitgliedstaaten. Darin wird die Kommission aufgefordert, einen Legislativvorschlag vorzulegen, um eine am 31.12.2020 auslaufende Ausnahme vom Anwendungsbereich der Hygiene-VO 853/2004 unbefristet fortzuführen, welche die direkte Abgabe „kleiner Mengen“ verarbeiteten Geflügel- oder Kaninchenfleischs an Endverbraucher oder Einzelhändler betrifft.

Der Wegfall bedrohe allein in Frankreich mehr als 3.000 kleine Erzeuger von verarbeitetem Geflügel- und Kaninchenfleisch in ihrer Existenz, da sie die dann erforderlichen Zulassungsanforderungen nicht bzw. nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllten könnten.

Die wortnehmenden Mitgliedstaaten unterstützten die französische Forderung, wobei auf die Nachhaltigkeit der betroffenen Betriebsformen und auf die damit verbundenen kurzen Lieferketten und traditionellen / kulturellen Werte verwiesen wurde.

Kommissarin Kyriakides sagte eine erneute Prüfung des Sachverhalts zu.

Aufschub der Anwendung des Tiergesundheitsrechts um ein Jahr

In einer Note forderte Rumänien zusammen mit weiteren Mitgliedstaaten die Kommission auf, einen Legislativvorschlag vorzulegen, um den Anwendungsbeginn (01.04.2021) des Tiergesundheitsrechts (VO 2016/429) um ein Jahr zu verschieben.

Rumänien gab an, dass das Tiergesundheitsrecht wichtige Regeln enthalte. Erforderliche delegierte Rechtsakte seien jedoch nicht gemäß Zeitplan angenommen worden, sondern befänden sich noch in der Verhandlungs- oder sogar Entwurfsphase. Innerhalb der Mitgliedstaaten bestehe umfangreicher Abstimmungsbedarf und COVID-19 habe die Situation zusätzlich erschwert. Die Bedeutung des Themas rechtfertige den geforderten Aufschub, auch mit Blick auf die Implikationen für den Handel mit Drittländern. Die wortnehmenden Mitgliedstaaten unterstützten die rumänische Forderung. Luxemburg regte an, grundsätzlich zukünftig keine Verordnung mehr zu verabschieden, die lediglich einen allgemeinen Rahmen vorgebe, der erst durch delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte ausgefüllt werden müsse.

Kommissarin Kyriakides sagte zu, den Sachverhalt nochmals zu prüfen.

Gemeinsame Erklärung über zusätzliche Maßnahmen im Rindfleischsektor

Spanien stellte im Namen der unterzeichnenden Mitgliedstaaten die gemeinsame Erklärung über die Notwendigkeit vor, infolge der COVID-19-Krise zusätzliche Maßnahmen im Rind- und Kalbfleischsektor zu ergreifen.

Spanien erläuterte die aktuelle Lage auf dem Rindfleischmarkt. Die Preise in der EU würden erneut fallen, in einzelnen MS um bis zu acht Prozentpunkte. Dies wiederum führe zu Ungewissheiten auf dem Lebendtiermarkt und bei der Mutterkuhhaltung. Besonders betroffen seien davon schwach strukturierte ländliche Gebiete. Eine ähnliche Situation habe es zu Beginn der COVID-19-Krise gegeben. Die im Mai 2020 von der Kommission ergriffenen Hilfsmaßnahmen hätten sich positiv ausgewirkt. Spanien forderte die Kommission im Namen der unterzeichnenden Mitgliedstaaten auf, erneut Maßnahmen für den Sektor zu ergreifen.

Kommissar Wojciechowski nahm die Bedenken der Mitgliedstaaten auf und stellte eine umfassendere Reaktion auf die Forderungen für die nächste Sitzung des Rates in Aussicht.

Bundesministerin Klöckner kündigte an, dass die Lage der Agrarmärkte auf die Tagesordnung des Rates im November gesetzt und somit Gelegenheit geboten werde, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.

Erschienen am im Format Aktuelles

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