Pelosol – Boden des Jahres 2022

Am 3. Dezember 2021, dem Weltbodentag, stellte das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als aktueller Schirmherr den Boden des Jahres 2022 vor. Gemeinsam mit dem jeweiligen Partnerland trifft ein Kuratorium für den Boden des Jahres die Auswahl.

Das Kuratorium ist ein Gremium der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG), des Bundesverbandes Boden (BVB) sowie des Ingenieurtechnischen Verbandes für Altlastenmanagement und Flächenrecycling (ITVA). Die Aktion wird durch das Umweltbundesamt unterstützt.

Für das Jahr 2022 wurde der Pelosol als Boden des Jahres bestimmt. Der Name leitet sich aus dem Griechischen (pelos = weicher Ton, Schlamm) und dem Lateinischen (solum = Boden) ab und bringt die hohen Tongehalte dieses Bodens zum Ausdruck. Ganz im Sinne der aktuellen Diskussion zum ⁠Klimawandel⁠ und seinen Folgen wurde ein Boden gekürt, der sowohl auf Nässe als auch auf Trockenheit besonders sensibel reagiert und der sich im Verlauf des Klimawandels verändern wird.

Wetterfühliger Boden aus Ton

Der Pelosol ist ein besonderer Boden in Mitteleuropa und auch weltweit. Nach der deutschen systematischen Bodengliederung werden Böden dann als Pelosol eingestuft, wenn innerhalb von 3 dm Bodentiefe ein Bodenbereich beginnt,

  • der einen Tongehalt von mindestens 45 Masse-% Ton aufweist,
  • in Abhängigkeit vom Wassergehalt eine ausgeprägte Quellungs- und Schrumpfungsdynamik besitzt,
  • ein Absonderungsgefüge aus Polyedern und Prismen entwickelt und
  • keine weiteren merkmalsprägenden Bodenentwicklungen bis 8 dm Bodentiefe besitzt.
Pelosol aus tonigem Material, links Bild, rechts Beschriftung der Schichten (Laubstreu; Oberboden; Pv-Horizont; aufgeweichtes Ausgangsmaterial) Pelosol aus tonigem Material
Pelosol aus tonigem Material der Unterjura-Epoche, Schwäbisches Schichtstufenland. © Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Abteilung 9 im Regierungspräsidium Freiburg

Dieser Bodenbereich wird nach der deutschen Bodengliederung Pv-Horizont genannt. Der Pelosol bildet Übergangsböden zu weniger entwickelten Böden wie Rankern, Pararendzinen oder auch Kolluvisolen und Auenböden. Im Verlauf der Bodenentwicklung oder auch durch Überlagerungen oder Einmischung von tonärmerem Bodenmaterial können Pelosole auch Übergangsböden zu Braunerden und Parabraunerden bilden. Der Einfluss von Stauwasser oder Grundwasser ab einer Bodentiefe von 4 dm führt zu Pseudogley- und Gley-Übergangsböden.

In der internationalen Klassifikation des World Reference Base for Soil Resources (WRB) gehören die Pelosole überwiegend zu den Vertic Cambisols und zu den Vertisols.

Bodenentwicklung im Wechsel von Nässe und Trockenheit

Die bodenbildenden Faktoren für Pelosole im mitteleuropäischen Klimaraum sind vor allem das Ausgangsgestein, das Klima und der Mensch durch seine Bodennutzung. Pelosole entstehen aus tonreichen Lockersedimenten und aus tonig verwitternden häufig mergeligen Festgesteinen. Neben einem hohen Tongehalt müssen reichlich mehrschichtige Tonminerale vorhanden sein, die quell- und schrumpffähig sind. Das tonreiche Ausgangsmaterial der Bodenbildung muss oberflächennah anstehen, um verwittern zu können.

In Mitteleuropa ist der größte Anteil der Bodenoberfläche mit eiszeitlichen tonärmeren Ablagerungen überdeckt. Erst wenn durch jahrhundertelange Ackernutzung diese Deckschichten erodiert sind, werden die typischen Pelosol-Prozesse der Quellung und Schrumpfung nahe der Bodenoberfläche wirksam. Häufig wurde das tonreiche Bodenmaterial ebenfalls umgelagert und unterliegt als Kolluvium oder toniges Auensediment heute einer erneuten Bodenbildung. In Mitteleuropa sind tonreiche Sedimente vor allem im Erdmittelalter (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper, Jura und Kreidezeit) und in der Tertiärzeit entstanden. Unabhängig vom Erdzeitalter verwittern einige vulkanische Gesteine zu tonreichem Bodenmaterial und entwickeln sich ebenfalls zu Pelosolen. 

Ein Klima mit regelmäßigem Wechsel zwischen Feucht- oder Nassphasen mit Trockenphasen fördert die Bildung von Pelosolen. Bei ganzjährig hohen Niederschlägen entwickeln sich aus tonigem Bodenmaterial Stauwasserböden. Trockene Sommer, wie sie im subkontinentalen Klimabereich typisch sind, steigern die Pelosol-Dynamik besonders. 

Die maßgeblichen bodenbildenden Prozesse sind:

  • Aufweichung des Ausgangsmaterials,
  • Entkalkung mergeliger Ausgangsgesteine,
  • Anlagerung und Einlagerung von Wasser um und in mehrschichtige Tonminerale,
  • Bildung von Absonderungsgefüge in Form von Polyedern und Prismen durch Quellungs- und Schrumpfungsprozesse,
  • Bildung glänzender Scherflächen zwischen den Bodenaggregaten (slickensides),
  • Bildung tiefreichender Trockenrissen und
  • in Naturräumen mit regelmäßig trockenen Sommern das Hineinrieseln von humosem Bodenmaterial des Oberbodens in Trockenrisse und intensive Einarbeitung in die Bodenmatrix (Selbstmulcheffekt, Humuspelosol, Smonitza)

Durch diese spezifischen bodenbildenden Prozesse entsteht der diagnostische Horizont des Bodentyps Pelosol, der Pv-Horizont. Der Pelosol ist noch wenig entwickelt und ein junger Boden. Neben der Bildung eines humosen Oberbodens ist lediglich die ursprüngliche Struktur des Gesteins durch ein Absonderungsgefüge mit Prismen und Polyedern ersetzt worden. Mit Ausnahme des Humuspelosols besitzt der Pelosol überwiegend noch die Farbe seines Ausgangsgesteins.

Zuhause im Süddeutschen Schichtstufenland

Karte zum Vorkommen von Pelosolen (farbige Flächen) in Deutschland Vorkommen von Pelosolen
Vorkommen von Pelosolen in Deutschland. © Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Der Pelosol kommt nur dort vor, wo tonreiche Ausgangsgesteine oberflächennah anstehen. Dies sind vor allem das Schwäbische und Fränkische Schichtstufenland, Bereiche des hessischen und südniedersächsischen Berglandes, des Thüringer Beckens sowie kleine Bereiche in Westfalen, Ostwestfalen, im westlichen Niedersachsen und am Oberrhein südlich von Mainz.

Großzügig und knauserig zugleich

Die Eigenschaften des Pelosols hängen eng von:

  • hohen Tongehalten,
  • quellfähigen Tonmineralen,
  • einem tiefreichenden Humusvorrat,
  • einer mittleren Niederschlagshöhe und ungleichmäßiger Niederschlagsverteilung,
  • höheren Stoffgehalten des Ausgangsgesteins sowie
  • der Bodennutzung ab.

Die Tongehalte in den diagnostischen Pv-Horizonten typischer Pelosole in Bayern und Baden-Württemberg liegen zwischen 45 und 70 Masse-%. Der hohe Tongehalt sowie die Quellfähigkeit der Tonminerale sind die wesentlichen Ursachen für die Porengrößenverteilung dieser Böden. Obwohl sie ein ausgeprägtes Absonderungsgefüge mit Polyedern und Prismen aufweisen, ist ihre Luftkapazität während der Feuchtphase mit durchschnittlich 6 Volumen-% gering.

Während der Nassphase sind nur noch die humosen Oberböden belüftet. Pelosole besitzen lediglich ein Speichervermögen für pflanzennutzbares Wasser von etwa 15 Volumen-%, aber ein Speichervermögen für fest gebundenes Wasser (Totwasser) von ca. 30 Volumen-%. Der Pelosol ist mit Wasser knauserig, er speichert zwar bis zu 350 Liter bis 1 Meter Bodentiefe, bindet aber 300 Liter Speicherwasser so fest, dass es von Pflanzen nicht genutzt werden kann und im Sommer weitgehend verdunstet. Dagegen können Löss und entkalkter/verwitterter Löss bis 1 m Bodentiefe über 300 Liter Wasser speichern, davon sind 150 bis über 200 Liter für Pflanzen nutzbar.

In gequollenem Zustand ist der Pelosol weitgehend wasserundurchlässig und bei Starkregen kommt es in Hanglagen zu Oberflächenabfluss, in Mulden zum Überstau. Sauerstoffmangel hemmt das Wurzelwachstum. In trockenen Sommern kann bei flachwurzelnden Nutzpflanzen Wasserstress auftreten.

Durch den hohen Tongehalt kann der Pelosol durchaus großzügig sein. Er kann viele Stoffe speichern und als Pflanzennährstoffe bereitstellen. Er besitzt eine hohe Grundwasserschutzfunktion. Er ist wetter- und auch klimasensibel und reagiert sofort auf Nässe und Trockenheit. Sollten die Sommer zukünftig trockener werden, reagiert der Pelosol mit Wassermangel und zunehmend tiefer reichenden Trockenrissen. Bei einer Zunahme von Starkregenereignissen steigt die Erosionsgefährdung in Hanglagen.  

Nach dem Ackerschätzungsrahmen wird der Pelosol überwiegend als Ton mit den Zustandsstufen 5 und 6 und mit Bodenzahlen zwischen 30 und 50 eingestuft. Im Grünlandschätzungsrahmen überwiegen die Bodenstufen II und III mit den Wasserverhältnisstufen 2 – 4 und Grünlandgrundzahlen zwischen 25 und 60.

Nutzung mit Sachverstand und Einfühlungsvermögen

Der hohe Tongehalt und die davon abhängige Quellungs- und Schrumpfungsdynamik erschweren eine ackerbauliche Nutzung des Pelosols. Eine waldbauliche Nutzung, Dauerkulturen wie Obstbau und Weinbau oder Dauergrünland entsprechen eher den Standorteigenschaften dieses Bodens. Im gequollenen Zustand ist er meist vernässt, Sauerstoffmangel tritt auf und er kann nicht bearbeitet werden.

Foto von Trockenrissen in einem Pelosol unter Grünland Trockenrisse in einem Pelosol
Trockenrisse in einem Pelosol unter Grünland; aufgrund der Trockenheit ist das Gras verdorrt und die Grasnarbe bereits geschädigt, Rieskrater bei Bettendorf, Bayern. © Reinhard Jochum, Landesamt für Umwelt, Bayern

Im Frühjahr erwärmt er sich nur langsam und gilt daher als ein kalter Boden, der dann nur eingeschränkt bearbeitbar und befahrbar ist. Im Spätsommer und Herbst ist der Pelosol häufig ausgetrocknet und tiefreichende Schwundrisse treten auf. Vor allem die Trennflächen zwischen den groben Bodenaggregaten sind bevorzugte Wurzelbahnen, die von Bäumen (Wald, Dauerkulturen) tiefreichend genutzt werden können.

In trockenem Zustand ist der Oberboden steinhart, wodurch die Bodenbearbeitung für eine ackerbauliche Nutzung weiter erschwert wird. Die Ackerkrume lässt sich dann nur mit hoher Zugkraft auflockern. Pflugschollen und Klumpen werden in Wintern, die ausreichende Frostperioden aufweisen, durch die sogenannte Forstgare weiter zerkleinert. Landwirte mit langjähriger Erfahrung nutzen die kurzen Phasen, in denen sich der Pelosol aufgrund eines passenden Feuchtigkeitsgehaltes gut bearbeiten und befahren lässt. Da dieses Zeitfenster im Herbst und im späten Frühjahr nur kurz ist, heißt der Pelosol auch Stunden- oder Minutenboden.

Ein sensibler Boden braucht besonderen Schutz

Die größte Gefährdung der Pelosole geht von einer unangepassten Bodennutzung aus. Bodenschadverdichtungen und die Zerstörung der ursprünglich stabilen Bodenstruktur durch eine Bodenbearbeitung zum falschen Zeitpunkt und mit nicht sachgemäßer Bearbeitungstechnik fördern die Erosionsneigung von Pelosolen in Hanglagen. Deshalb ist es besonders auf diesen Standorten wichtig, eine tiefenangepasste Bodenbearbeitung mit den jeweils richtigen Werkzeugen zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, um Strukturschäden zu vermeiden und zu beheben.

Neben der Bodenbearbeitung müssen zum Beispiel Achslast und Reifeninnendruck sowie die Befahrbarkeitstage auf die hohe Sensibilität des Pelosol angepasst werden. Nur so lassen sich Bodenschadverdichtungen auf diesem sensiblen Boden vermeiden und trotz des höheren Schädigungspotentials eine großflächige ackerbauliche Nutzung realisieren. Darüber hinaus brauchen Pelosole unter Ackernutzung eine regelmäßige Kalkung und eine humuserhaltende bzw. -mehrende Bewirtschaftung. Dann bleibt die Bodenstruktur stabil und belastbar; der Oberboden wird krümelig und feinpolyedrisch, trocknet schneller ab und bietet ein gutes Saatbett. 

Der hohe Flächenverbrauch in Mitteleuropa gefährdet den Pelosol ebenso wie die meisten anderen Böden. Der beste Schutz für diesen tonreichen Boden ist eine standortgemäße Nutzung als Wald, Dauergrünland, Rebland oder als Dauerkultur im Obstbau.

Portraitfoto
Gerhard Milbert, Sprecher des Kuratoriums © Gerhard Milbert

Weitere Informationen und Downloads (Poster, Flyer, Fachvorträge) finden Sie auf der Webseite: www.boden-des-jahres.de.

Ein Beitrag von Dr. Gerhard Milbert, Sprecher Kuratorium Boden des Jahres

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