Demonstrationsvorhaben „Indikatoren zur Früherkennung von Nitratfrachten im Ackerbau“

Bodenfruchtbarkeit bezeichnet das Potential eines Bodens, landwirtschaftlichen Kulturen optimale Wuchsbedingungen zu bieten und so nachhaltige und gleichbleibende Erträge von hoher Qualität zu erzielen. In der modernen Landwirtschaft steht neben dem Erhalt der physikalischen und biologischen Bodeneigenschaften vor allem der Erhalt der chemischen Bodeneigenschaften und dort besonders die Fähigkeit des Bodens, essentielle Pflanzennährstoffe in ausreichenden Mengen und Anteilen für das Pflanzenwachstum bereitzustellen, im Vordergrund.

Ein Trecker verteilt Gülle auf einem Feld Streifenförmige Aufbringung von Gülle und sofortige Einarbeitung
Streifenförmige Aufbringung von Gülle und sofortige Einarbeitung © Stefan Dose, INGUS Hannover

In der Landwirtschaft ist es gängige Praxis, durch den Einsatz mineralischer und organischer Stickstoffdünger den durch das Pflanzenwachstum und die Ernte verursachten Entzug dieses Makronährstoffs im Boden auszugleichen. Wird der ausgebrachte Stickstoff nicht vollständig durch die Pflanzen aufgenommen, kann er als Nitrat über das Sickerwasser in Grund- und Oberflächengewässer gelangen und deren chemischen Zustand beeinflussen. Für das Grundwasser gilt laut EU-Nitratrichtlinie (91/676/EWG) ein Grenzwert von 50 mg Nitrat pro Liter.

Wie kontrolliert man den Erfolg von Maßnahmen zur Verringerung von Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen?

Nach Artikel 5 der Nitratrichtlinie dient der Nitratgehalt im Grundwasser als Maß für die Bewertung der Wirksamkeit der Aktionsprogramme der EU-Mitgliedsstaaten. Die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen wird sowohl anhand der Höhe (Grenzwert) als auch des zeitlichen Verlaufs der Nitratgehalte (Trend) beurteilt.

Mit diesem Vorgehen wird ein direkter Bezug zwischen dem Stickstoff-Eintrag in den Boden durch landwirtschaftliche Nutzung und den Nitratwerten im Grundwasser vorausgesetzt. Dieser Zusammenhang ist unbestritten, jedoch in seiner zeitlichen Wirksamkeit und Abbildung stark variabel. Die Nitratrichtlinie selbst weist daher darauf hin, dass es Jahre dauern kann, bis Schutzmaßnahmen zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen.

Bewirtschaftungsveränderungen schneller abbilden – Frühindikatoren als neuer Ansatz

Ziel des Demonstrationsvorhabens ist es, einen neuen Ansatz in Form eines Frühindikatorsystems zu entwickeln, welcher auf Messwerten basierend, zeitnah die Änderungen in der landwirtschaftlichen Praxis (= bewirtschaftungsbedingte Effekte) auf die Nitratfrachten im Ackerbau abbildet (Abb. 1).

Schematische Darstellung des Frühindikatorsystems Schema: Frühindikatoren als neuer Ansatz zur Erkennung von Nitratfrachten im Ackerbau
Abbildung 1: Frühindikatoren als neuer Ansatz zur Erkennung von Nitratfrachten im Ackerbau © Dr. Oliver Stock, JKI Braunschweig

Das Frühindikatorsystem umfasst aktuell

  1. die Ermittlung von potentiellen Nitratfrachten auf Basis von Nmin-Messwerten (stofflich-analytische Frühindikatoren),
  2. eine realitätsnahe Abschätzung von potentiellen Stickstoffüberschüssen auf Basis von Stickstoffbilanzen (rechnerisch-kalkulatorische Frühindikatoren) sowie
  3. die Verknüpfung beider Methoden, um jahresgenaue Aussagen zu Mengen und Konzentrationen (kg/ha und mg/l) sowie die Darstellung von Trends und Entwicklungen auf verschiedenen Zeit- und Raumskalen möglich zu machen.

Das im Demonstrationsvorhaben zu entwickelnde Frühindikatorensystem soll eine jahresgenaue Abschätzung der Höhe von Nitratfrachten und deren zeitliche Veränderung für die im Nitratbericht betrachteten 4-Jahreszeiträume ermöglichen.

Was wird untersucht?

Seit 2017 werden im Messprogramm

  • Ernte-, Herbst-, Frühjahrs-Nmin sowie Nmin-Tiefbohrungen (teilweise auch Drainagemessungen) und
  • Stickstoffzufuhr und -abfuhr, Erntemengen, Düngemengen und -zeitpunkte und die Bodenbearbeitung durch die Landwirte sowie die Fruchtfolgen

in 48 Demonstrationsbetrieben auf 576 Testschlägen in Testgebieten in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erfasst.

Auf Basis der Nmin-Messwerte und der Sickerwasserrate erfolgt die Berechnung der Nitratkonzentration im Sickerwasser. Im Weiteren sollen die Modellierung der Sickerwasserrate mittels eines standortangepassten Bodenhaushaltsmodells und die Modellierung der Nitratkonzentration im Sickerwasser unter Berücksichtigung von Bodenart, Verweilzeit, Abbauprozesse, etc. durchgeführt werden. Auf Basis der Betriebsdaten der Betriebe werden periodenechte Hoftor-, Schlag- und Frucht-Bilanzen ermittelt.

Die prognostizierte Nitratkonzentration im Sickerwasser kann die Wirksamkeit von Maßnahmen in Bezug auf bewirtschaftungsbedingte Änderungen in den Demonstrationsbetrieben kurzfristig abbilden, da hier ein direkter Bezug zur Quelle des ins Grundwasser verlagerten Nitrats, nämlich der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, besteht. Überlagerungen der Messwerte durch boden- und witterungsbedingte Einflüsse auf den Testschlägen werden, soweit es methodisch möglich ist, durch die kleinparzellige Probenahme in weitestgehend homogenen Bodenbereichen der Testflächen (Nmin-Probenahmeparzellen) minimiert. Erwartet wird auch eine Erkennbarkeit und Bewertbarkeit von gebietsspezifischen Jahres- und Jahreszeiteffekten auf die Messwerte durch die Erhebung 14-tägiger Nmin-Zeitreihen über die Vegetationsperiode auf ausgewählten Standorten in allen Testgebieten.

Nitratmonitoring – ein bundesweiter Ausblick

Aus Sicht der Wissenschaftler im Demonstrationsvorhaben ist ein entscheidender Punkt bei der Vorgehensweise die Einbindung eines in der Methodik der Bodenprobenahme, der Datenerhebung auf landwirtschaftlichen Betrieben und der Datenqualitätsprüfung erfahrenen und ausgewiesenen Dienstleisters. Die Bereitstellung von Pflichtenheften, die für alle Projektbeteiligten eine einheitliche methodische Vorgehensweise bei allen Arbeitsschritten verbindlich vorschreiben, garantiert vergleichbare Datensätze in diesem Vorhaben.

Portraitfoto Dr. Oliver Stock
Dr. Oliver Stock © Dr. Oliver Stock

Diese harmonisierte Vorgehensweise wird in Deutschland erstmalig länderübergreifend angewandt, wodurch Skalen- und Methodensprünge, wie sie in anderen Vorhaben oft erkennbar sind, in diesem Demonstrationsvorhaben weitestgehend vermieden werden. Weiterhin ist entscheidend, dass in diesem Arbeitsansatz von der niedrigsten Ebene (Probenahmeparzelle) nach oben hin (Schlag-, Betriebs-, Kreis- und Grundwasserkörperebene) aggregiert und nicht von einer hohen (Kreis) auf eine niedrige Ebene (Schlag) disaggregiert wird.

Das Indikatorsystem soll sowohl für ein bundesweit harmonisiertes Nitratmonitoring geeignet als auch zur Berichterstattung gegenüber der EU nach Nitratrichtlinie Artikel 5 Absatz 6 verwendbar sein.

Ein Beitrag von Dr. Oliver Stock, Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde.

Erschienen am im Format Artikel

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