Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln" beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Stellungnahme zur Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, vom 2. Februar 2001.

Die über Haushalts- und sonstige Abwässer in Klärschlämme eingetragenen Stoffe sind so vielfältig, dass eine umfassende Erfassung und Bewertung grundsätzlich schwierig ist. Beispielhaft sollen genannt werden Xenoöstrogene, Chlorparaffine, Arzneimittel. Die Carry over-Arbeitsgruppe stellt daher fest, dass die in der Stellungnahme vom 30. September 1989 von der Arbeitsgruppe genannten Bedenken gegen die Ausbringung von Klärschlamm auf Flächen, die der Lebens- oder Futtermittelerzeugung dienen, bezüglich der Gehalte an identifizierten und in ihren möglichen Schadwirkungen bekannten aber auch möglichen derzeit noch unbekannten Schadstoffen im Klärschlamm nach wie vor Gültigkeit haben. Gleichwohl erkennt sie an, dass die Gehalte der bekannten im Klärschlamm vorhandenen Schadstoffe zwischenzeitlich in vielen Fällen deutlich verringert wurden.

Die Heterogenität des Klärschlammes einerseits und die stetigen Bemühungen zur Verbesserung der Lebens- und Futtermittelsicherheit zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt haben bereits mehrfach eine Nachbesserung (Einschränkungen der Ausbringung, Höchstgehalte für einige Schadstoffe) der gesetzlichen Regelungen über die Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzte Flächen erforderlich gemacht. Die zur Zeit in der EU diskutierten Vorschläge verfolgen die gleiche Zielsetzung. Auch hierin sieht die Arbeitsgruppe eine grundsätzliche Bestätigung ihrer Bedenken.

Die Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschte Stoffe" stellt fest, dass die prinzipielle Forderung der Verstopfung von Schadstoffquellen grundsätzlich Vorrang haben sollte vor dem im Kreislaufwirtschaftsgesetz oder im Abfallrecht verankerten Verwertungsgebot von Abfällen aller Art, nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Umwelt- und Gesundheitsvorsorge. Dies muss für Klärschlamm ebenso wie für andere Reststoffe aus der Abfallwirtschaft gelten. Auch wenn sich aus wissenschaftlich begründeten Risikoabwägungen für einige bekannte Schadstoffe in Bezug auf heute geltende oder diskutierte Zielvorgaben eine Ausbringung der Klärschlämme auf die Flächen eventuell herleiten läßt, muß die die Lebensmittelsicherheit die herausragendere Rolle spielen.

Nach Auffassung der Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschte Stoffe" ist Klärschlamm grundsätzlich als Schadstoffsenke zu betrachten. Die mit dem Klärschlamm transportierten Schadstofffrachten sollten deshalb ausgeschleust und nicht auf Flächen, die der Lebens- und Futtermittelerzeugung dienen, ausgebracht und damit im Kreislauf belassen werden. Bei gegebenenfalls zu erwartenden und nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht unrealistischen niedrigen Grenzwerten für Xenobiotika in Lebensmitteln liefernden Ökosystemen ist eine diffuse Deposition persistenter Chemikalien dieser Art eine schlechte Ausgangsbasis für den von der Gesellschaft geforderten hohen Standard der Lebens- und Futtermittelsicherheit.

Die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre hat gezeigt, dass man zwar durch Höchstwerte für die bekannten Schadstoffe für die Schadstoffeinträge über verschiedene Medien in die Böden ein Gleichgewicht zwischen Eintrag und Austrag oder Schadstofffestlegung, -metabolisierung und -mobilisierung auf möglichst niedrigem Niveau erreichen kann, um eine langfristige Kumulation im Boden zu vermeiden, dass aber immer wieder neue Schadstoffe entdeckt werden, deren Verhalten in Nahrungsketten und deren Toxizität nicht oder nur unzureichend bekannt sind.

Die Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschte Stoffe" des BMVEL empfiehlt deshalb, die Ausbringung der Klärschlämme auf landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht mehr zuzulassen.

Die Arbeitsgruppe weist außerdem darauf hin, dass auch andere Sekundärrohstoffe ebenfalls Schadstoffsenken darstellen können, für die dann die gleichen Gesundheits- und Umweltbedenken wie für die Klärschlämme gelten.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Grenzwerte wiederholt aus Gründen des Umweltschutzes und/oder des vorbeugenden Gesundheitsschutzes verschärft worden sind.

Die Arbeitsgruppe betont, dass insbesondere auch absehbare rechtliche Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie die Einführung des Prinzips "vom Feld/Stall auf den Tisch" in Verbindung mit dem Vorsorgeprinzip und der Einbeziehung der Primärproduktion in die Produkthaftung größere Vorsicht erfordern. Dies bedeutet für die Landwirtschaft, dass nicht kalkulierbare Risiken konsequent vermieden werden sollten.

Dr. Hermann Hecht
    Vorsitzender

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