Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln" beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Stellungnahme zum Carry over von unerwünschten Stoffen aus Materialien und Gegenständen, die mit Futtermitteln in Berührung kommen (Juni 2011).

Im Hinblick auf die Regelungen der Futtermittelhygieneverordnung (Verordnung (EG) Nr. 183/2005) sind Futtermittelunternehmen verpflichtet, Risiken durch Kontaminationen von Futtermitteln zu vermeiden. Während der Ernte, Lagerung, Aufbereitung und Herstellung sowie des Transportes und der Verfütterung haben Futtermittel vielfältigen Kontakt mit Materialien und Gegenständen aus denen Stoffe in das Futtermittel übergehen können, die dann zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit von Tier und Mensch führen können.

Während in den letzten Jahren für Lebensmittel eine Reihe von Daten zur Migration aus Materialien und Gegenständen zum Beispiel für verschiedene Phtalate, Mineralöle, anorganische Elemente etc. erarbeitet wurden, liegen für Futtermittel nur spärliche Informationen vor.

Spezielle Vorschriften für Kontaktmaterialien oder Bedarfsgegenstände wie sie für Lebensmittel in § 31 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und in der Bedarfsgegenständeverordnung geregelt sind, gibt es derzeit für Futtermittel nicht. Daher sind bei der Beurteilung von Futtermittelkontaminationen aus Materialien und Gegenständen die allgemeinen Regelungen über sichere Futtermittel in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sowie die speziellen Regelungen über unerwünschte Stoffe in der Futtermittelverordnung und die Regelungen über Futtermittelhygiene in der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 heranzuziehen.

Während des Kontakts mit Materialien und Gegenständen können unerwünschte Stoffe auf unterschiedliche Weise in das Futtermittel gelangen. Dabei kann zwischen Prozessabschnitten und Kontaminationsweg unterschieden werden.

Wichtige Kontaminationswege können insbesondere Korrosion und Abrieb, Migrationsprozesse sowie Verunreinigungen durch Stäube, gasförmige Immissionen etc. sein.

1. Kontamination durch Korrosion und Abrieb

  • Futtermittel werden während ihrer Gewinnung und Aufarbeitung sehr intensiv mechanisch bearbeitet (z.B. Zerkleinerung, Fraktionierung, Kompaktierung). Hierbei kann es durch die Materialbeanspruchung zum Abrieb von Metallen bzw. Metallverbindungen oder auch von Farben und anderen Oberflächenbeschichtungen kommen.
  • Über den tatsächlichen Eintrag in Futtermittel können nur grobe Abschätzungen vorgenommen werden, wenn man den Materialfluss und die Abnutzung z.B. von Schlegeln in der Hammermühle, den Ersatz von Metallsieben oder Pelletmatrizen miteinander in Beziehung setzt und die Zusammensetzung der jeweiligen Materialien (Legierungen) in Betracht zieht.
  • Bedingt durch die unterschiedliche stoffliche Zusammensetzung (Säuren, Laugen) von Futtermitteln kann es an den Kontaktstellen z.B. durch elektrochemische oder metallphysikalische Prozesse zu Übergängen beispielsweise von Metallen in das Futtermittel kommen. Dies kann sowohl bei der Herstellung von Futtermitteln auch bei der Zuführung durch Fütterungseinrichtungen wie Leitungen, Trögen etc. auftreten. Von Bedeutung kann hier der Zusatz von Laugen oder Säuren während der Futtermittelherstellung, die Zugabe beim Fütterungsablauf oder die Bildung solcher Substanzen bei Fermentationsprozessen sein.

2. Migration von Stoffen

  • Futtermittelrohstoffe und Futtermittel werden in unterschiedlichsten Verpackungen oder Behältnissen gelagert bzw. transportiert. Hierbei können Stoffe aus dem Material (Papier, Kunststoffe, Textilien, Holz) in die Futtermittel migrieren. Eine zusätzliche Kontaminationsquelle können aber auch Druckfarben, mit denen die Verpackungen beschriftet sind, oder Antirutschmaterialien, mit denen Säcke besprüht werden, sein. Insbesondere aus dem Lebensmittelbereich liegen Erfahrungen über die Migration von Stoffen z.B. bei der Verwendung von Recyclingpapieren (Terphenyle, Diisopropylnaphtalen, Trimethyldiphenylmethan, Benzophenon) vor. Weitere Stoffe, für die erste Ergebnisse im Lebensmittelbereich vorliegen, sind Mineralöle und Melamin.
  • Für Heimtiere sind auch Feucht- und Halbfeuchtfutter im Handel, bei denen andere Verpackungsmaterialien verwendet werden als bei Futtermitteln für landwirtschaftliche Nutztiere (z.B. spezielle Folien, beschichtete Aluminiumverpackungen, Dosen).
  • Eine besondere Bedeutung kann auch verschiedenen Lösungsmitteln und Weichmachern z.B. in Silofolien oder -beschichtungen oder in Dichtungsmassen zukommen, die in Futtermittel migrieren können. In der Vergangenheit konnten einige Kontaminationsfälle auf ungeeignete Anstriche oder Oberflächenbehandlungen von Lagerräumen, Silos und Transporteinrichtungen zurückgeführt werden
  • Ein spezieller Kontaminationsweg auf den die Arbeitsgruppe bereits in ihrer Stellungnahme vom August 2009 hingewiesen hat, sind Schmierstoffe, die Futtermittel bei der Herstellung kontaminieren können.
  • Weitere Kontaminationsmöglichkeiten mit unerwünschten Stoffen bieten ungeeignete Fütterungseinrichtungen wie aufgeschnittene Autoreifen oder ungeeignete Plastikbehälter als Futtertröge, die häufig in Kleinbetrieben und Hobbytierhaltung zu finden sind.

3. Kontamination durch Stäube, Aerosolen und andere Eintragspfade

  • Hierbei handelt es sich zum Teil um Einträge, die nicht aus dem unmittelbaren Kontakt mit Materialien herrühren, die aber in die vorliegende Zusammenstellung mit einbezogen werden sollen, da es sich um Kontaminationspfade handelt, die außerhalb des direkten Weges Boden-Pflanzen-Tier liegen.
  • Eine bedeutsame Kontaminationsquelle können Verschleppungen oder Kreuzkontaminationen sein, wenn verschiedene Materialströme teilweise über identische Transportmittel (Silozug, Rohrleitung) geleitet werden und die üblichen Reinigungsmaßnahmen oder Vorfrachtenregelungen nicht ausreichen, um eine Kontamination mit an Oberflächen absorbierten Substanzen völlig auszuschließen. Hier ist auch auf Reste von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln zu verweisen.
  • Bei Entlade- und Umlagerungsprozessen von Schüttgütern kann es insbesondere durch Staubverfrachtungen zu Kontaminationen kommen.
  • Havarien wie Treibstoff- (Diesel-) einleitungen in Futtermittel oder Kontaminationen mit Mineralöl aus Motoren, Maschinenlagern etc. können ebenfalls zu Kontaminationen von Futtermitteln führen.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, den verschiedenen Kontaminationswegen im Rahmen der HACCP-Konzepte bzw. der Leitlinien für die gute Herstellungspraxis besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Da es bisher für diese Kontaminationspfade bei Futtermitteln kaum systematische Untersuchungen und Daten gibt, sollte durch entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen das Risikopotential analysiert und bewertet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch die Entwicklung normierter Testmethoden und analytischer Verfahren vorangetrieben werden.

Die Arbeitsgruppe weist außerdem darauf hin, dass es weitere Kontaminationspfade geben kann, die nicht über den Vektor Futter stattfinden, sondern durch den direkten Kontakt des Tieres beispielsweise mit Stalleinrichtungen, Beschäftigungsmaterial oder Einstreu. Der Kontamination über Einstreumaterialien sollte besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da in diesem Bereich alternative Materialien (z.B. Gärreste aus Biogasanlagen, mineralische Substanzen) als Ersatz für die traditionelle Einstreu mit Stroh oder Sägespänen verwendet werden.

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