Arbeitsgruppe "Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln" beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Stellungnahme zu Polybromierten Diphenylethern (PBDE) in Futtermitteln (Stand: April 2010)

Polybromierte Diphenylether (PBDE) sind organische Verbindungen, die als Flammschutzmittel in einer Vielzahl von Produkten des täglichen Gebrauchs (z.B. in Kunststoffgehäusen von elektronischen Geräten oder in Textilien) eingesetzt werden. In der Industrie wurden in der Vergangenheit drei verschiedene technische PBDE-Gemische verwendet, die sich hinsichtlich ihres Bromierungsgrades unterschieden. Das Penta-Produkt bestand im Wesentlichen aus BDE 47, 99, 100, 153 und 154, das Octa-Produkt aus verschiedenen hexa- bis nonabromierten Einzelverbindungen (Kongeneren) und das Deka-Produkt nahezu ausschließlich aus Dekabromdiphenylether (BDE 209). Gemäß der Richtlinie 2003/11/EG sind in Europa die Verwendung und der Handel mit dem Penta- und Octa-Gemisch wie auch mit Produkten, die diese Stoffe enthalten, verboten. Somit wird zurzeit ausschließlich das Deka-Produkt verwendet.
PBDE können durch Verwendung von Düngemitteln in der Landwirtschaft oder über Deposition aus der Luft in Futtermittel gelangen.

Für die Untersuchung von PBDE in Futter- und Lebensmitteln empfiehlt die European Food Safety Authority (EFSA) die Erfassung der acht Kongenere BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154, 183 und 209 (EFSA, 2006). Bislang gibt es jedoch noch erhebliche analytische Schwierigkeiten bei der Erfassung von BDE 209, da das Deka-Kongener insbesondere bei hohen Temperaturen instabil ist.

Aufgrund des unzureichenden toxikologischen Datenmaterials konnte das Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives bislang keinen Provisional tolerable weekly intake (PTWI) für PBDE ableiten (JECFA, 2006). Im Hinblick auf eine bessere Bewertung sind deshalb weitere toxikologische Untersuchungen unerlässlich.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind nur sehr wenige Daten zu PBDE in Futtermitteln vorhanden. Am Max Rubner-Institut (MRI) in Kulmbach durchgeführte Untersuchungen (Gensler et al.2009) von stichprobenartig ausgewählten Proben aus einem repräsentativen Probenkollektiv ergaben Summengehalte der sieben Kongenere BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154 und 183 im Bereich von 0,03 bis 0,7 (Median: 0,2) µg/kg Trockenmasse (N=24). Die PBDE-Gehalte in vom Tier stammenden Lebensmitteln lagen für Fisch (N=24) im Bereich von 0,1 bis 10 (Median: 0,8) µg/kg Frischmasse und für Fleisch (N=30), Milchprodukte (N=25) und Eier (N=24) im Bereich von 0,05 bis 1 (Median: 0,3) µg/kg Fett. Darüber hinaus weisen einige Untersuchungen darauf hin, dass neben der Nahrungsaufnahme auch Hausstaub (Inhalation/Aufnahme oder Hautkontakt) eine bedeutende PBDE-Aufnahmequelle des Menschen darstellen kann.

Untersuchungen an Frauenmilch in Deutschland (Vieth et al., 2005) weisen darauf hin, dass nicht nur Lebensmittel tierischer Herkunft als Aufnahmequelle in Frage kommen.

Zum Carry-over-Verhalten von PBDE wurden bislang nur sehr wenige Untersuchungen durchgeführt. Bei Legehennen ergaben sich nur geringe Carry-over-Faktoren in Eiern (Pirard und De Pauw, 2007). Untersuchungen von PBDE in der maritimen Nahrungskette weisen auf eine nur sehr geringe Anreicherung der PBDE hin (Kelly et al., 2008). Demnach scheinen sich PBDE weniger stark im Fettgewebe anzureichern als Dioxine und PCB.

Aufgrund der unzureichenden Datenbasis empfiehlt die Arbeitsgruppe, gezielte Fütterungsversuche zum Übergang von PBDE aus Futtermitteln in vom Tier stammende Lebensmittel durchzuführen, um verlässlichere Aussagen zum Transfer dieser unerwünschten Stoffe zu erhalten.

Literatur:

  • EFSA (2006): Advice of the Scientific Panel on contaminants in the food chain of a request from the commission related to relevant chemical compounds in the group of brominated flame retardants for monitoring in feed and food. The EFSA Journal 328, 1-4.
  • Gensler, M., Schwind, K.-H., Jira, W. (2009): Polybromierte Diphenylether (PBDE) in tierischen Lebensmitteln. Fleischwirtschaft 5, 105-110.
  • JECFA (2006) Evaluation of certain food contaminants (Sixty-Fourth report of the Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives). WHO Technical Report Series 930.
  • Kelly, B.C., Ikonomou, M.G., Blair, J.D., Gobas, F.A. (2008): Bioaccumulation behaviour of polybrominated diphenyl ethers (PBDEs) in a Canadian Arctic marine food web. Science of the Total Environment 401, 60-72.
  • Pirard, C., De Pauw, E. (2007): Absorption, disposition and excretion of polybrominated diphenyl ethers (PBDEs) in chicken. Chemosphere 66, 320-325.
  • Umweltbundesamt (2008): Fact Sheet Polybromierte Diphenylether (PBDE).
  • Vieth, B. Rüdiger, T., Ostermann, B., Mielke, H. (2005): Rückstände von Flammschutzmitteln in Frauenmilch aus Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von polybromierten Diphenylethern (PDBE), Abschlussbericht vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Berlin, Mai 2005.

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