Wie funktioniert das Konzept zur Antibiotikaminimierung in der Nutztierhaltung?

Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes ist im Jahr 2014 ein "Benchmarking-System" als Instrument zur Antibiotikaminimierung in der Nutztierhaltung etabliert worden. Dieses sog. Antibiotikaminimierungskonzept ist mit dem Gesetz über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (Tierarzneimittelgesetz - TAMG) im Jahr 2021 fortgeführt sowie durch Änderungsgesetz vom 21. Dezember 2022 auf weitere Nutzungsarten ausgeweitet worden. Kerngedanke ist der Vergleich der individuellen Therapiehäufigkeit eines Betriebes mit Kennzahlen zur bundesweiten Therapiehäufigkeit. Der Vergleich erfolgt getrennt nach Nutztierarten und Altersklassen.

Was ist der Grundgedanke des Instruments zur Antibiotikaminimierung?

Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter müssen ihre betriebsindividuellen Therapiehäufigkeiten mit den bundesweiten Kennzahlen vergleichen: Wenn die Therapiehäufigkeit eines Betriebes die Kennzahl 1 oder die Kennzahl 2 überschreitet, muss die Tierhalterin oder der Tierhalter seine Tierärztin oder seinen Tierarzt konsultieren, um die Ursachen festzustellen. Aus der Ursachenanalyse können sich Maßnahmen ergeben, die die Tierhalterin oder der Tierhalter ergreifen muss, um den Einsatz antibiotisch wirksamer Arzneimittel in seinem Betrieb zu reduzieren.

Durch die Verringerung der betriebsindividuellen Therapiehäufigkeiten sinken die daraus berechneten bundesweiten Kennzahlen. Das heißt: Es handelt sich um ein dynamisches System zur Antibiotikaminimierung. Ziel ist, den Einsatz der Wirkstoffe deutschlandweit kontinuierlich auf das therapeutisch notwendige Minimum zu senken und so die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu verringern.

Die bundesweiten Kennzahlen werden seit 1. Januar 2023 einmal jährlich bis zum 15. Februar vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) berechnet und auf der Homepage des BVL veröffentlicht.

Welche Betriebe müssen Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit melden? An wen müssen sie melden?

Betriebe ab einer bestimmten Größe, die Rinder, Schweine, Hühner und Puten halten, müssen den zuständigen Überwachungsbehörden in den Bundesländern Daten über ihre Tierzahlen übermitteln (Details zur Betriebsgröße finden Sie hier).

Betriebe, die Milchkühe, Zuchtsauen und Saugferkel, Junghennen und Legehennen und Kälber, die nicht im Haltungsbetrieb geboren sind, halten, unterliegen seit 1. Januar 2023 ebenfalls der Meldepflicht. Die behandelnden Tierärztinnen und Tierärzte sind seit 1. Januar 2023 verpflichtet, den Einsatz von antibiotisch wirksamen Arzneimitteln bei diesen Tieren zu melden.

Wie lässt sich erkennen, ob die Therapiehäufigkeit deutschlandweit abnimmt?

Vereinfacht gesagt gilt: Werden weniger Antibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt, werden die betriebsindividuellen Therapiehäufigkeiten und dadurch auch die bundesweiten Kennzahlen im Verlauf der Zeit kleiner. Voraussetzungen für die Aussagekraft der Kennzahlen sind ein angemessen langer Erfassungszeitraum und eine zuverlässige Melderoutine der Betriebe und Tierärztinnen und Tierärzte.

Seit Juli 2014 melden die Betriebe ihre Daten, aus denen bis zum Jahr 2022 zwei Mal jährlich die Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit ermittelt werden. Seit 1. Januar 2023 wird die Kennzahl zur Therapiehäufigkeit nur noch einmal jährlich durch das BVL ermittelt. Bislang gibt es sechzehn Erfassungsperioden. Mit Blick auf die bisherige Entwicklung der Kennzahlen lässt sich festhalten, dass der Antibiotikaeinsatz bei allen Tierarten in diesem Zeitraum gesunken ist.

Details zur Entwicklung der Kennzahlen finden Sie hier.

Wie wird die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit berechnet?

Die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit berechnet sich folgendermaßen:

= (Anzahl behandelter Tiere x Anzahl Behandlungstage) / durchschnittliche Anzahl gehaltener Tiere pro Halbjahr

Die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit berücksichtigt somit die folgenden Punkte:

  • Je weniger behandelte Tiere und / oder Behandlungstage, desto kleiner die Kennzahl bei gleichbleibender Gesamttierzahl.
  • Die Anzahl der behandelten Tiere und der Behandlungstage steht im Verhältnis zur Gesamttierzahl.

Weitere Informationen dazu sind auf der Homepage des BVL veröffentlicht.

Was ist die Kennzahl 1, die für jede Masttierart veröffentlicht wird?

Kennzahl 1 ist der Median – also der Wert unter dem 50 Prozent aller erfassten Therapiehäufigkeiten liegen.

Liegt die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit zwischen dem Median und dem dritten Quartil, muss die Tierhalterin oder der Tierhalter mit der behandelnden Tierärztin oder dem behandelnden Tierarzt die Ursachen für die erhöhte Antibiotika-Anwendung ermitteln und Reduzierungsmaßnahmen ergreifen.

Was ist die Kennzahl 2, die für jede Nutzungsart veröffentlicht wird?

Kennzahl 2 ist das dritte Quartil – also der Wert, unter dem 75 Prozent aller erfassten Therapiehäufigkeiten liegen.

Die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit wird für jedes Halbjahr ermittelt. Liegt die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit über der Kennzahl 2 (das dritte Quartil), muss die Tierhalterin oder der Tierhalter spätestens bis zum 1. Oktober (im Fall, dass die betriebliche Therapiehäufigkeit des ersten Halbjahres die Kennzahl 2 überschritten hat) oder spätestens bis zum 1. April des Folgejahres (wenn im zweiten Halbjahr die Kennzahl 2 überschritten wurde) der zuständigen Überwachungsbehörde einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Reduzierung vorlegen und die Maßnahmen umsetzen. Die Behörde prüft den Maßnahmenplan und muss künftig Anordnungen treffen.

Was leisten die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit nicht?

Anhand der Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit ist keine Aussage über die durchschnittliche Anzahl der Behandlungstage pro Tier und Halbjahr möglich. Zudem erlauben sie keinen Vergleich der Anwendungshäufigkeit zwischen den einzelnen Tier- und Nutzungsarten.

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