Lagebild zur Antibiotikaresistenz im Bereich Tierhaltung und Lebensmittelkette 2024

Erstellt von der Arbeitsgruppe Antibiotikaresistenz des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)

Das „Lagebild 2024“ bildet Erkenntnisse aus den in den verschiedenen Aktivitäten gesammelten verfügbaren Daten der Jahre 2021 und 2022 zu Antibiotikaabgabe, -einsatz und -resistenzen im Bereich Tierhaltung und Lebensmittelkette ab. Es zeigt damit die wesentlichen Entwicklungen seit Veröffentlichung des vorherigen Lagebilds im Jahr 2021 auf, das die Erkenntnisse der Jahre 2017 bis 2020 zusammengeführt hat.

Seit dem Jahr 2011 werden in Deutschland die Abgabemengen für antimikrobielle Wirkstoffe an Tierärztinnen und Tierärzte von den pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern auf der Basis des Arzneimittelgesetzes (AMG) erfasst. Mit der Einführung des Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) im Jahr 2022, sind die wesentlichen nationalen Vorschriften zur Antibiotika-Abgabemengenerfassung in das TAMG überführt worden. Die Einführung des TAMG diente in erster Linie der nationalen Umsetzung der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6, die zeitgleich in Kraft trat. In das TAMG wurden darüber hinaus auch die gesamten anderen fortbestehenden tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften aus dem AMG überführt.

Im Jahr 2014 hat die Bundesregierung mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes ein Antibiotikaminimierungskonzept in der Nutztierhaltung gesetzlich verankert. Hierfür wurden die §§ 58a - g in das AMG aufgenommen, die am 1. April 2014 in Kraft getreten sind. Das Grundprinzip des Antibiotikaminimierungskonzeptes ist ein Benchmarkingsystem, bei dem tierhaltende Betriebe mit bestimmten Nutzungsarten (Masthühner, Mastputen, Mastschweine, Mastferkel, Mastrinder und Mastkälber) ab einer bestimmten Betriebsgröße in halbjährlichem Rhythmus bezüglich ihres Antibiotikaeinsatzes miteinander verglichen werden. Bei der Überschreitung bestimmter statistischer Kennzahlen können u. a. behördlich überwachte betriebliche Maßnahmen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes auf Betriebsebene erforderlich werden. Das Antibiotikaminimierungskonzept wurde mehrfach angepasst und erweitert. Im Jahr 2021 wurde das Antibiotikaminimierungskonzept in die §§ 54 - 57 des neugeschaffenen TAMG überführt.

Einzelheiten siehe: Wie funktioniert das Konzept zur Antibiotikaminimierung in der Nutztierhaltung?

Resistenzdaten werden seit 2014 im Monitoring von Zoonoseerregern und kommensalen Keimen aus der Lebensmittelkette unter Beachtung des Durchführungsbeschlusses 2013/652/EU sowie im Resistenzmonitoring klinischer Bakterienisolate von erkrankten Tieren gewonnen.

 

Antibiotika-Abgabemengen

Die Gesamtabgabemengen antibakteriell wirksamer Tierarzneimittel konnten seit der Einführung der Erfassung im Jahr 2011 deutlich reduziert werden (68,4 %). Nach dem leichten Anstieg der Abgabemengen 2020 (+4,6 %), war in den Jahren 2020 bis 2022 erneut eine deutliche Reduktion der Abgabemengen um 23% (160,8 t) zu verzeichnen. Für die Wirkstoffklassen, die nach der AMEG-Einteilung in die Kategorie B („Einschränken“) und von der WHO als „highest priority critically important antimicrobials“ eingestuft werden, wurden von 2020 bis 2022 die folgenden Entwicklungen beobachtet:

  • Die Abgabemengen der Cephalosporine der 3. Generation reduzierten sich um 13,8 % (0,14 t).
  • Die Abgabemengen der Cephalosporine der 4. Generation reduzierten sich um 30,8 % (0,09 t).
  • Die Abgabemengen der Fluorchinolone reduzierten sich um 21,8 % (1,4 t).
  • Die Abgabemengen der Polypeptid-Antibiotika reduzierten sich um 26 % (15,7 t).

Insgesamt sank der prozentuale Anteil der Wirkstoffklassen der AMEG-Kategorie B („Einschränken“) in Bezug auf die Gesamtabgabemenge im Zeitraum von 2020 bis 2022 von 9,7 % auf 9,4 %.

Kennzahlen der betrieblichen Therapiehäufigkeiten

Bei den Mastschweinen und den Mastferkeln konnte der rückläufige Trend der Vorjahre auch 2021 und 2022 fortgeführt werden, die Veränderungen waren jedoch nur geringfügig. Bei den Masthühnern erreichte die Kennzahl 1 (Median) im 1. Halbjahr 2021 einen Höchststand. Im 2. Halbjahr 2021 war der Median wieder niedriger. In den beiden Halbjahren des Jahres 2022 stieg er wieder geringfügig an. Bei den Mastputen veränderten sich die Kennzahlen in den Jahren 2021 und 2022 im Vergleich zu den Vorjahren kaum. Bei den Mastkälbern und Mastrindern blieben auch 2020 bis 2022 die Kennzahlen auf konstant niedrigem Niveau.

Populationsweite Therapiehäufigkeiten

In allen Nutzungsarten sind die populationsweiten Therapiehäufigkeiten seit 2020 zurückgegangen. Besonders ausgeprägt war der Rückgang bei Mastferkeln (-24 % im Jahr 2022 gegenüber 2020). Auch bei Mastputen (-15 %) und Mastschweinen (-12 %) fiel der Rückgang deutlich aus, bei Masthühnern (-5 %), Mastkälbern (-4 %) und Mastrindern (-3 %) dagegen geringer.

Zudem gingen in allen Nutzungsarten die populationsweiten Therapiehäufigkeiten mit Wirkstoffen der AMEG-Kategorie B („Einschränken“) zurück. Dies trifft auch auf die einzelnen Wirkstoffklassen innerhalb der Kategorie B zu, d. h. auf Cephalosporine der 3. und 4. Generation, auf Fluorchinolone und auf Polypeptid-Antibiotika.

Resistenzsituation

Die Entwicklung der Resistenzsituation seit 2014 bei klinischen Isolaten von erkrankten Tieren und bei den nicht-klinischen Isolaten aus Tieren und aus Lebensmitteln war heterogen. Auffällige Unterschiede bestanden wie in der Vergangenheit zwischen Isolaten vom Geflügel und Isolaten von Rindern und Schweinen im Hinblick auf die Resistenz gegen die Fluorchinolone und in der Resistenz gegenüber Colistin bei E. coli-Isolaten von Schlachttieren. Diese war bei Bakterien vom Geflügel signifikant höher als bei solchen von Rindern und Schweinen. Eine deutliche Verbesserung der Resistenzsituation wurde zwischen 2014 und 2022 lediglich bei nicht klinischen Isolaten aus Mastputen festgestellt. Ansonsten wurden Veränderungen nur für einzelne Substanzen bei einzelnen Tierpopulationen festgestellt. Bei E. coli-Isolaten von erkrankten Tieren zeigten sich deutliche tierart- und wirkstoffspezifische Unterschiede. Für Colistin reduzierten sich die Resistenzraten zwischen 2014 und 2022 bei E. coli von Schwein und Nutzgeflügel, wohingegen sich insbesondere bei E. coli vom Kalb der Anteil Cephalosporin-resistenter Isolate verringerte. Resistenzen gegen Fluorchinolone waren am häufigsten bei E. coli von Masthühnern und Puten zu beobachten.

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