Fragen und Antworten zur Vierten Bundeswaldinventur
Der Wald in Deutschland: Ergebnisse und Hintergründe
Was ist die Bundeswaldinventur?
Die Bundeswaldinventur (BWI) 2022 erhebt alle 10 Jahre die großräumigen Waldverhältnisse. Wichtigste Parameter sind: Waldfläche, Eigentumsarten, Baumartenverteilung, Alter, Vorrat, Nutzung, Struktur, Mischung, Totholz. Das Verfahren ist in allen Eigentumsarten (Privatwald, Kommunalwald, Landeswald (Wald im Eigentum der Länder) und Bundeswald) einheitlich. Die Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur geben Auskunft über Zustand und Veränderungen in den Wäldern und sind damit Grundlage für politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln. Mit Hilfe der Daten können Aussagen insbesondere zur Nutz- und zur Schutzfunktion des Waldes getroffen werden. Aussagen zur Erholungsfunktion sind nicht möglich, da diese nicht erfasst werden bzw. im Gelände nicht erkennbar sind. Die BWI ist eine Stichprobeninventur, d.h. bundesweit wird ein Teil des Waldes intensiv gemessen und klassifiziert. Dabei werden ca. 150 Merkmale am Stichprobenpunkt erfasst. Die BWI beobachtet und beschreibt, sie stellt keine Kausalitäten her. So gibt es beispielsweise auch keine Eigentümerbefragung.
Was unterscheidet die Waldzustandserhebung von der Bundeswaldinventur?
Bundeswaldinventur (BWI) und Waldzustandserhebung (WZE) haben unterschiedliche Unter-suchungsgegenstände, nutzen unterschiedliche Stichprobenverfahren und ergänzen einander damit. Die Waldzustandserhebung ist eine jährlich stattfindende Stichprobeninventur zur Überwachung der Vitalität und des Gesundheitszustands der Wälder. Als Indikator für die Vitalität wird im Juli/August der Kronenzustand, die Fruktifikation (Ausbildung von Samen oder Früchten) und der sonstige Gesundheitszustand von systematisch ausgewählten Probebäumen, die mit ihrer Krone am Aufbau des Kronendachs beteiligt sind, beurteilt. Mithilfe eines visuellen Schätzverfahrens, wird das Kronenausmaß in unterschiedliche Kategorien eingeordnet (ohne, schwache, mittelstarke, starke Kronenverlichtung oder abgestorben). Die WZE 2023 hat ergeben, dass über alle Baumarten hinweg nur 20 Prozent der Kronen ohne Schäden sind. Das heißt nur jeder fünfte Baum in unserem Wald ist gesund.
Die Bundeswaldinventur liefert alle 10 Jahre einen Gesamtüberblick über die großräumigen Waldverhältnisse und forstlichen Produktionsmöglichkeiten. Dazwischen liefert die Kohlenstoffinventur Daten zu Vorrat, Zuwachs, Nutzung und Totholz, sodass im 5-Jahres-Rhythmus Daten vorliegen. Die Daten liefern Politik, Waldbesitzenden und der Forst- und Holzwirtschaft Eckpunkte für weitere Planungen.
Wer führt die Bundeswaldinventur durch?
Die Bundeswaldinventur ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und Ländern. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat das Thünen-Institut (TI) für Waldökosysteme mit der Koordination und Inventurleitung beauftragt. Das TI entwickelt in enger Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen z.B. der Länder die Methoden und wertet die Daten gemeinsam mit Experten der Länder aus. Geschultes Fachpersonal der Länder führt die Datenerhebung im Wald durch.
Wie wird der Wald vermessen?
In Deutschland wachsen rund 100 Milliarden Bäume, die höher als 20 cm sind. Das sind zu viele, um sie alle zu vermessen. Die Bundeswaldinventur arbeitet deshalb mit Stichproben. Für die Bundeswaldinventur 2022 haben rund 100 speziell geschulte Inventurtrupps der Länder in den Jahren 2021 und 2022 rund 521.000 Bäume vermessen. An 80.000 Messpunkten wurden nach einem standardisierten Verfahren über 150 Merkmale erfasst. Für die Auswertung der Daten hat das Thünen-Institut zahlreiche Qualitätschecks, vorbereitende Auswertungen (z.B. Parametrisierung von Zuwachsfunktionen), Hochrechnungen, Interpretationen etc. ausgeführt. Das erklärt die Zeitspanne zwischen Ende der Aufnahme (Ende 2022) und Vorstellung der Ergebnisse im Oktober 2024.
Was sind die zentralen Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur und was hat sich seit der letzten Inventur im Jahr 2012 verändert?
- Die Waldfläche ist geringfügig um 15.000 Hektar angestiegen, das entspricht 0,1 Prozent, im Vergleich zu 2012.
- Die Vielfalt im Wald ist größer geworden. Es gibt mehr Laubbäume. Die Fläche der Laubbäume hat seit der letzten Bundeswaldinventur um acht Prozent zugenommen, was ein Erfolg des bisherigen Waldumbaus ist.
- Die Strukturvielfalt (Mischung, Schichtigkeit) des Waldes hat zugenommen.
- Die Bäume sind im Durchschnitt älter und dicker geworden. Das Durchschnittsalter hat sich seit 2012 um 5 Jahre auf 82 Jahre erhöht.
- Der Totholzanteil liegt bei 29,2 m³ pro Hektar und ist damit vor allem aufgrund der Dürre um rund ein Drittel höher als vor 10 Jahren.
- Die Auswirkungen der Klimakrise insbesondere bei der Baumart Fichte sind regional sehr unterschiedlich. So haben sich beispielsweise die Waldbestände im Harz, Sauerland, Thüringer Wald dramatisch verändert, während andere Regionen wie das Allgäu unterdurchschnittlich betroffen sind.
- Der Vorrat (die Holzmenge im Wald) ist im Vergleich zur BWI 2012 weitestgehend konstant, aber im Vergleich zur Kohlenstoffinventur 2017 um 18 Prozent zurückgegangen.
- Der Zuwachs, also die Menge an Holz, die durch das Wachstum der Bäume zunimmt, hat innerhalb der letzten Inventurperiode abgenommen. Die Gründe sind der Rückgang der zuwachsstarken Fichte um 17 Prozent und die Schwächung der Bäume durch die Trockenheit.
- Ökologische Parameter wie Totholzanteil, Anzahl der Biotopbäume, Naturnähe etc. haben sich positiv entwickelt und in den letzten zehn Jahren zugenommen.
- Seit der letzten BWI ist der Wald zur geringen Kohlenstoffquelle geworden. Denn der überwiegende Abgang durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall ist größer als der Zuwachs an lebender Biomasse.
- Die Zusammensetzung der Hauptbaumarten hat sich in der zehnjährigen Inventurperiode leicht verändert. Hier hat die Fichte (21 Prozent) ihren Platz als häufigste Baumart an die Kiefer (22 Prozent) abgegeben.
- Die Fläche der Buche hat von 2012 bis 2022 um 130.000 Hektar (8 Prozent) zugenommen.
- 012 bis 2022 um 130.000 Hektar (8 Prozent) zugenommen.
Wie sind die Ergebnisse aus den folgenden drei Perspektiven zu bewerten?
Aus ökologischer Sicht, zeigt die vierte Bundeswaldinventur viele positive Entwicklungen hinsichtlich der biologischen Vielfalt. Mit Blick auf die Holz- und Rohstoffverfügbarkeit hat besonders die Baumart Fichte, als wichtigster (Bau-)Holzlieferant, in den Dürrejahren 2018-22 erhebliche Verluste erlitten. Dies wird perspektivisch dazu führen, dass Fichtenholz knapper wird (vgl. Frage 10). Der Wald hat beim Klimaschutz eingebüßt. Seit der letzten Kohlenstoffinventur (2017) bis 2022 hat sich der Kohlenstoffvorrat im Wald um 41,5 Millionen Tonnen verringert. Damit ist der Wald erstmals seit Jahrzehnten zur Kohlenstoff-Quelle geworden und stellt keine Kohlenstoffsenke mehr dar (vgl. Frage 11).
Laut BWI sind 79 Prozent der deutschen Wälder Mischwälder. Warum muss der Waldumbau dennoch vorangebracht werden?
Der Mischwaldanteil liegt über ganz Deutschland verteilt bei 79 Prozent. Dennoch ist der Umbaubedarf weiterhin sehr hoch. Denn 21 Prozent der deutschen Wälder, das entspricht rund 2,5 Millionen Hektar, sind noch kein Mischwald und damit auch verstärkt risikobehaftet. Das Thünen-Institut beziffert den jährlichen Anpassungsbedarf mit rund 95.000 Hektar. Aktuell werden aber nur etwa ein Drittel davon (rund 30.000 Hektar) pro Jahr umgebaut, also aktiv in klimaresiliente Mischwälder umgewandelt. Das heißt: Waldbesitzende, Forstleute und Förderung sollten hier weiterhin Hand in Hand zusammenarbeiten, um das Ökosystem Wald stabil und zukunftsfest zu machen. Die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur zeigen, dass sich die bisherigen Anstrengungen von Waldbesitzenden und die Förderung durch die Bundesregierung ausgezahlt haben. Der Mischwaldanteil ist deutschlandweit sehr unterschiedlich verteilt. In einigen Regionen gibt es viele Mischwälder, was ein Verdienst des Waldumbaus ist, der seit den 1980er/1990er- Jahren vorangetrieben wird. Durch die Dürrejahre 2018-2022 hat sich die Dringlichkeit des Waldumbaus aber nochmal deutlich verschärft.
Wie kommt es, dass die Waldfläche insgesamt in Deutschland größer geworden ist?
Die Waldfläche in Deutschland hat trotz Konkurrenz um die Flächennutzung um 15.000 Hektar (0,1 Prozent) zugenommen und ist damit stabil geblieben. Die Neuwaldfläche ist dabei geringfügig größer als der Waldverlust durch Umwandlung zu Dauergrünland und Industrie-, Gewerbe- oder Verkehrsflächen. Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur zeigen, dass es gelingt, in einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland die Waldfläche konstant zu halten beziehungsweise geringfügig zu steigern trotz einer täglichen Flächenneuversiegelung von rund 50 Hektar. Das ist ein Verdienst der Waldgesetze von Bund und Ländern. Allerdings sagt die Fläche noch nichts über die Qualität aus. Denn laut Bundeswaldgesetz gehören zum Wald auch solche Flächen, auf denen vorübergehend kein Wald steht (z.B. baumfreie Flächen wie Kalamitätsflächen, Blößen, Holzlagerplätze, Waldwege etc.). Die Schadflächen sind per Gesetz von den Waldbesitzenden wieder aufzuforsten.
Wieso wird der Klimaschützer Wald zur Kohlenstoffquelle?
Bäume benötigen für ihr Wachstum das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) und binden es durch Photosynthese in Kohlenstoff-Verbindungen im Holz, während Sauerstoff an die Luft abgegeben wird. Der Wald ist somit ein Kohlenstoffspeicher, der als Senke wirkt, wenn die Kohlenstoff-Bindung im Wald größer ist als die Freisetzung. Seit 2017 ist der Wald v.a. durch den kalamitätsbedingten Verlust an lebender Biomasse und den verminderten Zuwachs aufgrund der Klimakrise zur Quelle geworden. Da der Kohlenstoffverlust in der lebenden Biomasse in den Jahren 2017 bis 2022 höher war als die Zunahme beim Totholz um 11,3 Mio. Tonnen Kohlenstoff und auch der Boden diesen Verlust nicht ausgleichen konnte, wird der Wald in diesem Zeitraum zu einer CO2-Quelle.
Wie wird der Wald wieder zu einer Kohlenstoffsenke?
Die Trendumkehr ist ein langwieriger Prozess. Damit der Wald insgesamt wieder zur Kohlenstoffsenke werden kann, muss er mehr Kohlenstoff aufnehmen und speichern, als er abgibt. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, vor allem die Baumartenzusammensetzung und die Altersstruktur der vorhandenen Waldbestände. Diese lassen sich nur bedingt und aufgrund der hohen Lebensdauer der Bäume auch nur langfristig beeinflussen. Das BMEL unterstützt die privaten und kommunalen Waldbesitzenden bei der Wiederbewaldung und Aufforstung von Schadflächen.
Die stärkste Kohlenstoffbindung (= Wachstum) erfolgt bei Bäumen im Alter von 20-40 Jahren. Je nachdem, wie und wann die Wiederbewaldung stattfindet und welche Baumarten zum Einsatz kommen, wird sich der Zuwachs des Waldes entsprechend entwickeln. Der Zeitpunkt, wann der Wald wieder zur Kohlenstoffsenke werden wird, ist daher und wegen der Unwägbarkeit der weiteren Klimawandel-Entwicklung derzeit nicht vorherzusagen. Es ist eine Langfristaufgabe, den Wald zu erhalten und ihn als Klimaschützer an den Klimawandel anzupassen und wiederaufzubauen.
Die Bäume im Wald sind durchschnittlicher älter und dicker geworden. Was bedeutet das?
Der Wald ist ein komplexes System. Einzelne Parameter können unterschiedliche Auswirkung für die Waldfunktionen, die Waldnutzung und die Leistungen des Waldes haben. So zum Beispiel das Alter. Seit der letzten Inventur 2012 hat sich das Durchschnittsalter der Bäume um 5 Jahre auf 82 Jahre erhöht. Die Zunahme alter Bäume fördert die biologische Vielfalt. Denn alte Bäume verfügen häufiger als junge Bäume über besondere Mikrohabitate wie z.B. Grobborke, Kronentotholz, Astabbrüche oder Spechthöhlen. Viele auch seltene, auf bestimmte Zerfallsphasen spezialisierte Arten sind auf diese Mikrohabitate angewiesen. Aus Sicht des Klimaschutzes bedeutet die Alterung vor allem, dass sich der flächenbezogene Zuwachs und damit die Kohlenstoffbindung verringert, d.h. die Klimaschutzwirkung im hohen Alter abnimmt (vgl. Frage 10). Für die Forst- und Holzwirtschaft können ältere und dickere Bäume allerdings eine zunehmende Herausforderung bei Ernte, Verarbeitung und Holzqualität darstellen.
Welche Handlungserfordernisse ergeben sich aus den Ergebnissen?
Die Ergebnisse zeigen die Dringlichkeit für den Waldumbau hin zu klimaresilienten Mischbeständen. Zugleich machen die Ergebnisse die bisherigen Erfolge des Waldumbaus, der seit rund 30 Jahren betrieben wird, sichtbar. Durch den aktiven und auch durch den vom BMEL und den Ländern breit geförderten Waldumbau wird das „System Wald und Holz“ lebendig erhalten, indem der Wald wieder aufgeforstet bzw. zukunftsfest gemacht wird. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede bezüglich der Waldzusammensetzung und des entsprechenden Umbaubedarfs. In dieser Phase des Waldum- und -aufbaus unterstützt das BMEL private und kommunale Waldbesitzende mit verschiedenen Fördermaßnahmen. Die Wertschöpfungskette Holz wird sich zunehmend darauf einstellen müssen, dass sich Wälder und die Zusammensetzung der Baumarten weiter verändern werden und damit ebenso das Aufkommen und die Verwendungsmöglichkeiten von Holz.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur für die Modernisierung des Bundeswaldgesetzes?
Die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur belegen wie auch vorangegangene wissenschaftliche Erkenntnisse, darunter die Waldzustandserhebung 2023 oder auch das Gutachten „Die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik beim BMEL, dass die Klimakrise unseren Wald erheblich belastet. Die Ergebnisse bestätigen die Notwendigkeit für Waldumbau, Wiederbewaldung und Walderhalt.
Das bestehende Bundeswaldgesetz trat 1975 in Kraft, eine Zeit, in der die Klimakrise und ihre Folgen nicht so präsent waren wie sie es heute sind. Damit der Wald weiter nachhaltig genutzt werden kann, er den klimafreundlichen Rohstoff Holz bereitstellt, Beschäftigung und Einkommen in ländlichen Regionen sichert und seine Aufgabe als Klimaschützer wieder erfüllen kann, braucht es eine Anpassung des Bundeswaldgesetzes. Der vorliegende Referentenentwurf unterstützt Waldbesitzende bei dieser Anstrengung und schafft verlässliche Leitplanken zur Fortsetzung der forstlichen Förderung im Klimawandel. Das neue Bundeswaldgesetz gibt dem Erhalt der Wälder oberste Priorität und trägt dazu bei, den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden.
Was passiert jetzt weiter mit den Ergebnissen der Bundeswaldinventur?
Die Ergebnisse werden mit Expertinnen und Experten beispielsweise mit dem Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik des BMEL und der Öffentlichkeit diskutiert und weitere Analysen für die Waldpolitik durchgeführt. Für die Forst- und Holzwirtschaft dienen die Daten als Anhaltspunkt für die eigene Planung. Zusätzlich dienen die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur als Grundlage für die WEHAM (Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung), um die Zukunft des Waldes unter definierten Bedingungen wie Zuwuchs, Nutzung, Entwicklung zu modellieren und Aussagen treffen zu können, wieviel Holz potentiell in den kommenden Jahren aus dem Wald kommen wird.
Wo sind die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur zu finden?
Informationen und ausgewählte Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2022 sind unter www.bundeswaldinventur.de verfügbar. Unter https://bwi.info sind alle Ergebnisse mit Tabellen, Grafiken und Karten zum Selbsterstellen abrufbar.