Mein Ziel sind lebenswerte und attraktive ländliche Räume

Bundesministerin Julia Klöckner spricht im Interview mit der "Deutsche Bauern Korrespondenz" über Wertschätzung der Landwirtschaft, EU-Agrarpolitik, Digitalisierung, Tierwohl, Tierwohllabel, die Ackerbaustrategie, den ländlichen Raum und Agrarexporte

Frage: Landwirtschaft ist Ihnen in vielerlei Hinsicht vertraut. Welche Gedanken haben Sie bei Ihrer Ernennung zur Bundeslandwirtschaftsministerin bewegt?

Julia Klöckner: Das war ein schöner und würdiger Tag – und ein bisschen wie nach Hause kommen. Für mich ist es ja eine Rückkehr ins Landwirtschaftsministerium, in dem ich bereits Parlamentarische Staatssekretärin war. Ich freue mich auf mein neues Amt als Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft. Es ist für mich das Lebensministerium, weil es sich mit den Lebensthemen der Menschen beschäftigt. Meine Kraft werde ich dafür einsetzen, dass die Arbeit unserer Bauern wertgeschätzt wird. Ich bin stolz auf unsere Bauern. Oft wird vergessen, wie viel Arbeit und Herzblut in unseren Lebensmitteln steckt. Wir brauchen eine wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft in Deutschland, damit gute Lebensmittel in Deutschland produziert werden können

Frage: Was sind die wichtigsten agrarpolitischen Herausforderungen dieser Legislaturperiode?

Julia Klöckner: Eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Herausforderungen wird die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik sein. Wir brauchen eine marktfähige, nachhaltige Landwirtschaft – mit weniger Bürokratie und mehr Effizienz. Mir ist wichtig, dass wir in Deutschland eine flächendeckende, familiengeführte Landwirtschaft unterstützen, die gesellschaftlich akzeptiert und wirtschaftlich tragfähig ist. Ein Schwerpunkt wird das Thema Digitalisierung sein. Unsere Landwirte sind längst Vorreiter auf dem Gebiet. Die technische Präzision zum Beispiel, mit der Pflanzenschutzmittel und Dünger ausgebracht werden, birgt viele Chancen. Ich werde das Thema vorantreiben.

Frage: Bei der EU-Agrarförderung werden die Weichen für die Zeit nach 2020 gestellt. Was können die Landwirte hier von Ihnen erwarten – auch mit Blick auf den Vorschlag von Kommissar Hogan für ein neues "Umsetzungsmodell", das den Mitgliedstaaten mehr Entscheidungsspielräume geben soll?

Julia Klöckner: Das ist eine sehr gute Diskussionsgrundlage für die Zukunft der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Sie steht für mehr Subsidiarität und für mehr Kompetenzen für die Mitgliedstaaten. Wichtig ist mir, dass wir das europäische Agrarmodell erhalten und die vielfältige europäische Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen. Mit dem neuen Umsetzungsmodell bekommen wir die Möglichkeit, noch stärker auf Bedürfnisse unserer Landwirte und auf die gesellschaftlichen Erwartungen einzugehen. Mein Ziel ist es ja, flächendeckend familiengeführte Betriebe zu erhalten. Dazu müssen wir die Agrarpolitik stärker auf deren Bedürfnisse ausrichten, dazu gehört auch eine umfassende und spürbare Vereinfachung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik.

Frage: Die Landwirte selbst sind in der Gesellschaft eine anerkannte Berufsgruppe. Anders sieht es bei den Produktionsverfahren – insbesondere der Tierhaltung – aus. Wie wollen Sie diese Schere wieder schließen?

Julia Klöckner: Ich möchte, dass Deutschland Spitzenreiter beim Tierwohl in der Nutztierhaltung wird. Deshalb werde ich ganz klar einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Haltungsbedingungen legen. Hier ist natürlich das Verbraucherverhalten ein Hebel. Die Verbraucher sind anspruchsvoller geworden. Sie möchten wissen, wo ihr Fleisch und ihre Wurst herkommen. Sie wollen wissen, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Deswegen will ich ein mehrstufiges, staatliches Tierwohllabel einführen. Damit geben wir den Verbrauchern eine klare Orientierung. Und: Die Kosten für das Tierwohllabel können die Bauern nicht allein tragen. Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage nach diesen Produkten groß sein wird. Dann verändern sich auch die Haltungsbedingungen langfristig – und auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhalter steigt weiter.

Frage: Stalleinbrüche vermeintlicher Tierschützer lassen die Betroffenen meist verunsichert und verängstigt zurück. Jüngste Gerichtsurteile entmutigen sie weiter. Welche Möglichkeiten sehen Sie, hier für Rechtssicherheit zu sorgen?

Julia Klöckner: Im Koalitionsvertrag haben wir ganz klar festgehalten: Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden. Jetzt werden wir klären, ob dafür eine Konkretisierung im Strafrecht erforderlich sein wird.

Frage: Der Koalitionsvertrag sieht auch die Entwicklung einer Ackerbaustrategie vor. Wie werden Sie mit dem kritischen Punkt Pflanzenschutz umgehen?

Julia Klöckner: Wir werden eine Ackerbaustrategie vorlegen, die auf Pflanzen- und Bodengesundheit, Robustheit der Kulturpflanzen, Stresstoleranz und Klima- und Ressourceneffizienz fokussiert. Dabei geht es nicht nur um die umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, sondern auch um die Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität insgesamt. Hier kommt der Digitalisierung eine Schlüsselrolle zu.

Frage: Landwirtschaft und ländlicher Raum sind untrennbar. Was werden Sie konkret machen, um den ländlichen Raum zu stärken?

Julia Klöckner: Wir setzen uns für die Verbesserung der Lebensqualität in unseren vielfältigen ländlichen Regionen ein. Mein Haus ist für den ländlichen Raum zuständig und Ansprechpartner innerhalb der Bundesregierung. Mein Ziel sind lebenswerte und attraktive ländliche Räume – hier entsteht die meiste Dynamik. Dazu müssen wir in eine gute und moderne Infrastruktur investieren – vom Breitband über die ärztliche Versorgung bis hin zum öffentlichen Nahverkehr. Wir werden deshalb das Instrument der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" nutzen, um in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel in die ländliche Entwicklung zu investieren. Wir fördern Maßnahmen der Dorferneuerung, Mehrfunktionshäuser oder auch Kleinstunternehmen, die wir vor Ort brauchen, um die Grundversorgung zu sichern.

Frage: Die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft ist im Agrarhandel eng europäisch und global vernetzt. Gleichzeitig werden deutsche Agrarexporte öffentlich immer wieder als angebliches Dumping für Entwicklungsländer gebrandmarkt. Wie wollen Sie den Agrarhandel weiterentwickeln?

Julia Klöckner: Es ist zwar richtig, dass die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft im weltweiten Agrarhandel eng vernetzt ist. Ich will aber deutlich sagen: Es gibt keine Subventionen von deutschen Agrarexporten – auch nicht in Entwicklungsländer. Deutschland importiert tatsächlich
sehr viel mehr Agrargüter aus Entwicklungsländern, als es exportiert: nach vorläufigen Zahlen lag der Einfuhrüberschuss 2017 bei rund 11,7 Milliarden Euro. Der deutsche Agrarexport ist erfolgreich und ist wichtig für die Wertschöpfung und Sicherung von Arbeitsplätzen – gerade in unseren ländlichen Regionen. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft verstärkt dabei zu unterstützen, kaufkräftige internationale Märkte zu erschließen. Ich möchte unsere Exportstrategie weiterentwickeln. Darüber werde ich auch mit den Verbänden der Land- und Ernährungswirtschaft diskutieren.

Quelle: Deutsche Bauern Korrespondenz vom 13. April 2018

Fragen von Dr. Anni Neu

Erschienen am im Format Interview

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