Für mich ist klar: Tiere sind Mitgeschöpfe, keine Maschinen.

Bundesministerin Julia Klöckner spricht im Interview mit "Bild der Frau" über Tierschutz und das Tierwohllabel

Frage: Liebe Frau Klöckner, Sie sind auf dem Land aufgewachsen, Ihre Familie hielt Hühner. Blutet Ihnen als Tierfreundin da nicht das Herz?

Julia Klöckner: Für mich ist klar: Tiere sind Mitgeschöpfe, keine Maschinen.

Frage: Und trotzdem passiert einfach nichts. Können Sie das Kükenmorden nicht verbieten

Julia Klöckner: Wir wollen, dass das ein Ende hat. Und deshalb treiben wir Alternativen voran. Denn wir wollen ja, dass die Betriebe bei
uns bleiben und nicht ins Ausland abwandern und unter niedrigeren Tierschutzbedingungen dort produzieren und wir dann, als wäre alles gut, die Produkte wieder importieren. Aber natürlich ist jedes getötete Küken eines zu viel. Daher fördert mein Ministerium mit vier Millionen Euro die Forschung zur Geschlechtsbestimmung direkt im Ei. Sobald diese Methoden praxisreif sind, wird ein Verbot gar nicht
mehr notwendig sein.

Frage: Aber Sie können doch nicht tatenlos zusehen!

Julia Klöckner: Tatenlos, wie kommen Sie darauf? Das Gegenteil ist der Fall, wir forschen erfolgreich daran, das Geschlecht der Hühner
direkt im Ei zu bestimmen. Mit dieser Technologie sind wir in Deutschland ganz klar Vorreiter. Und an unseren Forschungsergebnissen
besteht auch international großes Interesse. Zudem forschen wir an dem sogenannten Zweinutzungshuhn. Das sind Hühnerrassen, die
nicht nur zum Eierlegen gezüchtet werden, sondern auch Fleisch ansetzen.

Frage: Die Verfahren werden doch schon seit Jahren erprobt. Warum werden sie dann nicht eingesetzt?

Julia Klöckner: Nur im Märchen kann man mit dem Finger schnipsen und alles ist so, wie man sich das von einem auf den anderen
Moment wünscht. Wenn Verfahren - so wie das zur Geschlechtsbestimmung im Ei - im Labor gut funktionieren, müssen sie in die Praxis
überführt werden. Wir sind da schon sehr weit, stehen kurz vor der Praxisreife. Und ich freue mich zu hören, dass eine große deutsche Supermarktkette diese Technologie in ihren Brütereien noch in diesem Jahr zum Einsatz bringt.

Frage: Wird das Ei für den Verbraucher dann teurer?

Julia Klöckner: Mit großen Preissprüngen ist nicht zu rechnen. Denn untersucht wird ja nicht jedes Ei im Supermarkt. Untersucht werden die Eier, aus denen Legehennen schlüpfen sollen. Aber grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass wir als Verbraucher überlegen müssen, was uns Tierwohl wert ist. Schließlich entscheiden wir jeden Tag an der Supermarktkasse, was dauerhaft produziert wird.

Frage: Ihr Ziel ist es, bis Ende 2019 das Kükensterben zu beenden. Schaffen Sie das denn?

Julia Klöckner: Das haben wir im Koalitionsvertrag so verabredet und deshalb arbeiten wir daran, dass das Verfahren praxistauglich wird.

Frage: Was soll mit den männlichen Eiern passieren, die aussortiert werden?

Julia Klöckner: Klar, auch das ist eine wichtige Frage. Hochwertiges Eiweiß wird schon jetzt beispielsweise für die Herstellung von Kosmetika wie Shampoos gebraucht und auch, um Futter für Heim und Nutztiere herzustellen. Es gibt also durchaus Bedarf.

Frage: Sie arbeiten auch gerade an einem neuen Tierwohl-Label...

Julia Klöckner: Genau. Denn ich bin der Meinung, dass der Verbraucher an der Fleischtheke eine verlässliche und klare Orientierung braucht. Jeder soll erkennen, was für das Tierwohl über den gesetzlichen Standard hinaus gemacht wurde - in Bezug auf Platz für die Tiere, Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Frage: Wann haben wir das Label in den Läden?

Julia Klöckner: Ich lege eine gesetzliche Grundlage vor. Im nächsten Schritt müssen wir die Landwirte dafür gewinnen, ihre Ställe umzubauen. Die müssen dann zertifiziert werden. Wir haben diesen Prozess in Gang gesetzt. Und mir ist es ein Herzensanliegen, diesen Prozess so schnell wie möglich voran zu treiben.

Quelle: Bild der Frau vom 04. Mai 2018

Fragen von Hella Hoofdmann und Claudia Kirschner

Erschienen am im Format Interview

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