Wir brauchen eine leistungsfähige Landwirtschaft.

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der "Super Illu" über Brexit, EU-Agrarpolitik, Lebensmittelpreise, Bio-Produkte

Frage: Frau Ministerin, der Brexit wirft seine Schatten voraus. Brüssel muss sparen. Kommissar Günther Oettinger will deshalb auch den Agraretat zusammenstreichen. Geht es bald den deutschen Bauern an den Kragen?

Julia Klöckner: Die Gespräche mit EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan waren fruchtbar. Das zeigt sich auch daran, dass wir heute weit weg sind von den ursprünglichen Kürzungsvorschlägen. Zunächst waren Kürzungen bei den Direktzahlungen in Höhe von 30, dann 15 und schließlich zehn Prozent angedacht. Jetzt hat er fünf Prozent in seinem Haushalt vorgesehen. Ich werde mich weiterhin für eine solide finanzielle Ausgestaltung der GAP einsetzen - für unsere Landwirte in Deutschland und in Europa.

Frage: Heißt das, dass Sie demnächst zu Gesprächen nach Brüssel reisen?

Julia Klöckner: Ich stehe im engen und ständigen Austausch mit der Kommission und meinen europäischen Kollegen. EU-Landwirtschaftskommissar Hogan hat angekündigt, zeitnah konkrete Vorschläge für den EU-Agrarhaushalt vorzulegen. Degression und Kappung sind nicht geeignet, um die Sparziele umzusetzen. Mir ist wichtig, dass das Geld bei unseren Bauern ankommt und nicht bei Hedgefonds. Für mich ist klar: Der ländliche Raum und die deutschen Landwirte dürfen nicht zu den Verlierern des Brexit werden. Die ländlichen Räume sind die Kraftzentren unseres Landes. Das ist auch der Verdienst unserer Landwirte.

Frage: Wie ist das zu verstehen? Wollen Sie etwa Kürzungen durch nationale Hilfen ausgleichen?

Julia Klöckner: In dem Wort Landwirtschaft steckt das Wort Wirtschaft. Wichtig für mich ist: Landwirte müssen im globalen Wettbewerb bestehen können. Dazu müssen wir in Europa und auch national die Leitplanken setzen. Darüber hinaus nehmen Landwirte oft Aufgaben wahr, die über die Produktion unserer Lebensmittel hinausgehen, wie beispielweise die Pflege unserer Kulturlandschaft und den Umweltschutz. Das müssen wir auch finanziell honorieren. Einen Gartenbaubetrieb müsste man dafür auch bezahlen.

Frage: Wie sollen sie das schaffen? Die russischen Einfuhrbeschränkungen haben in Ostdeutschland manchen Hof bereits an die Existenzgrenzen geführt. Ihr Vorgänger Christian Schmidt hat sich daher für eine Lockerung der deutschen Ausfuhrbeschränkungen eingesetzt. Werden Sie das auch tun?

Julia Klöckner: Der russische Markt ist für die deutschen Agrarexporte sehr wichtig. Dennoch haben sich unsere Lebensmittelhersteller inzwischen weitgehend neue Absatzmärkte gesucht. Diese Erfahrung hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich beim Export nicht nur auf ein Land zu konzentrieren, sondern mehrere Märkte zu erschließen. Deswegen werde ich mich dafür einsetzen, neue Märkte zu öffnen.

Frage: Dann müsste Brüssel entsprechend mit Gegenmaßnahmen reagieren, wenn US-Präsident Donald Trump am 1. Juni Wirtschaftssanktionen gegen die EU verhängt?

Julia Klöckner: Deutschland als Land, dessen Wohlstand auch vom Export abhängt, ist auf freien Handel und offene Märkte angewiesen. Sollte sich die Situation mit den USA weiter zuspitzen, sähe ich auf beiden Seiten nur Verlierer. Daher müssen wir eine Spirale aus Sanktionen und Gegenmaßnahmen vermeiden. Aber - wenn alle Gespräche nicht helfen - sind wir auch bereit, Gegenmaßnahmen zu erlassen.

Frage: Lassen Sie mich noch einmal zurück zu den Verdienstmöglichkeiten kommen. Die ostdeutschen Bauern klagen nicht nur über die Sanktionen, sondern auch über die niedrigen Lebensmittelpreise. Berechtigt?

Julia Klöckner: Vor 50 Jahren hat ein Haushalt bis zu 50 Prozent für Lebensmittel ausgegeben. Heute sind es um die elf Prozent. Im internationalen Vergleich sind Nahrungsmittel bei uns günstig. Mich ärgert, dass Lebensmittel oft zu Dumping-Preisen in Supermärkten und Discountern angeboten werden. Dies geschieht auf dem Rücken der Landwirte. Gute Lebensmittel haben ihren Preis.

Frage: Bei Bio-Produkten ist das so. Ist das das landwirtschaftliche Modell der Zukunft?

Julia Klöckner: Aktuell liegt der Marktanteil von Bioprodukten bei etwa acht Prozent und die Nachfrage der Verbraucher nach Bio-Produkten wird größer. Konventionelle und ökologische Landwirtschaft sind keine Gegensätze. Viele Bauern nähern sich schon heute in ihrer Produktion Bio-Standards an.

Frage: Das bedeutet, dass die Nahrungsmittelpreise steigen müssten, um für die meisten Landwirte die Einkommensverhältnisse zu verbessern. Oder?

Julia Klöckner: Die Nachfrage nach regionalen Produkten steigt. Die Verbraucher wollen den Absender ihrer Lebensmittel erkennen. Dazu brauchen wir den Bauern um die Ecke. Eine leistungsfähige Landwirtschaft, die unsere regionalen Produkte erzeugt, liegt auch im Interesse der Supermärkte. Dazu gehört aber auch, dass das Preisrisiko nicht alleine von unseren Bauern getragen werden darf. Ich wünsche mir, dass Supermarktketten und Discounter fairer mit den Erzeugern umgehen und nicht nur auf Gewinnmaximierung achten. Wenn Höfe aufgeben müssen, weil sie nicht genug erwirtschaften können, verringert sich das Angebot und das führt wiederum zu steigenden Erzeugerpreisen.

Frage: Es sei denn, es wird noch mehr rationalisiert, es werden noch größere Mastbetriebe oder noch mehr Pflanzenschutzmittel versprüht...

Julia Klöckner: Dieser Logik kann man so nicht folgen. Richtig ist: Wir brauchen eine leistungsfähige Landwirtschaft. Die Landwirte müssen ihre Produktionskosten auch wieder reinholen können. Das Interesse der Verbraucher an Tierhaltungs- und Umweltstandards steigt. Es werden sowohl konventionell erzeugte Produkte als auch Bioprodukte nachgefragt. Deshalb sollten wir vereinen statt ideologische Grabenkämpfe zu führen.

Quelle: Super Illu vom 30. Mai 2018

Fragen von Thilo Boss

Erschienen am im Format Interview

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