Die Umweltleistungen der Landwirtschaft noch stärker honorieren

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit dem bioland Fachmagazin zur GAP-Reform und zur Zukunftsstrategie ökologischer Landbau

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist 100 Tage im Amt. Dem bioland-Fachmagazin beantwortete sie Fragen zur GAP-Reform und zur Zukunftsstrategie ökologischer Landbau.

bioland-Fachmagazin: Die von Ihrem Amtsvorgänger formulierte Zukunftsstrategie ökologischer Landbau ist das zentrale Instrument, um die anvisierten 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen. Wie ist der Stand der Umsetzung?

Julia Klöckner: Das Ziel ist durchaus ehrgeizig – derzeit stehen wir bei 7,5 Prozent – und es ist nur zu erreichen, wenn die Branche mitzieht. Die Entscheidung, ob jemand auf Öko umstellt, trifft ja nicht die Politik, sondern die Unternehmen müssen das selbst entscheiden. Wir setzen die Rahmenbedingungen, um den Ökolandbau zu fördern. Mein Ministerium hat mit der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau ein Konzept dazu erstellt. Wir setzen damit wichtige Impulse entlang der gesamten Wertschöpfungskette, zum Beispiel indem Betriebe, die umstellen wollen, beraten und gefördert werden. Es geht natürlich noch um viel mehr: Rechtliche und finanzielle Förderinstrumente, Forschungsförderung, Technologie- und Wissenstransfer.

 In der ZöL heißt die Maßnahme 22 „Ausreichende Mittel für die Ökoflächenförderung sicherstellen“, Maßnahme 24 heißt: „Gesamtkonzept zur effizienten Honorierung von Umweltleistungen entwickeln“. Konzepte dafür müssten eigentlich zur GAP-Reform vorliegen. Liegen sie vor?

Klöckner: Wir sind hier auf einem sehr guten Weg mit allen Beteiligten. Die ZöL wird nach einem klaren Fahrplan umgesetzt und überprüft. Die von Ihnen genannten Konzepte werden schrittweise konkretisiert. Ziel ist es, verlässliche und langfristig tragfähige Politikempfehlungen zu entwickeln und daraus die richtigen Instrumente abzuleiten.

 Der wissenschaftliche Beirat des BMEL hat die Vorschläge der Kommission zur GAP-Reform scharf kritisiert. Es fehle der Mut, aus den pauschalen Flächenprämien auszusteigen. Ihre Meinung dazu?

Klöckner: Das auch in den europäischen Verträgen verankerte Einkommensziel bleibt für mich ein wesentlicher Bestandteil der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Direktzahlungen sind notwendig, um die Landwirte in die Lage zu versetzen, die anstehenden Herausforderungen zu stemmen und den gesellschaftlichen Anforderungen nachzukommen. Die Direktzahlungen tragen außerdem zur Risikoabsicherung unserer Landwirte bei und das gerade in kritischen Situationen. Sie sind zudem ein Teilausgleich für gesellschaftliche Leistungen und für höhere europäische Standards.

Für uns ist es wichtig, dass die Direktzahlungen auch zukünftig am Erhalt der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft ausgerichtet werden. Der Kommissionsansatz, das bisherige Greening in einen erweiterten Ansatz zu überführen, in dem die Direktzahlungen an strenge Umweltauflagen gebunden werden, geht insoweit in die richtige Richtung.

Ich setze mich dafür ein, dass die GAP die Leistungen der Landwirtschaft zum Schutz der Biodiversität, des Klimas und der natürlichen Ressourcen zukünftig noch stärker honoriert. Hierfür bieten sich insbesondere zielgerichtete und standortangepasste Fördermaßnahmen an.

 Die Zweite Säule, aus der die Agrarumweltprogramme finanziert werden, soll überproportional gekürzt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass dies nicht geschieht?

Klöckner: Dieser Vorschlag wirft auf jeden Fall Fragen auf. Die Kommission schlägt im gleichen Atemzug vor, den Finanzierungsanteil der Mitgliedstaaten anzuheben. Mein Ziel bleibt eine stabile Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik – so ist es auch im Koalitionsvertrag fixiert.

Wir brauchen eine in beiden Säulen starke und finanziell gut ausgestattete Gemeinsame Europäische Agrarpolitik. Die Ausstattung für die zweite Säule, also für zielorientierte Agrarumwelt-, Klima- und Naturschutzmaßnahmen und die ländliche Entwicklung in Deutschland, wird jedenfalls ein wichtiges Thema der Beratungen in Brüssel sein.

 Stattdessen müssen Programme zugunsten der Umwelt in der Landwirtschaft in die Erste Säule, um die Umweltziele der GAP zu erreichen. Wie würde ein Eco-Scheme in der Ersten Säule in Deutschland aussehen?

Klöckner: Die Kommission schlägt nicht nur vor, die Direktzahlungen deutlich umfassender als bisher an Umweltleistungen zu binden. Außerdem sind die von Ihnen angesprochenen, für die Mitgliedstaaten verbindlichen Eco-Schemes, also „Öko-Regelungen“, vorgesehen. Dabei sind verschiedene Maßnahmen denkbar, die allerdings auf das Jährlichkeitsprinzip in der Ersten Säule zugeschnitten sein müssen. Das werden wir alles noch diskutieren, auch die Wechselwirkungen mit der Zweiten Säule.

 Im Koalitionsvertrag kündigt die Regierung eine Ackerbaustrategie an. Wird sie zu einer relevanten Reduzierung des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes führen?

In der Ackerbaustrategie geht es unter anderem darum, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich effizienter zu gestalten. Wir werden die Forschung nach Alternativen zum Pflanzenschutz vorantreiben. Schließlich können unsere Landwirte mit Hilfe moderner Technik, Stichwort Digitalisierung, umweltfreundlicher und nachhaltiger arbeiten. Wir müssen den Züchtungsfortschritt beschleunigen, auch um den Wettlauf mit Schadorganismen zu gewinnen, die zunehmend gegen Pflanzenschutzmittel resistent werden, und um stabile Resistenzen bei unseren Kulturpflanzen zu züchten. Diese Anstrengungen sind ein fortwährender Prozess, der mittelfristig die Risiken des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln minimieren wird.

 Bis wann sollen Einzelheiten dazu vorliegen?

Klöckner: Zusammen mit Fachleuten aus der Forschung, dem Bund und den Ländern arbeiten wir intensiv an einem ersten Entwurf. Ich lege Wert darauf, dass diese Arbeiten sehr sorgfältig und breit abgestimmt durchgeführt werden. Nachdem diese Vorarbeiten abgeschlossen sind, werden wir unseren Arbeitsstand in die öffentliche Diskussion einbringen. Das Ergebnis, die Ackerbaustrategie, möchte ich im Herbst 2019 vorlegen.

 In diesem Zusammenhang: Wird die Formulierung der „Guten fachlichen Praxis“ künftig Vorschriften zur vielfältigen Fruchtfolge enthalten?

Klöckner: Ziel unserer Ackerbaustrategie ist es, dass mehr Fruchtarten angebaut werden, um die Vielfalt der Kulturen und den Fruchtwechsel zu erhöhen. Breitere Fruchtfolgen tragen auch dazu bei, die Bodenfruchtbarkeit und die natürliche Regenerationsfähigkeit der Ackerbausysteme zu erhöhen. Bei der Neuausrichtung der guten fachlichen Praxis spielen für mich allerdings viele Faktoren eine wichtige Rolle: Dazu gehört zum Beispiel die Auswahl gesunder und klimaangepasster Sorten und eine Bodenbearbeitung, die Bodenstruktur- und Bodenleben erhält und womöglich fördert. Nur wenn wir das alles in der guten fachlichen Praxis insgesamt optimieren, ist der Ackerbau zukunftsfähig. Mir ist wichtig, dass wir all diese Fragen gemeinsam betrachten.

Bald entscheidet der EuGH über neuartige Gentechniken wie CRISPR. Welche Entscheidung erhoffen Sie sich? Wie wollen Sie die Wahlfreiheit für Landwirte und Kunden sicherstellen?

Klöckner: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu neuen molekularbiologischen Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas werde ich abwarten. Sobald das Urteil vorliegt, setze ich mich für ein auf europäischer Ebene abgestimmtes Vorgehen an. So haben wir es auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Wir müssen mit den neuen Techniken verantwortungsbewusst und maßvoll umgehen. Gerade im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und den Klimawandel stehen wir vor globalen Herausforderungen. Die neuen Züchtungstechniken bieten da Innovationspotenzial. Beispiele hierfür sind die Entwicklung neuer Sorten, die ertragreich und gleichzeitig widerstandsfähiger gegen Krankheiten, Schädlinge, Hitze und Wassermangel sind. Das könnte ein wichtiger Baustein hin zu einer nachhaltigen und produktiven Landwirtschaft der Zukunft werden.

Quelle: Bioland vom Juli 2018

Fragen von Annegret Grafen

Erschienen am im Format Interview

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