"Unser Essen muss gesünder werden - weniger Zucker, Fette und Salz."

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der "BILD-Zeitung" über die Reduktion von Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten

Frage: Frau Klöckner, Weihnachten steht vor der Tür, es herrscht Vorfreude auf Gans, Klöße und Rotkohl und Sie wollen, dass wir weniger Salz, Zucker und Fett zu uns nehmen. Bestimmen Sie jetzt, was bei uns auf den Tisch kommt?

Julia Klöckner: Um Himmels Willen, nein. Ich bin weder eine Geschmacks-Nanny, noch schreibt Politik Rezepte vor. Wir sehen aber gerade bei Kindern und Jugendlichen belastende Entwicklungen, rund 15 Prozent sind bereits übergewichtig oder adipös. Ich nehme das sehr ernst. Denn Fertiglebensmittel gehören längst zum Alltag. Unser Essen muss gesünder werden - weniger Zucker, Fette und Salz. Das ist Ziel meiner Reduktions -und Innovationsstrategie.

Frage: Muss man dann künftig zwei Pizzen essen, um satt zu werden?

Julia Klöckner: Das Problem ist ja nicht, dass wir zu wenig Kalorien zu uns nehmen, sondern zu viel. Bei Fertignahrungsmitteln handelt es sich oft nicht um sättigende Kalorien, also nicht um nachhaltige Energiezufuhr. Das wollen wir ändern. Wir wollen niemanden seine Pizza oder Limonade verbieten – mir ist aber wichtig, dass jeder auf eine gesündere Variante zurückgreifen kann-in der Kantine, beim Einkauf, zu Hause.

Frage: Schmecken denn Salami, Brot und Schinken noch, wenn weniger Fett und Salz drin ist?

Julia Klöckner: Es geht ja um neue Entwicklungen. Gemeinsam mit der Wirtschaft, auch mit den vielen kleinen Bäcker- und Metzgerbetrieben. Unser Max-Rubner-Institut testet, wieviel Fett oder Salz reduziert werden kann, ohne dass sich der Geschmack wesentlich verändert. Zur Zeit laufen dort Tests mit "Berlinern". Beim Frittieren wird weniger Fett aufgesaugt, schmeckt aber weiter so lecker. Das ist also möglich.

Frage: Was ist mit importierten Produkten – z.B. italienischer Salami, Schweizer Käse? Oder gilt das nur für deutsche Hersteller?

Julia Klöckner: Die Vereinbarungen haben wir mit der deutschen Wirtschaft geschlossen. Und der Handel wird durch seine Eigenmarken und durch Anforderungen an seine Lieferanten Standards und Anreize setzen. Denn die Verbraucher fragen ja genau nach solchen Produkten, es ist ein anderes Bewusstsein da. Ganz gleich, ob deutsche und ausländische Hersteller - sie werden nachziehen, denn der deutsche Markt ist für sie sehr wichtig. Das ist der Durchbruch und der reformatorische Ansatz meiner Reduktions- und Innovationsstrategie.

Frage: Was ist mit der Salami aus dem 150-Jahre alten Traditionsfabrik aus Italien? Werden die auch Salz und Fett reduzieren?

Julia Klöckner: Ja, die machen mit, für den deutschen Markt. Darüber bin ich angenehm überrascht. Die sind viel weiter als wir glauben. Auch bei uns bieten kleine Familienunternehmen mittlerweile zwei Linien an. Innovationen kommen oft aus Deutschland, aber eben nicht nur.

Frage: Wem die reformierte TK-Pizza nicht mehr schmeckt, der bestellt sich dann einfach eine beim Lieferservice?

Julia Klöckner: Wir haben die Außer-Haus -Verpflegung natürlich auch auf der Agenda. In einem ersten Schritt wird die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihre Qualitätsstandards für Betriebskantinen und Schulkantinen überarbeiten. Der Erfahrung nach wird das ausstrahlen bis in die Schnellrestaurants. Wir fangen deshalb zunächst mit den Fertigprodukten an, weil Verbraucher zunehmend nach ihnen greifen.

Frage: Glauben Sie, dass Ihre Reduktionsstrategie wirklich das Übergewicht in der Bevölkerung stoppen kann?

Julia Klöckner: Klar ist: Es ist ein wichtiger Baustein, wenn auch nicht der alleinige. Am Ende ist aber jeder selbst mitverantwortlich. Der Staat kann bessere Rahmenbedingungen setzen, aber die Ernährungsentscheidungen treffen die Bürger selbst. Vor allem aber müssen wir Kinder und Jugendliche im Blick haben.

Frage: Es gibt viel Kritik daran, dass Ihre Vereinbarungen mit der Wirtschaft nur auf freiwilliger Basis sind und sie nicht umgesetzt werden.

Julia Klöckner: Es handelt sich bei meiner Vereinbarung mit der Wirtschaft um eine von beiden Seiten unterschriebene Selbstverpflichtung, die Raum für Innovationen lässt, die man gar nicht in ein Gesetz gießen kann. Und die Ernährungswirtschaft hat sich erstmalig dazu verpflichtet und will sich in ihren Schritten überprüfen lassen, Zucker, Fette und Salz in Fertignahrungsmitteln zu reduzieren. Das hat es zuvor noch nicht gegeben.

Frage: Wie wollen Sie das überprüfen?

Julia Klöckner: Wir richten ein Beratungsgremium ein, das sich aus Wissenschaftlern, Praktikern, Ärzten, Verbraucherschützern und den Ländern zusammensetzt. Dieses Gremium geht alle Schritte der Vereinbarungen mit. Den Prozess stellen wir auf unseren Internetseiten ein. Ganz transparent. Wir machen ein kontinuierliches, engmaschiges Monitoring. Im kommenden Herbst gibt es die erste Erfolgsüberprüfung. Wenn die Wirtschaft nicht mitmacht, werden wir weitere Maßnahmen prüfen.

Frage: Wäre ein Gesetz eine weitere Maßnahme?

Julia Klöckner: Zukünftige Forschungsergebnisse kann man gesetzlich ja nicht festschreiben. Aber was ohne Gesetz geht, lässt Raum für Erfahrungen, neue Entwicklungen.

Frage: Sie wollen die Vereinbarungen mit der Wirtschaft bis 2025 umsetzen. Wollen Sie die Menschen langsam an weniger Salz, Zucker und Fett gewöhnen?

Julia Klöckner: Das hängt auch von unserer Forschung auf dem Gebiet ab. Wir fördern zum Beispiel mit rund eineinhalb Millionen Euro gerade die Entwicklung von einem neuen, kalorienarmen Zucker – aus heimischen Zuckerrüben. Das ist eine echte Innovation. Wir setzen also in vielen Bereichen an. Letztlich geht es mir um eins: Ich möchte, dass sich die Verbraucher gesund ernähren können – mit Genuss.

Quelle: BILD Zeitung vom 19. Dezember 2018

Fragen von Larissa Krüger

Erschienen am im Format Interview

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