"Gesunde Wahl, einfache Wahl"

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der Zeitung "Allgemeine Zeitung"

Frage: Frau Bundesministerin, es gibt weltweit etwa 150 verschiedene Kennzeichen für Nährwerte auf den Lebensmittelverpackungen. Da finden sich Ampeln, Skalen und Tortendiagramme. Wie wollen Sie da für Klarheit sorgen, was ist geplant?

Julia Klöckner: Unser Lebensstil und unsere Lebensqualität hängen auch davon ab, wie viel wir uns bewegen, wie unsere persönliche Disposition ist und natürlich, wie wir uns ernähren. Die gesunde Wahl möchte ich zur einfachen Wahl machen. Auf Lebensmitteln gibt es zwar bereits die Nährwerttabelle auf der Rückseite. Da muss man aber fast Ernährungswissenschaften studiert haben, um im Alltag schnell durchzublicken. Deshalb wollen wir für die Vorderseite von Lebensmittelverpackungen ein optisches Modell entwickeln, das Verbrauchern mehr Orientierung gibt.

Frage: Wie könnte das aussehen?

Julia Klöckner: Von der "Ampel" auf Lebensmitteln in England haben sich selbst die Verbraucherzentralen verabschiedet. Es führt zur Verwirrung, wenn alle Farben leuchten, das war auch immer mein Argument. Es gibt "Nutri-Score", etwa in Frankreich. Das ist ein fünfstufiges Farbsystem, das Lebensmittel anhand der Mengen von Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren in der Gesamtheit bewertet. Nicht ohne Tücken. Ein Menü aus Schnitzel, Pommes und Light-Limonade hätte mit "Nutri-Score" eine positive Kennzeichnung; gesundes Olivenöl das Gegenteil. Der Vorschlag der Lebensmittelindustrie mit Kreisen und Prozentzahlen ist interessant, aber kompliziert. Die Ernährungswissenschaftler meines Max-Rubner-Institutes haben deshalb unabhängig ein eigenes System entwickelt, das die Vorteile mehrerer Modelle kombiniert. Wir wollen nun im Sommer eine Verbraucherbefragung starten. Ziel ist, die neue Kennzeichnung in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Leider hat sich die EU-Kommission nicht zu einem europaweit einheitlichen Kennzeichnungssystem durchgerungen, sodass folglich die Nationalstaaten solche Kennzeichnungen nicht verpflichtend für alle vorgeben dürfen.

Frage: Apropos Verpackungen: Sie wollen dafür sorgen, dass Kunststoffverpackungen bei Lebensmitteln reduziert werden. Doch was kann man mit Freiwilligkeit erreichen?

Julia Klöckner: Mit jährlich 220 Kilogramm Plastikmüll pro Kopf liegen wir in Deutschland über dem europäischen Durchschnitt. Deshalb haben wir ein Bundesprogramm zur Reduzierung von Verpackungen und einen Leitfaden für verpackungsfreie Supermärkte aufgelegt. Nicht jede Gurke muss man noch einschweißen. Mit drei Millionen Euro haben wir ein Forschungsprojekt für intelligentere und innovative Verpackungen gefördert, etwa Verpackungen, die mehrfach nutzbar oder ökologisch abbaubar sind. So haben Forscher einen Plastiktüten- oder Kaffeebecherersatz aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais entwickelt. Es gibt nachhaltige Lösungen aus Makro-Algen. Nehmen Sie die Tütchen beim Obst und Gemüse im Supermarkt: Die könnte man auch durch biologisch abbaubare Tüten ersetzen.

Fragen von Markus Lachmann

Erschienen am im Format Interview

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