Die Land- und Forstwirtschaft wird einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen.

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit "Focus"

Frage: Frau Ministerin, nach einer Hitzewoche mit über 40 Grad werden Erinnerungen an den Dürresommer 2018 wach. Trocknet Deutschland aus?

Julia Klöckner: Alle Vorhersagen für den Verlauf des Sommers sind Spekulation. Aber ich nehme die Sorgen der Landwirtschaft vor einem weiteren Dürresommer ernst, die Situation beobachten wir. Und wir helfen und treffen Vorbereitungen, die jetzt möglich sind.

Frage: Was meinen Sie genau?

Julia Klöckner: Ich habe mich zum Beispiel für die sogenannte Gewinnglättung eingesetzt, sodass Bauern gute und schlechte Erntejahre steuerlich ausgleichen können. Das ist eine wirksame Maßnahme. Die EU hat dem zugestimmt. Die erforderliche Gesetzesänderung soll demnächst ins Kabinett. Zudem wird der Steuersatz bei der Dürreversicherung auf 0,3 Promille der Versicherungssumme abgesenkt werden. Dazu waren wir seit dem vergangenen Sommer in intensiven Gesprächen mit dem Bundesfinanzministerium – mit Erfolg.

Frage: Senken denn die Versicherer wirklich ihre Prämien?

Die Versicherungswirtschaft ist jetzt gefordert, auf dieser Basis attraktive Angebote zu machen, damit die Bauernfamilien eigenverantwortlich vorbeugen können. Mit den Ländern werden wir auf der Agrarministerkonferenz im Herbst überdies das Thema Risikovorsorge erörtern. Außerdem leistet die gemeinsame europäische Agrarpolitik mit den Direktzahlungen einen Beitrag zur Risikoabsicherung in der Landwirtschaft.

Frage: Nicht nur die Landwirtschaft ist bedroht. Experten sagen, dass auch die Wälder in einigen Regionen schon jetzt schwer geschädigt sind.

Julia Klöckner: Wir brauchen gesunde Bäume und Wälder, sie schützen das Klima, sie liefern Holz, erhalten die Biodiversität. Die massiven Waldschäden aus dem vergangenen Jahr sind schlimm. Da war zum einen die Trockenheit, die die Bäume schon geschwächt hat. Dazu kamen Stürme und der Borkenkäferbefall, der leider weiter anhält. Das hat zu großen Mengen an Schadholz geführt.

Frage: Wie hoch ist der Schaden?

Julia Klöckner: Im vergangenen Jahr sind mehr als 30 Millionen Kubikmeter Schadholz entstanden, also kaputtes Holz, das aus dem Wald raus muss. Wie groß der Schaden aber tatsächlich ist, das werden wir genau erst in einigen Jahren wissen. Klar ist leider, dass in der Forstwirtschaft die Arbeit von Generationen betroffen ist. Wichtig ist daher jetzt, den Wald fit für die Zukunft zu machen …

Frage: … was soll das denn genau heißen, „fit für die Zukunft“?

Julia Klöckner: Zum Beispiel fördern wir über den Waldklimafonds Forschungen und Projekte, mit denen der Wald an den Klimawandel angepasst werden kann. Mit einer sorgfältigen Durchforstung und gezielter Herkunftsauswahl der Bäume können Waldbesitzer Schäden beispielsweise mindern.

Frage: Wegen der hohen Ernteeinbußen haben Bund und Länder die Landwirte 2018 mit 340 Millionen Euro unterstützt. Sind für dieses Jahr denn weitere Hilfsprogramme geplant, wenn sich so ein Sommer wiederholt?

Julia Klöckner: Staatliche Unterstützung gibt es nicht nach Gefühl oder subjektiver Prognose. Wir beobachten die Lage genau und tauschen uns mit den Ländern aus, denn die Situation ist in den Regionen unterschiedlich. Allerdings müssen staatliche Dürrehilfen immer die Ausnahme bleiben.

Frage: Wer kann denn auf Dürrehilfe hoffen?

Julia Klöckner: Hilfen gab es vergangenes Jahr nur für diejenigen, deren Betriebe in ihrer Existenz bedroht waren. Das ist richtig und wichtig. Ich habe immer deutlich gemacht, dass wir mit den Dürrehilfen sorgfältig umgehen müssen – es ist Steuergeld.

Frage: Experten sagen voraus, dass extreme Wetterereignisse zunehmen und Ernteausfälle zur Regel werden könnten. Soll dann immer der Staat einspringen?

Julia Klöckner: Staatliche Hilfe muss die Ausnahme bleiben – für Schadereignisse nationalen Ausmaßes. Außerdem gehe ich nicht davon aus, dass Ernteausfälle zur Regel werden, wohl aber, dass wir vermehrt mit Extremwetter zu tun haben werden. Wir alle – auch, aber nicht nur die Landwirtschaft – sind gefragt, uns auf den Klimawandel einzustellen. Wer den Klimawandel noch immer leugnet, setzt viel aufs Spiel, vor allem die Einsicht zum Umdenken und Handeln.

Frage: Wie können sich die Bauern denn auf den Klimawandel einstellen?

Julia Klöckner: Die Land- und Forstwirtschaft wird einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen.

Frage: Was heißt das konkret?

Julia Klöckner: Landwirte können Beregnungsanlagen installieren und wissenschaftliche Erkenntnisse über standortangepasste Anbautechniken sowie neue Züchtungen von widerstandsfähigeren Pflanzen nutzen. Sie können spezielle Sommerfrüchte säen, die die noch vorhandene Winterfeuchtigkeit am besten ausnutzen, beziehungsweise die Früchte recht früh säen, um die Winterfeuchtigkeit optimal zu nutzen. Oder sie können trockenstresstolerante Sorten auswählen. Es ist auch nicht jeder gleich betroffen. Die Apfel- und die Traubenernte waren 2018 zum Beispiel enorm gut. Allerdings müssen wir damit rechnen, dass es immer mal wieder zu größeren Ertragsschwankungen kommen kann.

Frage: Bedeutet das dann höhere Preise?

Julia Klöckner: Das kann es bedeuten, auf den Agrarmärkten spielen viele Faktoren eine Rolle. Aber grundsätzlich wirkt sich ein durch Ernteausfälle verknapptes Angebot nach den Gesetzen der Marktwirtschaft natürlich entsprechend auf die Preise aus.

Frage: Kann die grüne Gentechnik bei der Dürre helfen?

Julia Klöckner: Ich bin gegen Scheuklappen. Vor allem mit Blick auf 800 Millionen Menschen, die weltweit hungern, brauchen wir Pflanzen, die resistent sind gegen Wetterkapriolen und Klimawandel. Wir dürfen deshalb bei der Pflanzenforschung und -züchtung nicht nachlassen. Die Gentechnik pauschal abzulehnen und sie vollständig außen vor zu lassen wäre kurzsichtig. Sie kann in wirklich trockenen Regionen der Welt helfen, das Überleben der Menschen dort zu sichern.

Frage: Muss sich wegen des Klimawandels nicht auch unser Ernährungs- und Konsumverhalten ändern?

Julia Klöckner: Die Verbraucher sind durch die aktuelle Diskussion über Klimaschutz und Klimawandel so sensibilisiert wie wahrscheinlich selten zuvor. Immer mehr hinterfragen ihr eigenes Konsumverhalten, denken über ihren CO2-Fußabdruck nach …

Frage: … und kaufen dann mit schlechtem Gewissen im Supermarkt trotzdem Billigfleisch oder Obst aus Übersee.

Julia Klöckner: Das zeigt: Es ist zu einfach, die Landwirtschaft für alles verantwortlich zu machen, aber weiterhin unbekümmert sein Billigschnitzel essen, seine Kreuzfahrt machen und emissionsstarke Autos fahren zu wollen. Wir sind alle gefragt. Ich will keinem seinen Spaß vermiesen und den moralischen Zeigefinger erheben, weil das am Ende gar nichts bringt. Wir müssen aber bereit sein, stärker über diese Zielkonflikte zu reden. Das gilt auch für den Umgang mit Lebensmitteln.

Frage: Was meinen Sie damit?

Julia Klöckner: Allein in Deutschland werden jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, das sind pro Kopf rund 55 Kilogramm. Ethisch ist das nicht vertretbar. Mein politisches Ziel ist es, die Lebensmittelverschwendung durch meine nationale Strategie einzudämmen und bis 2030 zu halbieren. Dafür nehme ich alle Sektoren entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht. Das hat vor allem etwas mit Wertschätzung zu tun. Es tut weh, wenn die harte Arbeit so vieler Bauern einfach im Mülleimer landet und außerdem wertvolle Ressourcen verschwendet werden. Denn allein für die Produktion eines Apfels werden etwa 70 Liter Wasser benötigt.

Fragen von Daniel Goffart

Erschienen am im Format Interview

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