Dialog statt Schwarz-Weiß-Denken

Namensartikel der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, in verschiedenen Tageszeitungen

In dieser Woche lädt unser Ministerium zu einer Nachhaltigkeitskonferenz ein. Jeder kann mitdiskutieren, wenn wir in den Dialog gehen: Jugendorganisationen, Politik, Landwirtschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Denn genau das fehlt an vielen Stellen: ein echter, ein ehrlicher, ergebnisoffener Dialog. Vor allem dann, wenn es um Landwirtschaft geht. Nicht romantisches Bullerbü-Denken, sondern Fakten, Modernität und Realität sind gefragt. Während wir selbstfahrende Busse in der Stadt bestaunen, sind das autonome Fahren auf dem Acker, der Melkroboter im Stall schon längst Normalität. Und zwar zu unserem Wohle: Mitdigitaler Technik werden Tierwohl gemessen oder Pflanzenschutzmittel eingespart.

Dennoch: Mehr als bei anderen Themen rutschen wir ab in ein Schwarz-Weiß-Denken, in Schlagworte, in Schuldzuweisungen. Von Ackergiften und Agrarfabriken ist die Rede - ohne zu wissen, was denn genau gemeint ist. Und gleichzeitig will man selbst unbehelligt bleiben: Fleisch von Tieren, die nie geschlachtet wurden, Obst und Gemüse ohne Pflanzenschutzmittel. Aber den Salatkopf mit Schädlingen will keiner. Es ist paradox: Gerade weil oder obwohl wir alle essen und trinken, ist der Dialog zwischen Landwirtschaft und Verbraucherschaft verloren gegangen. Und darüber verlieren wir das Wesentliche aus dem Blick: Dass Landwirtschaft immer auch ein Produkt dessen ist, was von uns Verbrauchern nachgefragt wird.

Denn wenn wir einkaufen, dann entscheiden wir mit unserem Geldschein mit, wie erzeugt wird. Und solange wir nur die schönsten Äpfel, die perfekte Gurke akzeptieren solange müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das seinen Preis hat: den der Erntesicherung durch Pflanzenschutzmittel, der Lebensmittelverschwendung, wenn Gemüse nicht der Norm entspricht. Aber: Gerade deshalb brauchen wir ein ideologiefreies, unvoreingenommenes Miteinander - zuhören, lernen, wertschätzen. Zielkonflikte müssen wir wieder stärker benennen und gemeinsam lösen.

Lebensmittelproduktion wird nie ganz ohne Emissionen funktionieren. Aber wir können sie reduzieren. Nicht durch Verbote, sondern durch Innovationen. Gerade mit dem Klimapaket, das wir als Bundesregierung im September verabschiedet haben, haben wir konkrete Maßnahmen beschlossen, um die Treibhausgasemissionen durch Landwirtschaft bis 2030 um elf bis 14 Millionen Tonnen CO2-Äquvivalente zu reduzieren. Darüber hinaus haben wir zum Schutz unserer Insekten das Aktionsprogramm Insektenschutz
beschlossen.

Wichtig ist, dass wir Veränderungen so gestalten, dass sie nicht zum Schaden der Landwirtschaft, sondern zu ihrem langfristigen Nutzen sind. Damit regionale Produktion, die wir Verbraucher ja so schätzen, auch morgen noch möglich ist. Dass wir unterstützen - dass wir aber auch anerkennen, was Landwirtschaft schon leistet. Denn Bauern tun das mit vielen Initiativen und dem Bewusstsein, dass auch die Kinder und Enkel auf ihren Flächen erfolgreich wirtschaften wollen. Auch deshalb brauchen wir den Dialog. Nicht mit der Schwarz-Weiß-Schablone. Sondern mit der gesamten Farbpalette, die wir dazu brauchen, um Produzenten und Konsumenten gerecht zu werden. Denn beide sitzen im selben Boot.

Erschienen am im Format Interview

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