Wir brauchen die Bauern vor Ort, um regionale Lebensmittel kaufen zu können.

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der "Passauer Neue Presse"

Frage: Frau Klöckner, Produkte der regionalen Landwirtschaft werden von den Verbrauchern offenbar gerade in der Corona-Krise mehr geschätzt. Ernähren sich die Deutschen jetzt deutlich bewusster und gesünder?

Julia Klöckner: Ich freue mich, dass für 39 Prozent der Befragten die Landwirtschaft wichtiger geworden ist. Hoffentlich hält das an. Das sollte ein Trend werden, keine Corona-Momentaufnahme. Wir brauchen die Bauern vor Ort, um regionale Lebensmittel kaufen zu können. Unser Report zeigt, dass den Verbrauchern Abwechslung auf den Tellern wichtig ist. Das Kochen mit frischen Produkten hat zugenommen. Klar, das Essen soll schmecken, zudem gesund sein. Dass das im Alltag leicht gelingt, sich ausgewogen zu ernähren, dabei wollen wir helfen. Mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen, Kennzeichnungen müssen nachvollziehbar sein. Dann treffen Verbraucher auch bewusste Entscheidungen.

Frage: Laut ihrem "Ernährungsreport 2020" hat der Fleischkonsum der Deutschen deutlich abgenommen. Worauf führen Sie die Entwicklung zurück?

Julia Klöckner: In Deutschland wird weiterhin Fleisch gegessen, es gibt lediglich ein Prozent Veganer, fünf Prozent Vegetarier. Der Trend geht zu Flexitariern. Also zu Fleischessern, die gelegentlich bewusst darauf verzichten. "Sowohl als auch" statt "Entweder oder". Für eine ausgewogene Ernährung muss es nicht jeden Tag Fleisch sein. Nicht umsonst wird vom Sonntagsbraten gesprochen. Aber die Ergebnisse zeigen ja, dass die große Mehrheit nicht dogmatisch ist, was ihre Ernährungsgewohnheiten angeht. Und deshalb schreibt der Staat auch nicht den privaten Einkaufszettel.

Frage: Die Grünen fordern einen höheren Preis für Fleisch, um das Tierwohl zu verbessern. Was spricht dagegen?

Julia Klöckner: Der Preis führt nicht automatisch zu mehr Tierwohl, wenn die Marge für den höheren Preis nicht beim Tierhalter ankommt. Grundsätzlich: Fleisch zu Dumpingpreisen, Fleisch als Ramschware ist nicht nur unanständig, da kann auch nicht mehr Tierwohl drinstecken. Ich will die Tierhaltung in Deutschland umbauen - für mehr Tierwohl und gesellschaftliche Akzeptanz. Aber das geht nur mit den Landwirten. Sie müssen wir unterstützen. Fleisch kostet dann mehr, wenn höhere Standards eingehalten, Ställe für mehr Platz erweitert werden. Ohne staatliche Förderung wird das nicht funktionieren. Denn wir sehen, dass Verbraucher zwar verbal aufgeschlossen sind, mehr für tierwohlgerechtere Produkte zu zahlen, die Realität an der Ladentheke oftmals aber eine andere ist. Deshalb habe ich die sogenannte Borchert-Kommission eingesetzt, die ein Konzept zum Umbau der Tierhaltung mit Optionen zur Finanzierung vorgelegt hat. Die Abgeordneten des Bundestags wollen sich mit den Empfehlungen eingehend befassen. Wir brauchen hier einen breiten politischen Konsens.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 30. Mai 2020

Fragen von Andreas Herholz

Erschienen am im Format Interview

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