Bäuerinnen sind die Zukunft

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit dem "EMMA-Magazin"

Frage: Frau Ministerin Klöckner, der Deutsche Bauernverband hat den Ruf eines „Bollwerks gegen Frauen“. In 14 Landesverbänden ist keine Frau an der Spitze. Was kann passieren, damit sich das ändert?

Julia Klöckner: Landwirtschaft ist nicht allein Männersache – im Gegenteil. Betrieb, Haushalt, Kinder, Buchführung … Viele Frauen erfüllen auf den Höfen nicht nur eine Doppel-, sondern eine Drei- oder Vierfachrolle. Da fehlt oft schlicht die Zeit, sich in Verbänden zu engagieren. Aber ich halte es für einen Fehler, dass der Bauernverband es den Frauen nicht leichter macht, einzusteigen. Es geht um passende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Die Arbeit würde von den Sichtweisen und Erfahrungen der Frauen sehr profitieren. Es wäre schlicht auch ein Stück Normalität.

Frage: Und was können Sie als Ministerin tun, um die Lage der Landfrauen generell zu stärken?

Julia Klöckner: Als ich Ministerin wurde, habe ich ein eigenes Referat eingerichtet, das sich vorrangig mit dem Thema Landfrauen beschäftigt. Die ländlichen Räume sind auf starke und selbstbewusste Landfrauen angewiesen. Ihre Belange will ich sichtbarer machen. Dazu braucht es verlässliche Daten und Fakten. Mit mehr als einer halben Million Euro fördere ich daher eine Studie, die die Lebenssituation von Landfrauen erforscht. Wie ist ihr sozialer Status, wie ist ihre Absicherung, wie unabhängig sind sie? Gleichberechtigung muss sich auch im Einkommen niederschlagen.

Frage: Apropos Einkommen. Schätzungen zufolge arbeiten bis heute noch bis zu 40 Prozent der Frauen als „mithelfende Familienangehörige“ auf den Höfen. Das heißt, sie erhalten nur sehr geringen Lohn, zahlen nicht oder kaum in die Sozialversicherung ein und sind wirtschaftlich nicht abgesichert. Müssten da nicht auch andere Gesetze und eine verstärkte Aufklärung her?

Julia Klöckner: Dafür Bewusstsein zu schaffen ist wichtig. Viele Frauen helfen auf den Höfen, weil es für sie selbstverständlich ist. Um später aber gut abgesichert zu sein, muss in die Systeme entsprechend eingezahlt werden. Das müssen sich Familien – nicht nur in der Landwirtschaft – früh klarmachen. Die jungen Frauen, die heute in einen Hof einheiraten, haben allerdings schon eine ganz andere Sensibilisierung für die Altersabsicherung.

Frage: Aber wie sieht die Rolle der Landwirtinnen heute generell aus?

Julia Klöckner: Es sind oft die Landwirtinnen, die die sozialen Brücken nach außen bauen, die im Gemeindeleben verankert sind und sich ehrenamtlich engagieren. Ihnen geht es aber vor allem um Perspektiven, die darüber hinausgehen. Um qualifizierte Arbeitsmöglichkeiten, modernes Leben mit digitaler Anbindung und eine Infrastruktur zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie sind oft zukunftsorientiert und offen für neue Konzepte. Mehrheitlich sind es Frauen, die neben der landwirtschaftlichen Produktion neue Geschäftszweige aufbauen: Hofläden, Milchtankstellen, Ferienwohnungen.

Frage: Zurzeit wird die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ gegründet. Sind Frauen ein Thema in dieser Kommission?

Julia Klöckner: Dafür werde ich sorgen! Der Bauernverband und ‚Land schafft Verbindung‘ haben den Auftrag bekommen, die Kommission auf den Weg zu bringen. Mir ist wichtig, dass Frauen hier vertreten sind und sich einbringen können. Was meine Arbeit betrifft, lege ich Wert darauf, dass etwa Gremien möglichst paritätisch besetzt werden. Das wissen auch die Verbände, die mitmachen wollen. Und auf einmal werden dann kluge Frauen aus der zweiten und dritten Reihe hervorgezaubert, die bislang nie zum Zuge gekommen sind. Manchmal muss frau eben etwas nachhelfen.

Quelle: EMMA Magazin-Ausgabe 4/2020

Erschienen am im Format Interview

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