Wir haben keine Alternative, als um und mit dem Wald für eine gute Zukunft zu kämpfen

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der Main-Post Würzburg

rage: Wird es hier in Unterfranken in 20 fahren noch möglich sein, durch den Wald zu laufen?

Julia Klöckner: Es muss möglich sein - in 20, 50 oder auch 100 Jahren. Ohne den Wald werden wir nicht überleben. Er ist unsere grüne Lunge, hilft uns, den Klimawandel zu drosseln. Der Wald ist ein Alleskönner: von der Reinigung unseres Wassers und der Luft bis hin zum Erhalt der Artenvielfalt. Wir haben keine Alternative, als um und mit dem Wald für eine gute Zukunft zu kämpfen.

Frage: Wie wird dieser Kampf hier aussehen?

Julia Klöckner: Hier in Unterfranken sieht man schon Schäden, die man woanders noch nicht sieht. Aber dadurch wissen wir, was auf uns zukommt. Was wir vor allem tun müssen: klima- und schädlingsresiliente Bäume pflanzen. Wir haben die größte Wiederaufforstungsinitiative in der Geschichte Deutschlands gestartet. Das Forschungsinstitut meines Ministeriums arbeitet dabei intensiv mit. Es ist eine Jahrhundertaufgabe. /5t der Wald hier also das „Versuchskaninchen" Deutschlands im Klimawandel? KLÖCKNER: Wenn der Klimawandel zuschlägt, haben wir nur einen Versuch. Deshalb müssen wir jetzt richtig reagieren. Unterfranken ist als Referenzregion sehr geeignet.

Frage: Pflanzen, pflanzen, pflanzen ist also die Devise. Doch ob es ein neuer Baum schafft, scheint im Klimawandel ein Glücksspiel. Sollten jetzt überhaupt noch gesunde Bäume gefällt werden, oder sollte man die Natur nicht lieber sich selbst überlassen?

Julia Klöckner: Ich halte schützen durch nachhaltige Nutzung für die richtige Strategie. Es geht um einen Mix von Naturverjüngung und aktiver Pflanzung. Die Zeit, den Wald sich selbst zu überlassen, haben wir im Klimawandel nicht. Und wenn wir Mischwälder wollen, wäre es in Nadelwäldern nicht klug, allein auf Naturverjüngung zu setzen. Wir müssen vor Ort entscheiden, was das Richtige ist. Dafür brauchen wir genügend Forstpersonal.

Frage: In Bayern sind 3000 VoHzeitsteUen seit 1993 in der Forstwirtschaft abgebaut worden - das sind 44 Prozent aller Beschäftigten. Es gibt zu wenige Förster in der Fläche.

Julia Klöckner: : Zuständig für Forstpersonal sind die Länder. Wir als Bund stellen viel Geld aus dem Klimafonds und der Coronasoforthilfe zur Verfügung. Zusammen mit den Ländern sind es l,5 Milliarden, um Waldschäden zu beseitigen, um zu forschen, um das Bauen mit Holz zu fördern, um klimaangepasst wiederaufzuforsten und Verbissschäden vorzubeugen.

Frage: Apropos Verbiss: Die neuen Bäume ohne zusätzliche Maßnahmen zu pflanzen, könnte man schon fast als „Wildfütterungsprogramm" bezeichnen, oder? In Unterfranken werden auf fast 50 Prozent der Flächen junge Bäume zu stark vom Rehwild abgeftessen.

Julia Klöckner: Es geht nicht um „Wald vor Wild" oder „Wild vor Wald". Beides muss in einer guten Koexistenz funktionieren. Wir brauchen Jägerschaft und Forstleute. Klar ist: Wenn alles vertrocknet und an einer Stelle gibt es neue Pflanzungen, dann ist das für das Wild wie eine Einladung zum Büffet.

Frage: Also, ohne mehr Rehe zu schießen, wird es nicht gehen?

Julia Klöckner: Das kommt auf die konkrete Lage vor Ort an. Zielkorridore sind sinnvoll, mit Mindest- und Maximalabschüssen. Das Wild braucht Lebensraum - die Jungpflanzen brauchen ihn auch, deshalb ist Verbissschutz wichtig. Das geht nur gemeinsam.

Frage: Fichten verschwinden, die Erntezyklen werden länger. Kann man mit Holz überhaupt noch Geld verdienen?

Julia Klöckner: Zurzeit legen Waldbesitzer drauf. Der Holzmarkt ist geflutet, die Preise sind im Keller. Wir helfen den Waldbesitzern, darunter vielen Kommunen. Denn aktuell fehlt vielen die Liquidität.

Frage: Wird man in Zukunft wieder Geld mit dem Wald verdienen?

Julia Klöckner: : Wir wollen die Leistung des Waldes honorieren, um das Einkommen auf breitere Füße zu stellen. CO2-Emissionen haben einen Negativpreis. Waldbesitzer, die CÜ2 senken, sollten dann umgekehrt auch dafür entlohnt werden.

Frage: Wollen Sie die Holzbauweise staatlich fördern?

Julia Klöckner: Ja, 100 Millionen Büro haben wir für das Thema „Bauen mit Holz" vorgesehen. Ich bin dankbar, dass Horst Seehofer als Bundesbauminister mit seinen Länderkollegen die Bauordnungen anpasst, die bisher höherstöckige Holzbauten nicht zuließen, obwohl sie sicher sind.

Quelle: Main-Post Würzburg vom 20. Oktober 2020

Fragen von Angelika Kleinhenz

Erschienen am im Format Interview

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