Sommerurlaub auf dem Land kann ich mir gut vorstellen

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der Berliner Morgenpost

Frage: Was fällt Ihnen auf, wenn Sie im Supermarkt einkaufen?

Julia Klöckner: Der neue Umgang miteinander. Die Verbraucher nehmen viel Rücksicht, achten auf Abstand, und ich habe den Eindruck, dass die Leute freundlicher zueinander sind. Auf dem Land - ich beobachte das bei mir zu Hause in Rheinland-Pfalz - kriegt man im Supermarkt eigentlich alles. Und als ich vor wenigen Tagen in Berlin einkaufen war, stand ich auch wieder vor gut gefüllten Regalen.

Frage: Keine Engpässe mehr?

Julia Klöckner: Nein, zumindest nicht flächendeckend, abgesehen vielleicht von Desinfektionsmitteln oder Hefe. Die Engpässe, die es zeitweise gab, hatten vor allem logistische Gründe. Darauf haben wir reagiert, etwa mit flexibleren Lenkzeiten für Lkw-Fahrer und einer Extraspur für Lebensmitteltransporte an den deutschen Grenzen. Außerdem haben wir die Branchen in der Lebensmittelkette als systemrelevant eingestuft. So können die Mitarbeiter ihre Kinder bei Bedarf in die Notbetreuung der Kitas bringen.

Frage: Und die Hamsterkäufe?

Julia Klöckner: Von Anfang an habe ich klargemacht: Es ist genug für alle da, wenn wir uns solidarisch verhalten. Und nach allem, was wir auch aus der Ernährungswirtschaft hören, haben die sogenannten Hamsterkäufe merklich nachgelassen. Für mich ist wichtig, dass die vielen gekauften Lebensmittel auch verbraucht werden, solange sie genießbar sind, und nicht in der Tonne landen.

Frage: Einkaufen mit Mundschutz - wie lange wird das nötig sein?

Julia Klöckner: Wir sollten nicht von Lockerungen reden, wenn die Maskenpflicht gerade erst in Kraft tritt. Es wäre falsch, jetzt leichtsinnig zu werden. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist für uns alle ungewohnt. Aber wenn wir uns alle daran halten, gibt es eher eine Chance, dass die Maske nicht für längere Zeit zur Normalität wird. In asiatischen Staaten ist der Mundschutz zu einem normalen Kleidungsstück geworden - gerade beim Einkaufen. Ich will da nicht spekulieren. Ich wünsche mir nicht, dass wir in Deutschland dauerhaft Mundschutz tragen müssen. Einer besonderen Belastung sind Mitarbeiter an der Supermarktkasse ausgesetzt. Haben sie einen Krisenzuschlag verdient? Ich habe einen Riesenrespekt auch vor diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es war wichtig, dass viele Betreiber den Arbeitsschutz erhöht haben - etwa durch Plexiglasscheiben an den Supermarktkassen. Im Übrigen verdient der Lebensmittelhandel im Vergleich zu anderen Branchen ja sehr gut. Die Bundesregierung hat es ermöglicht, einen Corona-Bonus steuerfrei zu stellen. Ich würde mich freuen, wenn auch viele Arbeitgeber in der Lebensmittelbranche ihren Mitarbeitern einen Bonus zahlen - verdient hätten sie ihn.

Frage: Was sagen Sie den Menschen, die Ansteckung über Lebensmittel fürchten?

Julia Klöckner: Das haben wir untersuchen lassen von unserem Institut für Risikobewertung. Unsere Wissenschaftler dort halten es nach derzeitigem Wissensstand für unwahrscheinlich, dass über Alltagsgegenstände oder auch Lebensmittel das Virus übertragen wird. Es ist aktuell kein Fall bekannt. Aber auch unabhängig von Corona empfehle ich, die klassischen Hygieneregeln für den Umgang mit Fleisch oder Gemüse in der Küche zu beachten. Und natürlich: regelmäßig Hände waschen.

Frage: Haben die Bauern inzwischen genügend Erntehelfer, um die Versorgung zu sichern?

Julia Klöckner: Sehr schnell haben wir in der Bundesregierung eine Antwort gegeben auf die schwierige Situation, die nach der Schließung der Grenzen entstanden ist. Wir mussten Zielkonflikte lösen, Infektionsschutz und die Sicherung der Lebensmittelversorgung zusammenbringen. Auf der Grundlage von klaren Regeln des Gesundheitsschutzes haben wir eine Einreisemöglichkeit für Erntehelfer geschaffen. Dabei hat uns das Robert-Koch-Institut beraten. Unser Ziel ist, Pflanzungen zu ermöglichen, Ernten und Versorgung für die Bevölkerung zu sichern. Dazu sind vor allem Profis wichtig, die seit Jahren nach Deutschland kommen aber jetzt unter erhöhten Gesundheitsstandards arbeiten.

Frage: Ein rumänischer Erntehelfer ist in Südbaden in seinem Wohncontainer gestorben. Der 57-Jährige hatte sich mit Corona infiziert. Ist das Gesundheitsrisiko bei der Spargelernte zu verantworten?

Julia Klöckner: Es ist immer tragisch, wenn ein Mensch verstirbt, und das auch noch fern seiner Heimat und vielleicht sogar fern seiner Familie. Deshalb haben wir unter Einbeziehung des Robert-Koch-Instituts und weiterer Ministerien klare Regeln für Arbeit und Unterbringung von Saisonarbeitskräften geschaffen. Dazu gehören Quarantänevorschriften und Arbeitsschutzstandards. Diese Vorschriften müssen unbedingt befolgt werden - auch wenn das Zeit und Geld kostet. Die Bundesländer sind in der Pflicht, die Einhaltung dieser Regeln zu überprüfen.

Berliner Morgenpost: Es gibt Bilder von Spargelhöfen, die nicht nur Virologen entsetzen: Erntehelfer sitzen dicht an dicht in den Unterkünften. Versagt die Kontrolle der Länder?

Julia Klöckner: Jeder Landesminister - ganz gleich welcher Parteifarbe - hat darum gebeten, dass wir eine Lösung für Saisonarbeitskräfte finden, damit Ernten nicht vernichtet werden, damit regionale Erzeugung von Obst und Gemüse möglich bleibt. Diese Lösung haben wir geliefert, sehr verantwortungsvoll. Jetzt ist es die Aufgabe der Länder, genauso verantwortungsvoll die Einhaltung der Auflagen sicherzustellen. Die Alternative wäre, dass keine Arbeitskräfte aus dem Ausland mehr kommen, Ernten verderben oder erst gar nicht gepflanzt wird. Ich habe in einem Brief an meine Länderkollegen noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Auflagen auch mit den Gesundheitsämtern vor Ort zu besprechen, einzuhalten und zu kontrollieren.

Frage: Wie steht es um den Urlaub auf dem Bauernhof?

Julia Klöckner: Beim Sommerurlaub müssen wir mit Bedacht vorgehen und uns schrittweise an vertretbare Lockerungen herantasten. In großen Hotels, in denen am Frühstücksbuffet Hunderte Gäste aufeinandertreffen, ist Urlaub aktuell in der Tat schwer vorstellbar. Hier würde es wahrscheinlich schwer werden, Infektionsketten nachzuvollziehen. Aber im ländlichen Raum gibt es viele kleine Ferienwohnungen bis hin zum Urlaub auf dem Bauernhof mit eigenem Wohnbereich. Auch in vielen Landgasthöfen mit großen Außenbereichen gibt es Platz für ausreichend Abstand zueinander. Für diese Bereiche könnte ich mir gut vorstellen, dass sie Teil unserer Urlaubsplanungen sein könnten, wenn Abstands- und Hygieneregeln auch wirklich einzuhalten sind. Aber damit wir uns richtig verstehen: Keine Gruppenreisen mit Disco- und Barbesuchen.

Frage: Eine Frage an die CDU-Vizechefin, Frau Klöckner: Bietet sich in Zeiten der Pandemie eine Kampfkandidatur um den Parteivorsitz an?

Julia Klöckner: Das Coronavirus kann nicht für alles herhalten. Die Demokratie darf nicht Pause machen. Und Demokratie heißt auch Wettbewerb um den Vorsitz einer Partei. Es ist doch gut, dass die CDU gesegnet ist mit mehreren guten Kandidaten. Da tun sich andere Parteien deutlich schwerer.

Frage: Muss der neue Parteichef - und mögliche Kanzlerkandidat - ein guter Krisenmanager sein?

Julia Klöckner: Selbstverständlich! Ganz unabhängig von Corona.

Frage: Besonderen Zuspruch erfährt gerade das Krisenmanagement des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Wie wahrscheinlich ist es, dass nach Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber zum dritten Mal ein CSU-Politiker für die Union antritt?

Julia Klöckner: Jetzt wählen wir erst einmal den CDU-Vorsitzenden. Dann werden sich CDU und CSU zusammensetzen und einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten benennen.

Quelle: Berliner Morgenpost vom 27.April 2020

Fragen von Jochen Gaugele, Theresa Martus

Erschienen am im Format Interview

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