Es wird keiner hungern müssen

Bundesagrarministerin Klöckner appelliert an Vernunft der Verbraucher beim Kauf von Lebensmitteln

Bundesministerin Julia Klöckner im Interview mit der "Passauer Neue Presse"

Frage: Frau Klöckner, der Ruf nach einer Lockerung der Corona-Beschränkungen wird lauter. Muss jetzt schnell eine Exit-Strategie entwickelt werden, damit die Wirtschaft wieder anlaufen kann?

Julia Klöckner: Die Lage wird immer wieder neu beurteilt. Als Staat haben wir dabei stets transparent gemacht, weshalb und auf welcher Datenbasis die Beschränkungen gelten. Sich an diese Regeln zu halten, kann Leben retten, die Gesundheit steht an erster Stelle. Und deshalb müssen Fakten und die Empfehlungen der Experten ausschlaggebend sein, nicht das Gefühl. In der momentanen Situation geht es noch darum, pragmatisch zu helfen, die Auswirkungen auch für die Wirtschaft abzupuffern. Vergangene Woche wurde ein nie dagewesenes Hilfspaket verabschiedet. Natürlich denken wir auch an die Zeit danach und was dann zu tun ist.

Frage: Leere Regale in den Supermärkten. Kein Ende der Hamsterkäufe. Wie steht es um die Versorgungssicherheit in der Krise?

Julia Klöckner: Ich möchte auch an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln in Deutschland ist gesichert. Dank unserer Bauern - es zeigt sich gerade jetzt, wie wichtig eine multifunktionale und flächendeckende Landwirtschaft ist, die heimische Erzeugung. Deshalb gibt es keinen Grund, massenweise Lebensmittel zu horten. Dass Bürger vor leeren Regalen stehen, ist Ausdruck eines unsolidarischen Verhaltens anderer. Gemeinsam mit Prominenten haben wir in den digitalen Medien daher die Aktion #KaufNurWasDu Brauchst gestartet. Wir wollen aufmerksam machen: Wenn jeder
bedarfsgerecht einkauft, bekommt jeder etwas, und die Regale können schnell wieder aufgefüllt werden.

Frage: Die Bauern warnen, dass wegen des Ausfalls von Saisonarbeitern die Ernte in Gefahr geraten könnte. Drohen da in der Corona-Krise am Ende doch Lebensmittelengpässe?

Julia Klöckner: Ernten und Aussaaten sind nicht wie ein Fußballspiel - einfach verschieben geht nicht. Fehlende Saisonarbeitskräfte machen den Landwirten Sorgen, weshalb wir schnell reagiert haben. Ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Erleichterungen haben wir erreicht, um in Deutschland helfende Hände für den Einsatz auf dem Acker zu gewinnen. Es mag sein, dass die Angebotsvielfalt und auch die Ernte im Sonderkulturbereich dieses Jahr etwas kleiner ausfällt. Aber deshalb wird keiner hungern müssen. Unser Selbstversorgungsgrad bei Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln oder Getreide - die maschinell geerntet werden - liegt bei über 100 Prozent. Genauso wie etwa bei Schweinefleisch, Käse und weiteren wichtigen Erzeugnissen. Und zu dem Einreisestopp ausländischer Saisonarbeitskräfte: Hier sind Horst Seehofer und ich im Gespräch, wie wir Aspekte der Gesundheitssicherung und das berechtigte Interesse der Bauern unter einen Hut bringen können. Ich denke, dass wir hier bald weiterkommen werden.

Frage: Auf welche Hilfen können die Bauern in der Krise bauen?

Julia Klöckner: Ein ganzes Paket haben wir durchgesetzt - Parlament und Länderkammer haben es vergangene Woche beschlossen. Bezieher von Bafög oder Kurzarbeitergeld dürfen auch in der Landwirtschaft ohne Anrechnung Geld dazuverdienen, ebenso Ruheständler. Ein großer Erfolg bei der Vermittlung von Helfern an suchende Betriebe ist dabei unsere Plattform www.daslandhilft.de. Der Ansturm ist riesig - knapp 33.000 Inserate gab es allein in der ersten Woche. Und ausländische Saisonarbeitskräfte, die bereits hier sind, können bis zum 31.Oktober 115 statt wie bisher 70 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden. Auch diese Erleichterung haben wir erreicht. Wichtig ist aber natürlich zudem, Liquidität zu sichern. Das tun wir mit einem Programm der Landwirtschaftlichen Rentenbank - davon haben bereits zahlreiche Betriebe Gebrauch gemacht. Erfolgreich haben wir uns zudem dafür eingesetzt, dass die Land- und Ernährungswirtschaft sowie der Gartenbau unter den Schirm der Bundes-Soforthilfen für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige kommen.

Frage: Ungelernte Aushilfen wie Studenten oder Kurzarbeiter - die Landwirte sehen darin keine Lösung...

Julia Klöckner: Ich habe andere Rückmeldung von Landwirten, die über unsere Plattform engagierte und motivierte Helfer gefunden haben. Aber ja, die Einarbeitung und das Anlernen wird vielfach mehr Geduld und Zeit erfordern. Hier gilt es, pragmatisch zu sein, zu improvisieren. Wir sollten uns gerade jetzt Gedanken für das Dafür machen, an Lösungen arbeiten, nicht nur die Probleme sehen und beschreiben - die Bereitschaft aller Seiten ist gefragt, damit es funktionieren kann. Ich habe aber auch klar gesagt, dass mit Helfern, die bisher nicht in der Landwirtschaft gearbeitet haben, die fehlenden und eingearbeiteten
Saisonarbeitskräfte nicht vollständig ersetzt werden können.

Frage: Die Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylbewerber lässt immer noch auf sich warten. Woran hakt es?

Julia Klöckner: Der Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder sind hier im Gespräch.

Frage: Es gibt bereits Kritik, dass die Hilfen nicht ankommen würden. Wie lässt sich das schnell und unbürokratisch erreichen?

Julia Klöckner: Ich habe großes Verständnis für den Druck, unter dem viele Unternehmer jetzt stehen, die Sorgen, die sie sich machen. Es geht teilweise um Existenzen, wenn jetzt zum Monatsende und -anfang Mieten und Rechnungen fällig werden. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben in der vergangenen Woche daher in einem beispiellos schnellen Verfahren ein noch nie dagewesenes Hilfepaket geschnürt - schneller geht es nicht. Die Verwaltungen haben nun Zigtausende von Anträgen zu bearbeiten, eine Mammutaufgabe. Es sind daher alle aufgefordert, an einem Strang zu ziehen. Wir müssen zusammenstehen, fair miteinander umgehen - dann kann es gelingen.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 31. März 2020

Fragen von Andreas Herholz

Erschienen am im Format Interview

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