Tiere sind nicht irgendeine Ware

Interview der Bundesministerin Julia Klöckner mit der Rheinischen Post

Frage: Corona hat zu einem regelrechten Haustierboom geführt. Verständlich, oder?

Julia Klöckner: Haustiere können eine große Bereicherung sein. Für viele Menschen waren und sind sie gerade in der Corona-Pandemie wichtige Begleitung, auch Trostspender. Aber Tiere sind nicht irgendeine Ware, die man sich mal eben so anschafft. Wer ein Haustier halten möchte, trägt besondere Verantwortung. Dessen muss man sich bewusst sein.

Frage: Glauben Sie, das wissen alle?

Julia Klöckner: Allein die Tatsache, dass Jahr für Jahr vor den Sommerferien zahlreiche Haustiere ausgesetzt oder in Tierheimen abgegeben werden, spricht eine deutliche Sprache. Der Wunsch und die Begeisterung mögen groß sein. Aber einige bedenken nicht, dass ein Tier natürlich Zeit, Mühe und auch Geld kostet. Umso wichtiger ist es, sich intensiv Gedanken zu machen, ob ein Haustier zu der eigenen Lebenssituation passt: Habe ich genug Zeit? Wie viel Auslauf und Platz braucht das Tier? Wie alt und groß wird es und so weiter. Deshalb hat mein Ministerium ein eigenes Portal - den Haustierberater - entwickelt. Hier kann man das interaktiv prüfen. So lassen sich Überraschungen und Enttäuschungen vermeiden.

Frage: Laut Tierschützern hat bereits eine "Abgabewelle" begonnen. Was kann man dagegen tun?

Julia Klöckner: Bevor ein Tier vernachlässigt wird und leidet, ist es sicher besser, es abzugeben. Soweit sollte es aber erst gar nicht kommen, man muss früher ansetzen: Aufklärung ist entscheidend. Unseren Haustierberater habe ich genannt. Aber auch die Verkäufer im Zoofachhandel spielen eine wichtige Rolle. Sie sind die ersten Ansprechpartner und beraten die Käufer. Und da sage ich ganz klar: Wenn deutlich wird, dass da jemand falsche Vorstellungen hat, muss beraten dann auch mal abraten bedeuten. Deshalb werde ich hier per Verordnung für mehr Sachkunde sorgen: Das Personal muss geschult sein und sich regelmäßig fortbilden. Damit sorgen wir für eine Verbesserung des Tierschutzes.

Frage: Sie selber sind ja begeisterte Hundebesitzerin. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Julia Klöckner: Unsere Hündin Ella, ein Labradoodle, ist sehr aufgeweckt, braucht viel Bewegung und Anregung. Daher habe ich zunächst auch gebremst. Als Politikerin bin ich ja viel unterwegs. Letztlich hat mein Mann den Ausschlag gegeben. Er ist selbstständig, kann Ella jeden Tag mitnehmen und ist die zentrale Bezugsperson. Ich kümmere mich, wann immer ich zu Hause bin. Dann zwingt mich Ella, auch mal die Akten und das Handy wegzulegen - eine willkommene Abwechslung.

Frage: Wozu sind Tierhalter denn gesetzlich verpflichtet?

Julia Klöckner: Haustiere sind jedenfalls keine Kuscheltiere - sie haben Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Die Haltung und Betreuung muss artgerecht sein. Hunde etwa brauchen ausreichend Bewegung und dürfen nicht zu lang alleingelassen werden. Die Anforderungen an die Haltung von Hunden passen wir gerade erst an neue wissenschaftliche Erkenntnisse an. Wir verschärfen etwa die Anforderungen an die Hundezucht. Eine Mindestzeit von vier Stunden für den täglichen Umgang mit den Welpen wird dann zum Beispiel vorgegeben. Zudem verbieten wir grundsätzlich die Kettenhaltung von Hunden.

Frage: Auch der illegale Handel hat stark zugenommen. Greifen die unlängst verschärften Gesetze nicht?

Julia Klöckner: Ja, vor allem Hundewelpen sind gefragt. Züchter berichten von einer großen Nachfrage. Angeboten werden die Tiere häufig über Internetplattformen und Social-Media-Kanäle. Viele von ihnen werden allerdings - meist im Ausland - unter tierschutzwidrigen Bedingungen aufgezogen und nach Deutschland transportiert. Dabei wird nicht nur gegen geltendes Recht verstoßen - vor allem leiden die Tiere. Das Geschäft ist auch deshalb möglich, weil es genügend Abnehmer gibt. Die Folgen werden häufig erst später sichtbar für die Käufer: Zum Teil erkranken die Welpen schwer. Wir haben deshalb mit den Vollzugsbehörden einen Leitfaden erarbeitet und Bundespolizei und Zoll für das Thema illegaler Handel sensibilisiert.

Quelle: "Rheinische Post" vom 23.08.2021

Fragen von Hagen Strauß

Erschienen am im Format Interview

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