"Was wir brauchen, ist eine gesunde Balance von Biodiversität, Klimaschutz und Rohstoffnutzung"

Grußwort von Bundesminister Cem Özdemir zum neuen Jahr im Holz-Zentralblatt

Zu Beginn des neuen Jahres wollen wir zuversichtlich nach vorne schauen, doch es fällt nicht immer leicht. So einiges, was auf der Welt geschieht, besorgt uns – nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine, in unserer europäischen Nachbarschaft. Doch auch darüber hinaus standen und stehen wir weiter vor großen Herausforderungen, die unsere Aufmerksamkeit verlangen – hier denke ich auch und besonders an den Zustand unserer Wälder!

Sie leiden unter chronischem Klimastress. Dürren, Stürme, Schädlinge schwächen ihre Substanz. In den vergangen fünf Jahren sind knapp 250 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen. Fast 500 Tausend Hektar Waldfläche müssen wiederbewaldet werden. Und leider wird – aller Voraussicht nach - die Schadentwicklung auch 2023 anhalten. Nach einer Studie des Thünen-Instituts wird es notwendig sein, etwa ein Viertel der Waldfläche umzubauen und damit besser an den Klimawandel anzupassen.

Deshalb unterstützen wir mit der neuen Fördermaßnahme "Klimaangepasstes Waldmanagement“ Waldbesitzende beim Erhalt und der Entwicklung resilienter, anpassungsfähiger und produktiver Wälder – und zwar über die "Initialzündung“ des Baumartenwechsels hinaus. Hierfür stehen seit kurzem bis zum Jahr 2026 900 Millionen Euro bereit. Ich freue mich, dass die Förderung bereits gut angenommen wird.

Eins ist mir besonders wichtig: Ich will bei dieser gigantischen Umgestaltung alle Beteiligten mitnehmen, denn nur so kann sie gelingen. Wir werden bei der Novelle des Bundeswaldgesetzes eine ausbalancierte Regelung finden müssen. Diese soll nicht nur den Herausforderungen des Klima- und Naturschutzes gerecht werden – sie soll zugleich die Besonderheiten der Länder, die Belange der Waldbesitzenden sowie die der Wertschöpfungskette berücksichtigen. Denn eine nachhaltige Rohholznutzung schafft und sichert Arbeitsplätze und Wertschöpfung, besonders in den ländlichen Regionen.

Wie wichtig eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzproduktion sind, wurde uns allen spätestens im Laufe des Jahres 2022 in bisher nicht bekanntem Ausmaß bewusst. Rohstoffknappheiten, verbunden mit enormen Preissteigerungen haben nicht nur die Wirtschaft, sondern auch "Häuslebauer“ und Verbraucherinnen und Verbraucher in den vergangenen Jahren vor erhebliche Probleme gestellt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat diese Situation verschärft. Zudem haben die gestiegenen Energiekosten einen regelrechten Run auf den Energieträger Holz ausgelöst. Mangel und Teuerung haben uns ins Bewusstsein gerufen, wie wichtig es ist, heimische und regionale Versorgungs-, Liefer- und Wertschöpfungsketten zu sichern. Nicht zuletzt, um Abhängigkeiten von internationalen Märkten ausgewogener zu gestalten.

Allerdings müssen wir die Herausforderungen zusammen denken, zumal sie sich gegenseitig beeinflussen. Wir dürfen die Rohstoffsicherung und Energiekrise nicht so angehen, dass der dringend notwendige Schutz des Klimas und der Biodiversität auf die lange Bank geschoben oder gar ignoriert wird. Gleichzeitig ist niemand geholfen, wenn wir die notwendige Verfügbarkeit des heimischen, nachwachsenden Rohstoffs Holz nicht mehr sicherstellen können. Es würde nur zu Verlagerungseffekten und Rohstoffabhängigkeiten von Drittstaaten führen. Um hier ein Zeichen zu setzen, unterstützt Deutschland eine ambitionierte Umsetzung der Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten.

Was wir brauchen, ist eine gesunde Balance von Biodiversität, Klimaschutz und Rohstoffnutzung. Wenn wir unsere Wälder nachhaltig und multifunktional bewirtschaften, trägt das nicht nur zur Sicherung eines wertvollen Rohstoffs bei, sondern auch zur biologischen Vielfalt und zum Klimaschutz. Während bei der Herstellung anderer Materialien, wie etwa Kunststoffen auf fossiler Basis, Kohlendioxid entsteht, binden Bäume und Wälder während ihres Wachstums Kohlendioxid als Kohlenstoff. Sie tun dies auch als verarbeitete Produkte.

Unsere Ressourcen sind endlich. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir den so wertvollen Rohstoff Holz nachhaltig verwenden. Das beginnt bei Planung und Herstellung von Holzprodukten. Bereits hier müssen wir die anschließende Wiederverwertbarkeit im Rahmen der Kreislaufwirtschaft im Blick haben. Alle betroffenen Akteure können zusammen daran arbeiten, kreativ und innovativ neue und effiziente stoffliche Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten zu entwickeln, um das nachhaltig verfügbare Holz sinnvoll und im Sinne von Klima, Natur und Mensch zu nutzen und wieder zu verwenden. Auch Altholzsortimente und Laubholz sollten eine stärkere Rolle bei der stofflichen Verwendung finden. In diesem Zusammenhang wollen wir die Forschung und Entwicklung der stofflichen Holznutzung weiter voranbringen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir eine wachsende Zahl an Vorhaben. Wir machen dies über unser Förderprogramm "Nachwachsende Rohstoffe“ und – gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium - über den "Waldklimafonds“.

Auch unser Dialogprozess Charta für Holz 2.0 zielt darauf, die Holzverwendung aus nachhaltiger Forstwirtschaft als positiven Beitrag zu Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Wertschöpfung zu fördern. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen ein in Forschung, Entwicklung und Wissenstransfer. Sie tragen mit dazu bei, den Einsatz von Holz stärker von der energetischen auf die höherwertige stoffliche Verwendung von Holz zu lenken. Unser Charta-Prozess wird auch wertvolle Impulse für die Entwicklung einer neuen Waldstrategie der Bundesregierung liefern.

Der Koalitionsvertrag enthält mit der Holzbauinitiative einen Auftrag, Holz verstärkt klimafreundlich zu verwenden. Gemeinsam mit dem Bauministerium haben wir ein entsprechendes Konzept erarbeitet, das wir derzeit mit den anderen Ressorts abstimmen. Die Bau- und Gebäudewirtschaft verursacht rund 40 Prozent der globalen Kohlendioxid -Emissionen. Daher spielt die Transformation des Bausektors – weg von energieaufwendig herzustellenden Baumaterialien hin zu recyclingfähigen und klimafreundlichen Baustoffen – eine entscheidende Rolle, um die festgelegten Klimaziele zu erreichen. Jeder Kubikmeter Holz bindet rund eine Tonne Kohlendioxid!

Sie sehen, liebe Leserinnen, liebe Leser, es geht voran und wir haben viel vor in 2023. Beginnen wir das Jahr mit Zuversicht und Tatkraft – wir werden beides brauchen.

Erschienen am im Format Interview

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