Wir lassen die Waldbesitzer nicht allein

Interview mit Bundesminister Cem Özdemir und der Präsidentin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Ursula Heinen-Esser

Frage: Eigentlich sollte es ein neues Bundeswaldgesetz geben, nun schlagen Sie lediglich eine Novellierung des bestehenden Gesetzes vor. Warum sind Sie von Ihrem ursprünglichen Vorhaben abgerückt?

Cem Özdemir: Unser Ziel bleibt das gleiche, nämlich ein Gesetz aus dem Jahr 1975 für die Herausforderungen der Gegenwart fit zu machen, um unsere Wälder zu schützen. Die Folgen der Klimakrise, die wir im Wald überall sehen, gab es damals so noch nicht. Heute sind vier von fünf Bäumen geschädigt. Auch der Waldbrandschutz ist heute bundesweit viel wichtiger als in den 70ern. Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was dringend notwendig ist, um den Wald zu stärken.

Frage: Die meisten Umweltverbände sind schwer enttäuscht von der Novelle. Der SDW allerdings nicht. Warum?

Ursula Heinen-Esser: Wir nehmen traditionell eine vermittelnde Position zwischen Waldbesitzern und Naturschützern ein. Natürlich hätten wir uns auch ein großes, neues Waldgesetz gewünscht. Aber wir sind froh, dass es jetzt einen wichtigen Schritt nach vorne geht. Weder die Klima- noch die Biodiversitätskrise sind im aktuellen Gesetz berücksichtigt, es ist fast 50 Jahre alt. Manchmal ist es ja so: Man würde gerne drei Schritte nach vorne gehen, schafft aber nur einen. Der ist aber immer noch besser als der Status Quo.

Frage: Die Kritik von NGOs und Verbänden, die den Grünen nahestehen, zieht sich unabhängig vom Waldgesetz wie ein roter Faden durch Ihre Amtszeit. Verletzt Sie das?

Cem Özdemir: Als Minister hat man immer die Herausforderung, dass man – scheinbar– zwischen allen Stühlen sitzt. Den einen ist es zu viel und zu schnell, den anderen zu wenig und zu langsam.

Frage: Die Waldbesitzer sagen: Finger weg vom Waldgesetz, das habe sich bewährt.

Cem Özdemir: Ich rate dringend davon ab, alle über einen Kamm zu scheren, da gibt es viele verschiedene Stimmen. Um unseren Wald dauerhaft zu erhalten und auch nutzen zu können, müssen wir ihn an die Klimakrise anpassen und zu einem widerstandsfähigen Mischwald umbauen. Da gibt es niemanden, der das ernsthaft bestreitet. Mein Ansatz ist, das wir das gemeinsam tun. Wir lassen die Waldbesitzer nicht allein: Über unser Wald-Klima-Paket investieren wir in den nächsten Jahren 900 Millionen in den Wald, zusätzlich sollen auch künftig 90 Millionen über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz kommen. Was nicht geht, ist, dass man sagt, das Geld nehme ich – aber Bedingungen dürfen keine daran geknüpft sein.

Frage: Ihr liberaler Koalitionspartner sieht es genauso wie die Waldbesitzer.

Cem Özdemir: Eine Hauptkritik der FDP waren ja die Straftatbestände bei illegalem Kahlschlag – und die stehen jetzt nicht mehr drin. Es gibt kaum etwas Deutscheres in der Wahrnehmung unseres Landes als den Wald – wenn ich nur an die deutsche Romantik denke. Die FDP hat 1975 das Bundeswaldgesetz mitbeschlossen. Darauf sollte sie stolz sein – und es jetzt verbessern.

Frage: Sie sprechen die gestrichenen Straftatbestände an. Für einen unerlaubten Kahlschlag sehen Sie stattdessen nur noch maximal 50.000 Euro Bußgeld vor. Besteht da angesichts von steigenden Holzpreisen nicht die Gefahr, dass es sich finanziell lohnen könnte?

Ursula Heinen-Esser: Wir sollten den Waldbesitzern Vertrauen entgegenbringen. Sie haben selbst kein Interesse, ihre Wälder kahlzuschlagen. Man darf nicht vergessen: Zum Teil gehören ihnen die Wälder seit Generationen, da geht es dann nicht um den kurzfristigen schnellen Euro, sondern den Wald vernünftig zu hinterlassen. Ich glaube, das Bußgeld ist ein guter Kompromiss.

Frage: Gilt das auch für die Regelung, dass ein Kahlschlag erst ab einem Hektar genehmigungspflichtig ist?

Ursula Heinen-Esser: Die Genehmigungsregelung beim Kahlschlag dürfte aus meiner Sicht gerne kleiner sein als ein Hektar. Das werden wir sicher auch in die Länder- und Verbändeanhörung einbringen. Einverstanden sind wir dagegen, dass die Landesbehörden die Genehmigungen erteilen, weil sie einen genaueren Blick haben, was vor Ort angebracht ist.

Frage: Naturschützer sprechen vom Prinzip Hoffnung, weil Sie vieles den Ländern überlassen.

Cem Özdemir: Wir sind ein föderaler Staat, da muss der Bund nicht jedes Detail vorgeben. Die Leute vor Ort wissen am besten, was ihr Wald braucht, um stärker zu werden. Vieles ist schon gut geregelt, schauen Sie sich das Waldgesetz meines Heimatlandes Baden-Württemberg an.

Frage: Der Waldumbau und welche Baumarten auch in Zukunft gesund wachsen können, ist sehr komplex. Zeigt dieser sehr regenreiche Sommer, der für eine Erholung der Grundwasserpegel gesorgt hat, nicht, dass die Natur das schon allein regeln wird?

Cem Özdemir: Durch den menschengemachten Klimawandel gestaltet sich die Veränderung so schnell, dass der Natur kaum Zeit bleibt. Da ist ein aktives Management notwendig, damit nachfolgende Generationen noch vitale Wälder haben. Von Schutzflächen wie etwa dem Nationalpark Schwarzwald abgesehen, sprechen wir von Kulturlandschaften, die wir auch nutzen. Entsprechend muss der Mensch helfen und den Wald krisenfester machen.

Ursula Heinen-Esser: Das Thema Baum­arten der Zukunft ist eines der schwierigsten, unabhängig von Waldbesitz und Naturschutz. Ich finde es schon wichtig, dass wir uns auf überwiegend einheimische Baumarten konzentrieren. Wenn wir jetzt Bäume pflanzen, die besonders gut mit Trockenheit klarkommen, könnten es aber auch genau die falschen sein, weil wir es dann auf einmal mit viel Starkregen zu tun haben. Ich fände es daher vernünftig, das jetzt noch relativ offen zu formulieren und in die Hände derer vor Ort zu geben. Das könnte man auch im Gesetz noch mehr verankern, Ziel sollten Bestände mit vielfältigen Baumarten sein.

Quelle: Neue Berliner Redaktionsgesellschaft vom 12.09.2024

Fragen von Dominik Guggemos

Erschienen am im Format Interview

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