Was der Biene schadet, muss vom Markt!

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen "Ja zum EU-Freilandverbot für bienengiftige Neonikotinoide" am 20.04.2018

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede!

Wer die öffentliche Debatte in den letzten Tagen verfolgt hat, konnte erleben, wie emotional das Thema Pflanzenschutz ist.

Ich verstehe die Sorgen der Bürger in unserm Land, aber nicht nur bei uns in Deutschland, die sich Sorgen um die Gesundheit und auch um die Umwelt machen. Gerade weil wir diese Sorgen ernst nehmen, müssen wir das Thema auf Basis von Wissen und nicht auf Basis von Emotionen behandeln. Nur das bringt langfristig Sicherheit.

Warum überhaupt Pflanzenschutz?

Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutz?

Zum Glück hat niemand von uns mehr Zeiten erleben müssen, in denen schlechtes Wetter oder Schädlinge in Deutschland eine Hungersnot auslösen konnten. In denen es oft zu wenig Brot oder Kartoffeln gab, um Menschen schlichtweg satt zu machen.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass es bei uns jederzeit und überall zu günstigen Preisen verfügbare Nahrungsmittel gibt. Wir vergessen manchmal, dass es bei modernem Pflanzenschutz darum geht, viele der Gefahren für die Ernte abwehren zu können – die Ernte, die für die Mittel zum Leben, nämlich für unsere Lebensmittel da ist. Es gab auch Zeiten – auch das gehört zur Wahrheit – in denen es beim Pflanzenschutzmitteleinsatz hieß: Viel hilft viel.

Was der Biene schadet muss vom Markt!Was der Biene schadet muss vom Markt! Die Zeiten sind zum Glück in den meisten Teilen Europas vorbei!

Wir werden den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel weiter reduzieren. Und gleichzeitig unsere Ernten sichern. Wir nehmen die Auswirkungen auf die Natur und die Umwelt noch stärker in den Blick.

Verbot der Neonikotinoide

Neonikotinoide sind Insektizide. Es gibt davon abgrenzend Herbizide. Ich möchte den Blick auf die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, lenken. Sie kommt zu dem Schluss, dass die drei Wirkstoffe aus der Gruppen der Neonikotinoide für Bienen und andere Bestäuber ein unvertretbares Risiko darstellen.

Ich habe es hier an dieser Stellen bei meiner Regierungserklärung gesagt: Bienen sind systemrelevant. Was der Biene schadet muss vom Markt!

Deshalb werde ich in Brüssel dem Anwendungsverbot dieser Wirkstoffe im Freiland zustimmen! Und genau deshalb, verehrte Vertreter der Grünen, ist Ihr Antrag überholt und überflüssig. Sie müssen die Bundesregierung nicht auffordern eine Haltung zu finden. Oder in Anspruch nehmen, dass der Bundestag etwas formulieren muss, damit die Bundesregierung ein Mandat übernimmt auf europäischer Ebene. Wir haben uns längst, auch mit der Kollegin Schulze, darauf geeinigt, dass wir dem Vorschlag der EU Kommission folgen, weil er auf der Wissenschaft, auf der Basis der EFSA, beruht. Und deshalb ist der Antrag überflüssig.

Das ist im Interesse der Natur, aber auch der Landwirtschaft. Denn auch sie ist auf die Bestäubungsleistung der Bienen angewiesen.
Die wissenschaftliche Bewertung ist für mich das Ausschlaggebende! Und das nicht nur - wie bei einigen hier im Haus - wenn es gerade der eigenen politischen Agenda dient oder zur eigenen Überzeugung passt! Doch was viele außer Acht lassen: Wir müssen weiter schauen.

Das Ganze in den Blick nehmen

Zwei Punkte:

  1. Wir müssen erstens, wenn wir über den Schutz der Insekten sprechen, das Ganze und nicht nur einen Teil in den Blick nehmen. Ich habe gestern mit meiner Kollegin Schulze vereinbart, dass wir beim Insektensterben gemeinsam – Hand in Hand – ein Monitoring auf den Weg bringen wollen. Und uns ist wichtig dabei keine Scheuklappen aufzuhaben. Natürlich muss die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten. Da sind wir in vielversprechenden Gesprächen mit der betroffenen Branche. Doch es reicht nicht, nur mit dem Finger auf die Landwirte zu zeigen.
    Wir müssen auch über weitere Faktoren wie die Lichtverschmutzung oder die Gestaltung öffentlicher Flächen sprechen. Denn auch das hat einen großen Einfluss auf die Insekten. Und nur wenn man das Ganze in den Blick nimmt ist man auch glaubwürdig. Deshalb wird die Bundesregierung ein umfassendes Aktionsprogramm zum Schutz der Insekten auflegen.
  2. Und zweitens: Wenn die Bauern Wirkstoffe beim Pflanzenschutz verlieren, dann brauchen sie auch Alternativen! Ohne Pflanzenschutz, ob chemisch oder nicht, geht es nicht – übrigens auch nicht im ökologischen Anbau.
    Deshalb werden wir die Zulassungsbehörden personell verstärken, um schneller zu modernen, risikoärmeren Mitteln zu kommen und wir werden die Erforschung von Alternativen unterstützen und dort massiv investieren.
    Und wir haben auch eine Chance bei dem Thema Digitalisierung: Präzisionslandwirtschaft, dass wir Pflanzenschutzmittel der Menge nach reduzieren indem wir sie präzise dort aufbringen, wo wir sie auch brauche. Die umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wird Teil der Ackerbaustrategie sein, die wir auflegen werden.
    Die Ackerbaustrategie wird sicherstellen, dass wir die Fruchtbarkeit unserer Böden und die Biodiversität schützen, der Pflanzenbau sich für unsere Bäuerinnen und Bauern aber gleichzeitig auch noch lohnt.

Denn wenn wir Getreide, Gemüse und Obst nur noch importieren, dann haben wir auch keinen Einfluss mehr darauf, wie sie produziert worden sind. Und ich will nicht, dass unsere Familienbetriebe die Hoftore schließen müssen.

Insofern will ich zusammenfassen: Die Bundesregierung hat eine klare Haltung. Was der Biene schadet, kommt vom Markt.

Wir werden dem Kommissionsvorschlag auf europäischer Ebene zustimmen. Und ich sage auch verantwortungsvoll als Landwirtschaftsministerin: Die Bauern sind nicht an allem schuld. Sie werden ihren Beitrag leisten. Wir müssen alles in den gesamten Blick nehmen. Und auch ermöglichen, dass Landwirtschaft in Deutschland möglich bleibt. Damit wir wissen, wie produziert wird, und das geht nur, wenn wir einen Blick auf die heimische und regionale Produktion haben.

Herzlichen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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