Die Digitalisierung in der Landwirtschaft aktiv gestalten

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner Berliner anlässlich der Agrarministerkonferenz im Rahmen des 11. "Global Forum for Food and Agriculture" (GFFA)

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

heute ist ein wichtiger Tag.

Denn wenn wir heute gemeinsam unser Kommuniqué verabschieden, dann starten wir einen Prozess.

Einen Prozess, mit dem wir ein internationales Rahmenwerk für die Digitalisierung der Landwirtschaft schaffen.

Mit dem wir der weltweiten Digitalisierung in der Landwirtschaft einen Rahmen, eine Struktur geben.

Um ihr Potential für die Bäuerinnen und Bauern, für die gesamte Wertschöpfungskette sowie die zu Ernährenden auszuschöpfen.

Um Ressourcen noch besser zu schützen oder die Verbraucherinformationen auszubauen können.

Das ist die Botschaft, die wir alle aus dieser Konferenz mitnehmen.

Warum ist das wichtig?

Zwei Gründe

1) Es ist wichtig, weil wir ein neues Zeitalter gestalten müssen

Die Digitalisierung ist das Mega-Thema unserer Zeit. Die geprägt ist durch Techniksprünge, durch disruptive Veränderungen, die wir in dieser Verdichtung, in dieser Omnipräsenz, bisher in der Entwicklung noch nicht hatten.

Vor zehn Jahren war ein GPS-Navigationsgerät der technische neueste Stand, heute erfüllen unsere Mobiltelefone diese Aufgabe.

Die Digitalisierung ist dabei nicht nur omnipräsent, sie ist omnirelevant. Denn sie umfasst alle unsere Lebensbereiche.

Sie verändert unsere Welt: die Art wie wir kommunizieren, wie wir Entscheidungentreffen. Und in welcher Geschwindigkeit.

Sie erhöht die Komplexität, weil wir mehr Informationen, mehr Möglichkeiten haben.

Und wie bei allen bahnbrechenden Veränderungen bringt die sie zwei Dinge mit sich:

Chancen und Risiken

Deshalb ist unsere Aufgabe, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Ohne die Risiken zu vernachlässigen.

Deshalb ist wichtig, dass wir Digitalisierung gestalten, aktiv.

Dass wir vordenken, dass wir antizipieren, was kommt.

Damit wir nicht untergehen in der Komplexität, in der Masse an Daten und Möglichkeiten.

Dazu müssen wir uns anpassen ohne dabei den weiteren Wandel auszublenden. Jeder für sich.

Aber auch die internationalen Strukturen, in denen wir Entscheidungen treffen.

2) Es ist wichtig, weil die Landwirtschaft die am meisten unterschätzte Branche ist.

Oft werden zwei Dinge vergessen.

Zum einen, dass die Landwirtschaft es ist, die die Menschen satt macht. Denn ohne Essen und Trinken ist alles nichts.

Und zum zweiten, dass sie eine der innovativsten Branchen ist, die wir haben.

Das erste Ziel der Landwirtschaft ist ja, die Menschen satt zu machen. Und dabei immer besser zu werden, effizienter. Um besser geschützt zu sein gegen den Hunger.

Das war der Ursprung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, die bis heute der Nukleus der europäischen Einigung ist.

Mittlerweile geht es zusätzlich darum, besser abgesichert zu sein gegen die Risiken, denen Landwirtschaft ausgesetzt ist – Wetterkapriolen, Dürre, Schädlinge.

Nehmen wir die Zahlen aus Deutschland:

Ein Landwirt hat hier um das Jahr 1900 Nahrungsmittel für etwa vier Personen erzeugt. Heute sind es 150.

Damals waren es die Erfindung des Kunstdüngers und die Verbesserung des Saatgutes, die hier zu enormen Verbesserungen geführt haben.

Auch heute geht es darum, die Effizienz der Landwirtschaft zu steigern.

Die Digitalisierung kann der Schlüssel dazu sein.

Doch was bedeutet Digitalisierung in der Landwirtschaft konkret?

Es bedeutet, dass wir präziser arbeiten, zum Beispiel mit Landmaschinen, die satellitengesteuert Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel ausbringen.

Wir können Transport- und Lagerungsabläufe in der gesamten Wertschöpfungskette optimieren und dadurch Verluste vom Acker bis zum Teller reduzieren.

Bei vielen dieser Themen ist die Landwirtschaft schon an der Spitze der Innovation.

Digitalisierung bedeutet also, dass wir effizienter arbeiten, dass wir Böden, Luft und Wasser besser schonen können. Und das wir von einem Hektar Ackerland mehr Ertrag erzielen können.

Kurz gesagt: Wir machen mit weniger Ressourceneinsatz mehr Menschen satt!

Und das ist dringend notwendig, denn es gibt Zahlen, die weiterhin alarmierend sind:– jeder neunte Mensch auf der Welt leidet Hunger, das sind derzeit rund 821 Millionen Menschen.

Wir haben mit der Digitalisierung ein Instrument zur Verfügung, mit der wir der Verantwortung nachkommen können, die uns eint. Über alle Grenzen hinweg.

Der Verantwortung, das Recht auf Nahrung umzusetzen. Denn dieses Recht ist nicht verhandelbar.

Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen Prozess gemeinsam, gestalten. Dass wir uns nicht in unterschiedlichen Standards verirren.

Dass wir Unterschiede nicht zementieren, sondern indem wir versuchen, sie zu nivellieren.

Indem wir weltweit möglichst vielen den Zugang zu digitalen Techniken ermöglichen.

Dass wir uns auf Werte verständigen, die uns in diesem Prozess wichtig sind.

Es muss darum gehen, die Frage der Datensouveränität, der Datensicherheit und des Datenschutzes zu klären und politisch abzusichern.

Wem gehören die Daten, die über die zu erwartende Ernte generiert werden? Wer darf sie nutzen, wer darf sie verwerten?

Zur Beantwortung dieser Fragen brauchen wir sowohl nationale als auch multilaterale Ansätze.

Eine Idee zur Umsetzung dieser Ziele und Aufgaben, die wir heute beschließen wollen, ist die Schaffung eines internationalen und unabhängigen Digitalrats für die Landwirtschaft.

Hier können wir auf teilweise bereits existierende Strukturen zurückgreifen und alle FAO-Mitgliedstaaten könnten von diesem Rat profitieren.

Seine Aufgabe wäre es, die Politik und die Landwirtschaft zu beraten und ein Gerüst für einen gegebenenfalls notwendigen politischen Rahmen zu entwickeln.

Wir bitten die FAO eine Technikfolgenabschätzung zu erarbeiten.

Unser Ziel ist es hierbei, belastbare Informationen über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Landwirtschaft und die ländlichen Räume zu erhalten.

Denn wir brauchen zuverlässige Analysen, um überhaupt annähernd zu verstehen, was global auf uns zukommt.

Und darauf aufbauend können wir entscheiden, welche politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Schritte notwendig sind, um die Digitalisierung zu gestalten und Potentiale zu hebeln.

Diese Aufgabe kann die FAO nicht alleine umsetzen.

Wir laden daher alle am GFFA teilnehmenden internationalen Stakeholder und Organisationen ein, an dieser Mammutaufgabe mitzuwirken.

Deshalb bitte ich auch die G20-Präsidentschaft, sich dieser Themen explizit anzunehmen.

Die Landwirtschaft ist die wichtigste, die relevanteste Branche, die es weltweit gibt.

Diese Konferenz ist der Ort, an dem wir aber gemeinsam internationale Landwirtschaftspolitik gestalten. Es ist das „Davos der Landwirtschaft“.

Hier können wir wichtige Impulse setzen, die über nationale Grenzen hinausgehen.

Deshalb können wir stolz sein, dass wir hier heute einen Prozess starten, um als internationale Agrargemeinschaft unserer Verantwortung anzunehmen.

Das Kommuniqué, das wir hier verhandelt haben, gibt den Startschuss für diesen Prozess.

Lassen Sie uns zusammen die Digitalisierung nutzen, ihr einen Rahmen geben.

Um mehr Menschen satt zu machen.

Um das Recht auf Nahrung umzusetzen.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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