Eine Politik für gleichwertige Lebensverhältnisse muss ländliche Räume auf Augenhöhe mit urbanen Räumen sehen.

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner anlässlich der Eröffnung des 12. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie, Herr Bundespräsident, bei unserem 12. Zukunftsforum ländliche Entwicklung zu begrüßen. Vielen Dank für Ihre beeindruckenden Ausführungen.

Wenn unser Staatsoberhaupt den Bürgern in den ländlichen Räumen Deutschlands einen so beträchtlichen Teil seiner Zeit widmet, dann sieht man: unser Thema ist ganz oben angekommen!

Unsere Bundeskanzlerin hat bei der Konstituierung der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse im vergangenen Herbst ebenfalls deutlich herausgestellt, dass die Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land eine Daueraufgabe dieser Bundesregierung ist. Als Co-Vorsitzende bringe ich mich intensiv in die Kommissionsarbeit ein. Mein Ministerium ist hierfür mit einer
eigenen Abteilung für die ländlichen Räume bestens aufgestellt.

Worüber reden wir, wenn wir von Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sprechen?

Mir fällt auf, dass das Thema oft durch die Brille der Großstädter gesehen wird. Nimmt man diese ab, sieht man deutlich, dass die ländlichen Regionen bei der Diskussionsintensität und der Geldverteilung meist nur zweiter Sieger sind. Da wird viel über knappen Wohnraum und volle U-Bahnen in den Städten geredet. Das ist wichtig, keine Frage. Aber auf dem Land heißt es Leerstand bekämpfen, Dorfkerne beleben und eine regelmäßige Busverbindung haben. Auch reden wir in vielen ländlichen Regionen nicht über zu große Klassen, sondern über Schulen, die wegen Schülermangel schließen müssen.

Als zuständige Fachministerin verstehe ich mich als Anwältin für die ländlichen Regionen in Deutschland. Und aus diesem Verständnis heraus sage ich: Wir brauchen einen Perspektivwechsel! Wir müssen Deutschland stärker vom Land her denken:

  • 90 Prozent der Fläche Deutschlands sind ländliche Räume.
  • Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt hier.
  • Die Hälfte unserer Wirtschaftsleistung wird hier erbracht.

Eine Politik für gleichwertige Lebensverhältnisse muss ländliche Räume auf Augenhöhe mit urbanen Räumen sehen. Als dezentrale Kraftzentren unseres Landes.

Mit diesem Perspektivwechsel ist der erste Schritt zu Gleichwertigkeit getan. Wenn wir in der Analyse einig sind, dass wir die ländlichen
Räume stärken müssen, dann müssen wir auch über eine gerechte Ressourcenverteilung reden. Dann müssen wir die Disparitäten, die es zweifelsohne gibt, überwinden:

  • Mit einer Gesamtstrategie Ländlicher Raum, ohne Gießkannenpolitik zu betreiben.
  • Mit einer Politik, die vor Ort sichtbar ist, wie sie individuell Antworten findet.
  • Mit Maßnahmen, die in den Kommunen und Regionen wirken, weil Sie sie konkret brauchen, ohne Fehlanreize.

Das Generalthema unseres diesjährigen Zukunftsforums bringt es auf den Punkt: Ländliche Entwicklung ist eine gemeinsame
Aufgabe für Staat und Gesellschaft. Auch deswegen habe ich im vergangenen Jahr das "Aktionsbündnis Leben auf dem Land" gestartet. Vielen Dank, dass Sie vom Landkreistag, vom Städte- und Gemeindebund, vom Handwerk und vom DIHK hier sind.

Mit der Gemeinschaftsaufgabe zur "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", kurz GAK, werden wir auch in den kommenden Jahren wichtige Impulse für die ländliche Entwicklung senden. Denn wir sehen, die GAK wirkt vor Ort! Es ist uns gelungen, die GAK weiter zu stärken und einen Sonderrahmenplan Ländliche Entwicklung einzusetzen.

  • 2019 werden wir 150 Millionen Euro on Top investieren!
  • Mit den Ländern: bedarfsgerecht, zielgerichtet und wirksam.

Darüber hinaus werde ich mich weiterhin für eine Grundgesetzänderung einsetzen, um die ländlichen Räume in der GAK als dritte Säule zu etablieren. Mit dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) werden wir auch weiterhin innovative Projekte für ein gutes Leben auf dem Land unterstützen. Mein zentrales Thema für das Bundesprogramm ist das Ehrenamt. Ich habe hierfür ein eigenes Referat in meinem Ministerium geschaffen. Vor allem dank der vielen ehrenamtlich engagierten Menschen sind ländliche Räume Kraftzentren unseres Landes.

Lebensqualität und gesellschaftlicher Zusammenhalt hängen immer stärker davon ab, dass sich Menschen einbringen, mitmachen und zupacken. Auch die Daseinsvorsorge auf dem Land ist ohne Ehrenamt nicht möglich. Man denke nur an die Freiwillige Feuerwehr, die in den Dörfern für Sicherheit und schnelle Hilfe sorgt. Ehrenamt ist auch ein häufig unterschätzter Standortfaktor. Gerade ein aktives Vereinsleben macht Dörfer für Alt und Jung attraktiv. Wer vor Ort erfährt, dass er Teil einer Gemeinschaft ist und Dinge bewegen kann, wird sich nicht so schnell abgehängt fühlen. So trägt das Ehrenamt zur Demokratiestärkung bei – und die brauchen wir dringender denn je!

Mein Ministerium unterstützt mit dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung vielfältige innovative Projekte, die es ohne ehrenamtlich engagierte Menschen nicht gäbe. Eine wichtige Aufgabe sehe ich darin, dem ehrenamtlichen Engagement hauptamtliche Strukturen zur Seite zu stellen, die Vereine und Initiativen beraten und begleiten. Mit dem Deutschen Landkreistag wollen wir modellhaft untersuchen, wie das auf Landkreisebene am besten gelingen kann.

Die Digitalisierung ist eine der zentralsten Fragen, wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland geht. Ich bin überzeugt, besonders die Digitalisierung kann die geringe Dichte der ländlichen Räume in vielen Bereichen ausgleichen. Und gleichzeitig deren Vorzüge erhalten und weiterentwickeln. Digitalisierung und Vernetzung werden damit die entscheidenden Faktoren im Standortwettbewerb sein. Grundvoraussetzung dafür aber ist der flächendeckende Anschluss der ländlichen Räume an die digitale Hochleistungsinfrastruktur bei Glasfaser und Mobilfunk. Deshalb darf es bei der Digitalisierung in Deutschland keine zwei Geschwindigkeiten geben. Bei der anstehenden Frequenzversteigerung zum Mobilfunkausbau mit 5G muss versorgungsorientiert und nicht nur ertragsorientiert gedacht werden.

Das Zukunftsforum ländliche Entwicklung ist eine Erfolgsgeschichte, die wir weiterschreiben wollen. In diesem Sinne eröffne ich hiermit das 12. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung und wünsche Ihnen inspirierende Begegnungen, gute Gespräche und weiterhin viel Freude am gemeinsamen Gelingen.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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