Mein Ziel ist dafür zu sorgen, dass eine ausgewogene, gesunde und bewusste Ernährung im Alltag zur Selbstverständlichkeit wird

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner anlässlich des Verbraucherpolitischen Forums vzbv

Es gilt das gesprochene Wort!

Anreden,

I. Einleitung: Europa

Herzlichen Dank für die Einladung!

Ihr Verbraucherpolitisches Forum gehört ja inzwischen zu den Traditionsterminen der Grünen Woche. Und das ist wichtig. Weil Sie hier noch einmal die Perspektive der Verbraucher in den Mittelpunkt stellen. Und es ist auch richtig, dass Sie heute Europa in den Mittelpunkt stellen. Nicht nur, weil wir im Europa-Wahljahr sind. Sondern auch, weil wir in einer Situation sind, in der es wichtig ist, uns daran zu erinnern, wofür Europa steht.

II. Europa kann mehr

Die anstehenden Wahlen zum europäischen Parlament sind auch eine richtungsweisende Abstimmung darüber, wieviel Europa wir haben wollen. Ob wir weiter, aus ganzem Herzen, aus ganzer Überzeugung, ja sagen zu Europa.

Ich bin Jahrgang 1972, Generation Interrail. Das Ende der Grenzkontrollen, die gemeinsame Währung, die Osterweiterung, das alles haben wir als ein Mehr an Freiheit erlebt. Und ich hätte damals nie gedacht, dass Europa sich in eine andere Richtung entwickeln könnte als hin zu einer weiteren Vertiefung der Integration. Und an diese Begeisterung, die uns damals getragen hat, müssen wir wieder anknüpfen.

Und die Verbraucherpolitik, der gemeinsame Markt, die hohen gemeinsamen Standards, sind hier meiner Meinung nach ein gewichtiges Argument. Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie die Europäische Verbraucherpolitik begleiten. Und dass Sie auch darauf hinwirken, dass Europa hier wieder stärker in den Vordergrund tritt.

Denn ja, hier könnte Europa mehr. Wir haben in den vergangenen Jahren eine "europäische Zurückhaltung" erlebt. Als politische Reaktion darauf, dass viele das Gefühl hatten, Europa würde zu viel regeln. Und es gibt Mitgliedstaaten, denen selbst dieses Maß an europäischen Regelungen der vergangenen Jahre zu viel war.

Ich sage Ihnen klar, ich möchte ein Parlament und eine neue EU-Kommission, mit der wir wieder über europäische Lösungen diskutieren können. Und ich will solche Lösungen dann auch umsetzen. Denn natürlich wäre es bei vielen Themen im Sinne des Verbrauchers und der Wirtschaft, wenn wir direkt über eine einheitliche europäische Lösung sprechen könnten. Bei der Nährwertkennzeichnung, bei den Nahrungsergänzungsmitteln, bei Lebensmittelkontaktmaterialien. Aber auch das würde uns nicht davon entbinden, dass wir auf unserer nationalen Ebene eine Position finden müssten.

Was sind hier die aktuellen Themen?

III. Aktuelle Themen Ernährungspolitik

Mein Ziel ist dafür zu sorgen, dass eine ausgewogene, gesunde und bewusste Ernährung im Alltag zur Selbstverständlichkeit wird. Gleichzeitig haben wir mit dem Koalitionsvertrag eine Reihe von Aufträgen bekommen: Wir erarbeiten ein Modell für eine Weiterentwicklung der Nährwertkennzeichnung. Gegebenenfalls mit einer vereinfachten Visualisierung.

Wir wollen bestehende Herkunftskennzeichnungen evaluieren, weiterentwickeln und gegebenenfalls ergänzen. Das Tierwohlkennzeichen haben wir im Koalitionsvertrag verankert. Hier haben wir jetzt den Gesetzentwurf zur Notifizierung in Brüssel vorgelegt. Und, unabhängig von Brüssel, ist im Koalitionsvertrag als weiteres großes Projekt eine Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten vorgesehen.

Also eine lange Liste von Vorhaben, die wir abarbeiten. So schnell wie möglich. Aber in einem Tempo, bei dem alle Beteiligten mitkommen. Weil wir nur gemeinsam tragfähige Lösungen finden können.

IV. Verbraucherwünsche: Zahlen aus dem Ernährungsreport

Im Hinblick auf Juristen sagt man gerne: Sie fragen zwei Leute und bekommen drei Meinungen. Bei der Ernährung ist das ähnlich. Zu jeder Frage gibt es ein Spektrum an Meinungen, an Erkenntnissen, an Interessen.

Zum Teil unterscheiden sie sich, weil hinter ihnen Interessen stehen. Zum Teil unterscheiden sie sich aber auch, weil hinter ihnen unterschiedliche Menschenbilder stehen. Auf der einen Seite das Bild des Verbrauchers, der maximalen Schutz bekommt, der fast schon bevormundet wird. Auf der anderen Seite der Verbraucher, der tun und lassen können soll, was er oder sie will. Und wie so oft liegt irgendwo in der Mitte die Wahrheit.

Ein wenig Klarheit in die Verbraucherwünsche bringt unser Ernährungsreport 2019, eine Umfrage, die mein Ministerium jedes Jahr macht. Und danach essen und konsumieren immer mehr Verbraucher bereits sehr bewusst. Sie achten darauf, was in den Produkten steckt.

  • 84 Prozent der Befragten wollen Angaben zu den Inhalts- und Zusatzstoffen
  • 80 Prozent: Wollen Angaben zur Herkunft von Lebensmitteln
  • 86 Prozent: Wollen wissen, wie die Tiere gehalten werden. Und sie legen Wert auf eine verständliche Kennzeichnung und Siegel, die Orientierung geben:
  • 81 Prozent der Befragten wünschen sich deshalb ein staatliches, unabhängiges Tierwohlkennzeichen.
  • 84 Prozent sind außerdem dafür, Fertigprodukten weniger Zucker zuzusetzen – und akzeptieren auch, dass sie dann weniger süß schmecken.

V. Wie machen wir weiter?

Wie machen wir also weiter? Wie setzen wir diese Verbraucherwünsche um?

Auf Europäischer Ebene ist es in der Tat so, dass wir in einigen Bereichen auf eine neue Kommission warten müssen. Zum Teil warten wir auch noch auf die Evaluierungen, die in unsere Prozesse einfließen sollen.
Wir können, wir wollen und wir sollten die Zeit aber nutzen, um mit einer nationalen Position in die Debatte zu gehen. Bei der Nährwertkennzeichnung stehen wir am Anfang eines Prozesses.

Sie wissen, ich bin kein Freund der Ampel. Weil sie mir zu simpel ist. Und in der Verbraucherinformation liegen nach meinem Verständnis die Eigenschaften "zu simpel" und "täuschend" zu nah beieinander. Viele haben sich schon jetzt darauf festgelegt, den Nutriscore zu unterstützen.
Vielleicht ohne zu wissen, dass auch diese auf den ersten Blick interessante Darstellung ihre Tücken hat.

Ich stehe solchen freiwilligen Ansätzen einzelner Unternehmen grundsätzlich offen gegenüber.

Wichtig ist mir, dass sie mehr sind als bloße Werbeaktivitäten, bei denen nur wenige Produkte oder nur diejenigen Produkte gekennzeichnet werden, die einen positiven "Nutriscore" erhalten. Ich will, dass wir die verschiedenen auf dem europäischen und nationalen Markt befindlichen freiwilligen Modelle zunächst gemeinsam diskutieren und bewerten.

Mit der Wissenschaft, mit den Ländern, mit den Verbraucherverbänden, aber auch mit der Wirtschaft. Und dass wir erst dann eine Entscheidung darüber treffen, welche Modelle in Deutschland auf dem Markt und beim Verbraucher getestet werden.
Und welches System schließlich empfohlen und dann auch breit eingesetzt wird.

Und eines steht für mich fest: Wenn wir diesen schwierigen Prozess angehen, dann müssen wir es so machen, dass es dem Verbraucher auch etwas bringt. Egal, welches System wir also am Ende in Deutschland empfehlen, es wird ein freiwilliges System sein, das der Einzelhandel und die Unternehmen einführen können aber nicht einführen müssen.

Bei der Reformulierung sind wir einen Schritt weiter. Hier hat das Kabinett im Dezember die Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten beschlossen. Wichtig ist, dass diese ein Anfang ist. Die Strategie soll bis zum Jahr 2025 im Wege eines transparenten Prozesses umgesetzt werden. Für Februar habe ich bereits zu einer ersten Sitzung des Begleitausschuss eingeladen. Wir freuen uns, Anrede, dass Sie schon zugesagt haben, zu kommen. Wir planen ein engmaschiges Monitoring, denn wir werden die Wirtschaft beim Wort nehmen.

VI. Schluss

Wir werden in den kommenden Monaten viele Themen gemeinsam angehen.

Die Europawahlen sind dabei eine Variable, die es schwerer macht abzuschätzen, wann wir uns weiter auf europäischer Ebene abstimmen können. Gerade im Hinblick auf die Europawahlen ist es wichtig, dass wir ein positives Bild von Europa zeichnen.

Verbraucherpolitik ist ein guter Punkt, um Europa zu erklären. Wir erhalten die Vielfalt – und schaffen Transparenz in der Kennzeichnung. Daran lässt sich gut darstellen, welche Vorteile der gemeinsame Europäische Markt hat. Dass vieles, was wir erreicht haben, nicht selbstverständlich ist.
Das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam haben.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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