Landwirtschaft im Klimastress – können Versicherungen die Risiken begrenzen und wo muss der Staat helfen?

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner auf der Veranstaltung "Landwirtschaft im Dialog" des Landwirtschaftsverlags zum Thema "Landwirtschaft im Klimastress – können Versicherungen die Risiken begrenzen und wo muss der Staat helfen?"

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

I. Einleitung/ Grundlagen des Risikomanagements

Landwirtschaft gibt es nicht unter "Labor-Bedingungen". Witterung, Krankheiten, Tierseuchen, extreme Wetterbedingungen – das alles sind Risiken, die Einfluss auf Wachstum und Erträge nehmen und somit auch auf das Einkommen unserer Bauernfamilien. Einfluss haben aber auch die Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie Preisschwankungen.

In den vergangenen zehn Jahren entwickelten sich die Preise für Agrarrohstoffe sehr volatil, auf Preistäler folgten Phasen mit zum Teil extremen Preisspitzen Auch damit wird in Zukunft zu rechnen sein – bei allen landwirtschaftlichen Produkten. Witterungsbedingt haben wir ein sehr nasses und durch extreme Spätfröste gekennzeichnetes Jahr 2017 erlebt, im Gegensatz dazu haben wir alle noch die extreme Dürre aus dem vergangenen Jahr im Kopf. Bereits 2013 hatten wir hochwasserbedingt erhebliche Belastungen in der Land- und Forstwirtschaft durch extreme Wetterereignisse zu verzeichnen.

Im Hinblick auf sich verändernde politische Rahmenbedingungen möchte ich die aktuellen Forderungen der Europäischen Kommission zur novellierten Düngeverordnung von 2017 nennen. Die aus unserer Sicht ausreichenden und zielführenden Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers werden durch die Kommission als nicht weitgehend genug bewertet. Es wird die nicht vollständige Umsetzung der Nitrat-Richtlinie und des entsprechenden Urteiles des europäischen Gerichtshofs kritisiert. Mit dem Ergebnis, dass weitergehende Maßnahmen eingefordert werden. Dies hat uns zu Beginn der Woche EU-Umwelt-Kommissar Karmenu Vella auch noch einmal schriftlich mitgeteilt und dabei auch die Sanktionierung durch Strafzahlungen deutlich herausgestellt.

II. Aktuelle Möglichkeiten des Risikomanagements

Auch wenn es sich banal anhört, sind an erster Stelle die landwirtschaftlichen Unternehmer gefordert, für ihren Betrieb ein individuelles und angepasstes Risikomanagement zu entwickeln und umzusetzen. Jeder Landwirt muss also ganz konkret überlegen, wie er sein Unternehmen gegen Produktions- und Wetterrisiken und gegen Marktschwankungen absichert. Sei es durch die Fruchtfolgegestaltung oder die Auswahl von Sorten, die besser an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst sind. Für Markt- und Preisrisiken bieten sich die Diversifizierung, die Nutzung vertraglicher Bindungen entlang der Wertschöpfungskette sowie die Preisabsicherung über Warenterminbörsen an.

Für die Arbeit im Stall sind Biosicherheits-, Management- und Hygienemaßnahmen wesentliche Elemente, um der Gefahr der Einschleppung und dem Auftreten von Tierseuchen wirkungsvoll entgegenzutreten. Von zentraler Bedeutung ist die Bildung von Rücklagen. Dies setzt aber voraus, dass die Betriebe in "guten" Jahren in der Lage sind, entsprechende Rücklagen zu bilden.

Natürlich sind Versicherungen ein bewährtes privatwirtschaftliches Instrument zur Absicherung bestimmter Risiken. Der deutschen Landwirtschaft steht dabei ein breites Angebot zur Verfügung, aber eben nicht für alle Risiken und nicht in jedem Fall zu wirtschaftlich tragfähigen Kosten. Das hat sich 2017 bei den Frostschäden im Obstbau gezeigt. Gegen Frostschäden im Kernobst gibt es in Deutschland derzeit kein Versicherungsangebot.

Deshalb führt das BMEL zusammen mit den Ländern und der Versicherungswirtschaft derzeit intensive Gespräche über verschiedene Versicherungslösungen. Dabei wird über Modelle mit und ohne staatliche Bezuschussung gesprochen. Die Ergebnisse sollen der Agrarministerkonferenz im Herbst 2019 vorgelegt werden.

In den vergangenen Jahren haben wir nun also Risiko-Situationen erlebt, die den einzelnen Landwirt trotz eines optimalen Risikomanagements überfordern. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels ist damit zu rechnen, dass wir mit einem vermehrten Auftreten extremer Witterungsereignisse rechnen müssen. Daher ist es richtig, Anbau- und Bewirtschaftungssysteme auf veränderte Bedingungen auszurichten. Um die wirtschaftlichen Risiken so weit wie möglich zu mindern, bietet auch der Staat verschiedene Hilfestellungen:

Mit den Direktzahlungen, den Marktmaßnahmen und im Falle von außergewöhnlichen Marktkrisen den speziellen Krisenmaßnahmen, bietet die 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein Sicherheitsnetz.

Für besondere witterungsbedingte Situationen besteht zudem die Möglichkeit, staatliche Ad-hoc-Hilfen zu leisten. Unsere Dürrehilfen aus dem vergangenen Jahr gehören dazu. Wir haben damals schnell reagiert und mit den Ländern ein 340 Millionen Euro umfassendes Hilfsprogramm aufgesetzt. Zum Teilausgleich von dürrebedingten Schäden für die in der Existenz gefährdeten landwirtschaftlichen Unternehmen. Erfolgreich, wie die fast 9.500 Anträge mit einem Volumen von 393 Millionen Euro zeigen.

Damit aber die Ausnahme zukünftig nicht zur Regel wird, müssen wir uns intensiv mit Anforderungen für ein verbessertes Risikomanagement beschäftigen. Also, was können wir tun?

III. Risikomanagement verbessern, neue Instrumente entwickeln

Zentrales Element unserer Agrarpolitik ist die Fokussierung auf marktorientierte Maßnahmen. Daher sind auch im Risikomanagement privatwirtschaftliche Lösungen die besten Lösungen. Staatliche Maßnahmen sollen nur in besonderen Situationen und Krisen erfolgen. Auf der anderen Seite können wir nicht ignorieren, dass die Landwirtschaft unter Extremwetterereignissen infolge des Klimawandels leidet, was besonders die Obstbauern und Winzer betrifft.

Die GAP bietet in der 2. Säule zum Risikomanagement die Möglichkeit der Förderung von Ernte-, Tier- und Pflanzenversicherungen zur Deckung von Einbußen durch widrige Witterungsverhältnisse, Tierseuchen, Pflanzenkrankheiten, Schädlingsbefall oder Umweltvorfall.

Zudem können Fonds auf Gegenseitigkeit gefördert werden, die für Einbußen durch widrige Witterungsverhältnisse, Tierseuchen, Pflanzenkrankheiten, Schädlingsbefall und Umweltvorfälle aufkommen.

Deutschland macht von diesen Möglichkeiten in der laufenden Förderperiode keinen Gebrauch. Diese Haltung wurde 2012 einvernehmlich zwischen Bund und Ländern vereinbart. Auch der DBV war mit im Boot. Im Hinblick auf die nächste Förderperiode gilt es zu überlegen, ob die Förderung von Versicherungen gegen extreme Witterungsverhältnisse neu gedacht werden muss.

Allerdings gilt weiterhin, dass beispielsweise eine Aufnahme von Mehrgefahrenversicherungen in die Förderung der 2. Säule einen erheblichen Mittelmehrbedarf erzeugen würde. Würde dies durch Umschichtung von Direktzahlungsmitteln finanziert werden, wäre damit direkt eine Schwächung der Direktzahlungen als Instrument der Einkommenssicherung und des Risikomanagements gegeben.

Alternativ könnte man prüfen, andere Maßnahmen der zweiten Säule zu kürzen. Hierfür müsste eine politische Priorisierung erfolgen. Fakt ist zudem, dass für Hilfsmaßnahmen infolge von Naturrisiken grundsätzlich die Länder zuständig sind. Angesichts der regionalen und strukturellen Unterschiede sind regional differenzierte Lösungen erforderlich.

Daher sieht mein Ministerium eine Anschubfinanzierung von Versicherungen auf Bundesebene kritisch, insbesondere wenn sie zu Lasten der Direktzahlungen gehen würde. Wir würden es daher begrüßen, wenn die Länder eine länderfinanzierte Förderung von entsprechenden Versicherungen anbieten würden.

Die Länder haben hierzu verschiedene Möglichkeiten. An erster Stelle ist der ELER zu nennen, mit seinen Instrumenten zum Risikomanagement. Darüber hinaus stehen mit den Sektorprogrammen für Obst und Gemüse sowie Wein in der 1. Säule ergänzende Möglichkeiten der Förderung von Versicherungen im Rahmen von Erzeugerorganisationen gerade für den Bereich zur Verfügung, wo besonderer Handlungsbedarf gesehen wird.

Als zweite Möglichkeit steht die GAK zur Verfügung. Hier sind wir offen, über neue Fördertatbestände mit den Ländern zu diskutieren. Diese neuen Maßnahmen müssten aber innerhalb des bestehenden Finanzrahmens finanziert werden.

Unterstützen würden wir als BMEL die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für die Elementargefahr "Trockenheit". Aus unserer Sicht wäre es nur konsequent, auch für das Risiko "Trockenheit" den ermäßigten Versicherungssteuersatz für Elementargefahren in Höhe von 0,03 Prozent der Versicherungssumme anzuwenden und nicht weiter 19 Prozent der Versicherungsprämie zu verlangen. Dies würde zu einer Kostenentlastung führen und könnte damit einen Beitrag zur Einführung von Versicherungen gegen Dürreschäden leisten. Hier sind wir im Kontakt mit dem Bundesfinanzministerium.

Als letztes Instrument möchte ich gerne steuerliche Instrumente des Risikomanagements ansprechen. Sie alle wissen, dass das BMEL die immer wieder aus dem Berufsstand geforderte steuerfreie Risikoausgleichsrücklage kritisch beurteilt. Die Bundesregierung hat sich im Jahre 2016 bewusst gegen die Einführung dieses Risikovorsorgeinstruments entschieden. Stattdessen haben wir uns für die steuerliche Tarifglättung ausgesprochen. Zu dieser Positionierung stehe ich, denn die Faktenlage dazu hat sich nicht geändert.

Viele Betriebe würden nicht ausreichend liquide Mittel haben, um sie in eine steuerfreie Rücklage für Katastrophenfälle einzubringen. Daneben wäre eine solche Rücklage streng zweckgebunden zu bilden und zu verwenden. Hierdurch würden aber zwangsläufig die Liquidität der Betriebe und deren Finanzierungsspielräume für notwendige Investitionen eingeengt. Die von uns favorisierte Tarifglättung hat gegenüber einer Risikoausgleichsrücklage erhebliche Vorteile, denn sie begünstigt alle Betriebe mit schwankenden Gewinnen und bindet kein Kapital.

Aktuell wollen wir deshalb die beihilferechtliche Prüfung der Tarifglättung erfolgreich abschließen. Damit die Tarifglättung in Kraft treten kann, ist eine Gesetzesänderung erforderlich. Das Gesetzesvorhaben zur Umsetzung dieser erforderlichen rechtlichen Anpassungen soll noch im April im Kabinett behandelt werden .

IV. Schluss

Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir in Zukunft dem Risikomanagement in der Landwirtschaft eine zunehmende Beachtung schenken sowie im Berufsstand dafür sensibilisieren müssen. Dafür müssen wir die verschiedenen privatwirtschaftlichen und staatlichen Instrumente aufeinander abstimmen und weiterentwickeln. Das wird angesichts sich stetig verändernder und nicht exakt kalkulierender Rahmenbedingungen eine Daueraufgabe darstellen. Auch die heutige Veranstaltung kann dazu sicher einen Beitrag leisten.

Mein Staatssekretär Dr. Aeikens wird ja an der nun folgenden Diskussion teilnehmen und die dortigen Impulse für unsere Arbeit aufnehmen.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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