"Die Gemeinsamen Agrarpolitik muss zukünftig einfacher, aber zeitgleich in ihrer Zielerreichung konkreter und effektiver werden"

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner anlässlich einer Agrarpolitische Veranstaltung mit Ministerin Otte-Kinast und EU-Kommissar Hogan zum Thema "Anforderungen an die Europäische Agrarpolitik nach 2020"

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Einleitung

Ich danke meinen beiden Vorrednern für Ihre aktuellen Positionsbestimmungen.

Aus meiner Sicht wird der Erfolg der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 abschließend von drei entscheidenden Kriterien abhängen.

  1. Die Umweltwirkungen der GAP müssen messbar verbessert werden.
  2. Die Einkommenswirkung für unsere Landwirtsfamilien muss stabilisiert werden.
  3. Wir brauchen eine deutliche, spürbare Vereinfachung für unsere landwirtschaftlichen Betriebe und die Verwaltungen.

Damit wir diese Kriterien erfüllen und so unsere europäische Landwirtschaftspolitik mit guten Zukunftsperspektiven ausstatten, müssen wir jetzt die Konkretisierung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge erarbeiten. Deshalb hätte ich mir auch gewünscht, lieber Phil Hogan, dass wir bereits vor 2 Wochen im Agrarrat über die Ausgestaltung der "Grünen Architektur" intensiver gesprochen hätten.
Ich möchte Ihnen meine Vorstellungen für eine erfolgreiche GAP in vier Punkten erläutern:

Wir brauchen erstens eine flexiblere und einfachere Agrarpolitik

Es ist gut, dass die aktuellen Kommissions-Vorschläge das bewährte zwei Säulen-Modell fortführen wollen. Denn wir benötigen auf absehbare Zeit Direktzahlungen als Ausgleich für die hohen europäischen Standards. Und zur Absicherung der Betriebseinkommen bei Markt- und Wetterrisiken, gerade in Dürre-Jahren wie 2018. Auch und gerade für die kleineren Betriebe - ganz gleich ob konventionell oder ökologisch.

Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe erteile ich Forderungen nach einer Ausweitung gekoppelter Direktzahlungen eine klare Absage. Die aktuellen Entwicklungen am Zuckermarkt sollten dafür als negatives Beispiel ausreichend sein.

Unser Ziel muss der Abbau von wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen sein. Zudem muss die GAP zukünftig einfacher, aber zeitgleich in ihrer Zielerreichung konkreter und effektiver werden. Und es muss klar überprüfbar sein, ob die Ziele erreicht wurden. In Prozesse und Dokumentationen sollten wir weniger "verliebt" sein als in das Erreichen der Ziele.

Vereinfachungen, die stärker den Alltag der Landwirte im Blick haben, erhöhen zudem die Akzeptanz Europas bei den Bauern. Auch das ist mir wichtig.

Ich fordere zudem ein hohes Maß an Flexibilität für die Mitgliedstaaten, sei es bei der Ausgestaltung der 1. Säule, sei es für die regionale Ausgestaltung der 2. Säule. Wir in Deutschland brauchen zudem ausreichend Spielraum für die Umsetzung des neuen Systems, der unseren föderalen Strukturen Rechnung trägt.

Wir brauchen aber auch verbindliche Leitplanken für alle, denn ich möchte nicht, dass Mitgliedstaaten den Begriff "Flexibilität" mit "Umwelt-Standard-Dumping" gleichsetzen.

Wir brauchen zweitens Antworten auf drängende Klima- und Umweltaufgaben

Ich will mit der neuen GAP sehr viel mehr für das Tierwohl und den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz erreichen. Dies muss für die Landwirte leistbar sein und entsprechend gefördert werden. Denn es sind Leistungen im Sinne der Gesamtgesellschaft, nicht primär im Sinne des Einzelbetriebsergebnisses.

Ich unterstütze die Idee der Kommission, die Direktzahlungen stärker an die Einhaltung von Umwelt- und Klimavorschriften bei der Bewirtschaftung der Agrarflächen zu binden. Weil es für eine gute Zukunft der Landwirtschaft selbst wichtig ist. Und weil dauerhafte Agrarzahlungen auf die Akzeptanz des Steuerzahlers treffen müssen.

Das müssen wir bei der Erarbeitung der konkreten Ausgestaltung der neuen Förderung von Umweltleistungen, der "Grünen Architektur" berücksichtigen. Dabei sind die für alle geltenden Anforderungen (Konditionalität) und die neuen Öko-Regelungen ("eco-schemes") in der ersten Säule sowie die Maßnahmen und Mittel für den Agrarumwelt- und Klimaschutzes in der zweiten Säule auszutarieren. Sie sind auch auszutarieren mit den anderen Anforderungen an die GAP, insbesondere mit dem Einkommensziel und der Förderung ländlicher Räume.
Die europaweit und für alle geltenden Anforderungen (der Konditionalität) sind dabei so zu gestalten, dass sie die Erwartungen der europäischen Öffentlichkeit, insbesondere hinsichtlich des Tier- und Umweltschutzes abbilden.

Die neuen Öko-Regelungen in der ersten Säule sollen flächenbezogen, jährlich, vom Landwirt durchführbar und einfach zu kontrollieren sein. Dazu könnten die Nichtbewirtschaftung von Teilflächen oder Randstreifen für den Arten- oder Gewässerschutz gehören.

In der zweiten Säule werden, flexibel für die Mitgliedstaaten, speziellere Ziele des Tier-, Umwelt- und Klimaschutzes gefördert. Diese Struktur der GAP ist für mich nur im direkten Zusammenhang zu verhandeln, damit wir nicht an der einen Stelle neue Elemente einführen, die es unter Umständen längst an anderer Stelle gibt.

Drittens dürfen wir Kappung und Degression nicht standortgefährdend umsetzen.

Die von der Europäischen Kommission in der vorliegenden Form vorgeschlagene verpflichtende Kappung und Degression der Direktzahlungen unter Berücksichtigung von Arbeitskräften lehnt das BMEL ab.

Wir befürworten ein fakultatives Vorgehen, damit die Mitgliedstaaten selbst über eine eventuelle nationale Kappung oder Degression entscheiden können. Natürlich muss man beachten, dass größere Betriebe deutliche Kostenvorteile gegenüber kleineren Betrieben haben. Mit steigender Hektarzahl steigt die Möglichkeit der Einsparung beim Einkauf, bei der Mechanisierung. Deshalb ist es richtig, dass die ersten Hektare stärker gefördert werden und somit kleinere und mittlere Betriebe davon auch profitieren.

Ich möchte auch keine Nachteile für den klassischen Mehrfamilienbetrieb, der sich bewusst für ein kooperatives Wirtschaften entschieden hat. Diese dürfen wir nicht mit "ferngesteuerten" Agrar-Holdings in einen Topf werfen.

Für nichtlandwirtschaftliche Investoren gilt es hingegen, Begrenzungsmöglichkeiten bei den Direktzahlungen zu formulieren. Daher möchte das BMEL zukünftig verbundene Unternehmen als einen einzigen Betriebsinhaber definieren können.

Bei einer Degression der Direktzahlungen wären dann bei verbundenen Unternehmen alle Direktzahlungen des Verbundes zugrunde zu legen. Die Umverteilungsprämie könnten sie ebenfalls nur einmal und nicht für jedes Tochterunternehmen erhalten.

Viertens müssen wir die GAP finanziell ausreichend ausstatten

Um die Ziele der GAP zu erreichen, brauchen wir eine ausreichende Finanzierung. Denn man darf nicht einerseits immer mehr öffentliche Leistungen von den Bäuerinnen und Bauern einfordern, während man ihnen andererseits die öffentlichen Mittel kürzt. Daher setze ich mich dafür ein, dass das Haushaltsvolumen gleich bleibt, genauso, wie wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Der Vorschlag der Kommission bleibt aber bisher dahinter zurück: Deutschland würde über sieben Jahre 2,6 Milliarden Euro weniger erhalten. Das passt aus meiner Sicht nicht mit der ambitionierten Zielsetzung beim Umwelt- und Klimaschutz sowie der Förderung der ländlichen Räume über die 2. Säule zusammen. Denn mit diesem Geld sorgen wir in Europa für gute Lebensmittel, unterstützen nachhaltige Landwirtschaft und entwickeln unsere ländlichen Räume. Deshalb werden wir im Rahmen der Debatten zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen engagiert verhandeln.

Wir dürfen die GAP angesichts der Herausforderungen nicht "ausbluten" lassen, damit wir insbesondere den Brexit kompensieren und die neuen politische Schwerpunkte auf europäischer Ebene finanzieren.

Schluss

Wir in Deutschland haben wie kaum ein anderes Land in Europa von der europäischen Einigung profitiert. Besonders auch unsere Branche, die Land- und Ernährungswirtschaft. Deshalb müssen wir uns intensiv in die Debatte um die Zukunft der GAP einbringen, mit einem klar pro-europäischen Selbstverständnis.

Europa war und ist nicht homogen, sondern es gibt unterschiedliche Regionen mit unterschiedlicher Landwirtschaft und unterschiedlichen Anforderungen an die gemeinsame europäische Agrarpolitik. Dennoch muss für uns das "Gemeinschafts-Prinzip" der Europäischen Einigung im Mittelpunkt unserer Politik stehen, und nicht das "Ich-zuerst-Prinzip".

Das bedeutet dann auch, dass Kompromisse nicht verächtlich betrachtet werden sollen, sondern als fester Bestandteil des politischen Diskurses akzeptiert werden.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Hannover


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