Landwirtschaftliche Nutztierhaltung in Deutschland hat nur dann eine Zukunft, wenn es uns gelingt, Landwirtschaft und Verbraucher wieder näher zusammenzubringen

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner zum Rundgang durch die Ausstellung zum Forschungsvorhaben "Virtueller Stall der Zukunft" im BMEL

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Herzlich Willkommen im Bundeslandwirtschaftsministerium! Zur Vorstellung des Projekts "Virtueller Stall der Zukunft". Eines Projekts, das mein Ministerium in den vergangenen 18 Monaten gefördert und begleitet hat.

Veränderung ist die Voraussetzung für Akzeptanz

Die gesellschaftliche Kritik an der Nutztierhaltung hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Art und Weise wie in unseren Ställen Tiere gehalten werden, ist Gegenstand ethischer und gesellschaftlicher Debatten geworden. Die Fragen der Wirtschaftlichkeit rücken zunehmend in den Hintergrund.

Will man nun die Debatten aufnehmen, auf dieser Basis Veränderungen gestalten, müssen wir dieses Thema aus verschiedenen Blickwinkeln angehen.

Hier lautet die Kernfrage: Wie lassen sich die Erwartungen der Gesellschaft, wirtschaftliche und fachliche Gesichtspunkte sowie dabei möglicherweise auftretende Zielkonflikte miteinander vereinbaren?

Wie lassen sich praktisch realisierbare Stallbaukonzepte für die Schweinehaltung entwickeln?

Durch Forschung die Nutztierhaltung zukunftsfähig machen

Genau an dieser Stelle stehen nun Ihre Konzepte für den "Stall der Zukunft".

Sie haben in diesem Projekt all jene zusammengebracht, die es für den Schweinestall der Zukunft braucht. Sie haben Wissenschaftler, Bürger, Stakeholder, Landwirte und Stallbauer zusammen denken und arbeiten lassen, um virtuell verschiedene Ställe der Zukunft zu konzipieren.

Die mehr Tierwohl ermöglichen!

Schweinehalter konnten ihre Anforderungen im Hinblick auf Planungssicherheit genauso einbringen wie Konsumenten ihren Anspruch auf Transparenz und Glaubwürdigkeit bei der Tierhaltung. Sie haben zudem durch öffentliche Umfragen Stimmungsbilder eingeholt.

Und heute stehen nun die Ergebnisse und Highlights dieses Prozesses im Mittelpunkt, auf die ich kurz eingehen möchte:

  • Der Stall der Zukunft muss den Tieren auf jeden Fall mehr Platz und Bewegungsfreiheit bieten.
  • Die Produktion muss transparenter werden, indem man die Tiere auch wieder im Außenbereich eines Stalles sieht.
  • Das dient gleichzeitig dem Tierwohl.
  • Die Tiere brauchen mehr Beschäftigung und Abwechslung, das Schwein muss auch mal wieder "wühlen" können.
  • Die Ästhetik der Ställe sollte steigen, natürliche Rohstoffe verbaut werden, damit die Gebäude wieder Teil der sie umgebenen Landschaft sind.
  • Sie haben festgestellt, dass die Ställe allein durch eine veränderte Optik, eine positivere kognitive Wahrnehmung erzielen als die heutigen Ställe.

Es wurde aber auch deutlich: den Stall der Zukunft gibt es nicht.

Sie haben verschiedene Varianten erarbeitet, um betrieblichen und regionalen Besonderheiten gerecht werden zu können. Was Sie in Ihrer Arbeit auch beachtet haben, ist die zentrale Frage: Was kostet denn diese Weiterentwicklung, und wer soll sie bezahlen?

Sie kalkulieren mit Produktionsmehrkosten von etwa 30 Euro pro verkauftem Mastschwein, die nicht so einfach über den Handel zu erlösen sein werden. Deshalb brauchen wir neue Kennzeichnungssysteme der so erzeugten Lebensmittel, die den Mehrwert von höheren Tierwohlstandards abbilden. Deshalb arbeite ich an der schnellen Einführung eines staatlichen Tierwohlkennzeichens.

Der Gesetzentwurf zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens wurde bereits Mitte April dieses Jahres bei der Europäischen Kommission notifiziert. Dies ist ein wichtiger Schritt, da damit dem weiteren Gesetzgebungsverfahren von Seiten der EU nichts im Wege steht. Wir wollen nun weiter zügig vorankommen, das Tierwohlkennzeichen für Schweine schnellstmöglich einführen.

Im kommenden Jahr sollen die ersten Produkte mit dem Tierwohlkennzeichen im Handel sein. Es wird spannend zu sehen sein, ob wir dann zukünftig im Handel Produkte finden, die aus einem der von Ihnen in diesem Forschungsvorhaben konzipierten Ställe stammen.

Schluss

Das Projekt "Virtueller Stall der Zukunft" bietet fundierte Denkanstöße für alle, die zukunftsfähige Schweineställe bauen oder fördern möchten. Die den verschiedenen Anforderungen aus der Sicht des Tieres, der Gesellschaft, aber auch der landwirtschaftlichen Nutztierhalter gerecht werden möchten.

Es kann damit Ausgangspunkt für die Weitentwicklung für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung in Deutschland sein. Mit dem Ziel, die Akzeptanz der Nutztierhaltung in der Bevölkerung zu steigern.

Dazu startet am 01. Juni auch unser Projekt Social Lab II, wo Sie, lieber Herr Professor Spiller, ja auch beteiligt sind, und auf dessen Ergebnisse ich bereits jetzt sehr gespannt bin.

Denn letztlich hat die landwirtschaftliche Nutztierhaltung in Deutschland nur dann eine Zukunft, wenn es uns gelingt, die Landwirtschaft - und damit auch die Tierhaltung – mit den Verbrauchern wieder näher zusammenzubringen.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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