Die Düngung muss in belasteten Gebieten in Deutschland reduziert werden und wir müssen die Stickstoffeffizienz deutlich verbessern.

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner auf dem Forum "Gemüseanbau im Fokus"

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Einleitung

Lassen Sie mich Ihnen zunächst herzlich für die heutige Einladung danken!

Ich freue mich, hier bei Ihnen im "Gemüsegarten Deutschlands" zu sein. Diesen Namen verdient die Pfalz ganz zu Recht: Sie ist das größte geschlossene Gemüseanbaugebiet Deutschlands. In keinem anderen Bundesland hat die Gemüseerzeugung einen so hohen Anteil am Produktionswert der Landwirtschaft wie hier. Mit knapp 20 Prozent ist Rheinland-Pfalz der deutsche Spitzenreiter.

Das hat seinen Grund. Hier im Südwesten können Salate und Frischgemüse rund vier Wochen früher als in anderen Teilen Deutschlands geerntet werden. Und im Herbst läuft die Anbausaison im Schnitt drei Wochen länger. Hinzu kommen die guten Böden, viel Sonne und ein weitläufiges Bewässerungsnetz. Die Bedeutung der Gemüseproduktion in Rheinland-Pfalz ist deutlich gewachsen.

Vor rund 15 Jahren lag der Anteil am Produktionswert noch bei zwölf Prozent. Auch hat die Pfalz mit dem Faktor 1,3 die höchste Anbauintensität vorzuweisen.

Das sind Erfolge, Ihre Erfolge. Sie investieren hier in Mutterstadt rund 30 Millionen Euro, um sich für die Zukunft gut aufzustellen. Ich freue mich, dass Sie als Obst- und Gemüsebauern clever die Marktchancen nutzen, die Ihnen die Region bietet.

Beim Aufzählen der Erfolge schwingt aber auch schon vieles von dem mit, was Sie derzeit sehr beschäftigt. Wer arbeitsintensive Sonderkulturen anbaut, ist auf die Verfügbarkeit von Erntehelfern angewiesen. Ich werde Sie gleich auf den neuesten Stand der Dinge bringen und berichten, was unser Ministerium unternimmt. So viel schon vorab: Es ist nicht ganz banal, hier mit ausländischen Arbeitsverwaltungen zu einer Lösung zu kommen.

Das Stichwort Markt führt uns zu einem weiteren wichtigen Thema: Nämlich zu Marktmacht und zu unlauteren Handelspraktiken. Wir sind hier gemeinsam wichtige Schritte zu einem fairen Miteinander gegangen. Das werde ich Ihnen gleich genauer erläutern.

Und beim Thema Intensität muss ich auch eines ansprechen: die Düngeverordnung und die damit eng verknüpfte Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz der Landwirtschaft.

Sie schaffen Arbeitsplätze

Es gibt so gut wie keine Beschwerden über das Genehmigungsprozedere, aber mir ist bewusst, dass die personelle Verfügbarkeit angespannt bzw. an ihre Grenzen stößt. Unser Ministerium arbeitet beständig an dem Thema. Denn es ist ja so, dass der wirtschaftliche Aufschwung in bisherigen Herkunftsländern für Saisonarbeitskräfte wie Polen und Rumänien dort bessere Verdienstmöglichkeiten geschaffen hat. Diese Erntehelfer fehlen jetzt unseren Obst- und Gemüsebauern.

Damit Sie auch zukünftig Ihren Bedarf an Saisonarbeitskräften decken können, brauchen wir Vermittlungsabsprachen mit ausländischen Arbeitsverwaltungen. Gemeinsam mit dem Arbeitsministerium und der Bundesagentur für Arbeit prüfen wir derzeit, mit welchen Staaten Vermittlungsabsprachen abgeschlossen werden können. Erste Gespräche mit den Arbeitsverwaltungen in Drittstaaten wurden bereits geführt.

Für Vermittlungsabsprachen kommen die Länder des Westbalkans in Frage; außerdem die Republik Moldau und die Ukraine. Bei einer Beschäftigung von bis zu 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen sind diese Staaten visumsfrei. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine schnelle Vermittlung von Saisonarbeitskräften.

Ich will Ihnen das aber nicht verschweigen: Die Verhandlungen gestalten sich schwierig.

Sollten wir erfolgreich sein – was derzeit noch offen ist – könnten Erntehelfer aus diesen Ländern frühestens ab 2020 als Saisonarbeitskräfte in Deutschland beschäftigt werden. Hier müssen wir also abwarten, was die Gespräche bringen.

Der Umgang zwischen Lebensmitteleinzelhandel und Bauern wird fairer

Sie vermarkten über die Pfalzmarkt Erzeugerorganisation jährlich rund 230.000 Tonnen Obst und Gemüse. Ihr Umsatz liegt bei etwa 150 Millionen Euro. Mit Ihren rund 250 Mitgliedsbetrieben besitzt auch Ihre Erzeugerorganisation eine gewisse Marktmacht. Diese muss noch gestärkt werden, um ein entsprechendes Gegengewicht zum Einkaufsmonopol des LEH zu erzeugen. Sie sehen sich aber gleichzeitig der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels gegenübergestellt. Unser Ministerium hat viel dafür getan, dass wieder mehr Gerechtigkeit ins Geschäftsleben einzieht.

Sie, Herr Hartelt, und ich, wir befanden uns in einem fortlaufenden Austausch über gängige Handelspraktiken, die nicht mehr unter den Begriff "fair" fallen können. Auch gab es Runde Tische zwischen Bauern und der Lebensmittelbranche, die für Dialog und auch für mehr gegenseitiges Verständnis gesorgt haben. Seit dem 30. April dieses Jahres gilt nun die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken. Darauf bin ich stolz.

Diese EU-Richtlinie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. Wir werden sie hier in Deutschland fristgemäß bis spätestens 1. Mai 2021 umgesetzt haben. Damit schützen wir Landwirte und Verarbeiter bis zu einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro gegenüber größeren Unternehmen des Lebensmittelhandels und der Lebensmittelverarbeitung.

Mit einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro profitieren also auch Sie von diesen neuen Regeln. Die schwarze Liste der EU enthält zehn unlautere Handelspraktiken, dazu zählen:

  • verspätete Kaufpreiszahlungen insbesondere für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse,
  • kurzfristige Auftragsstornierungen verderblicher Erzeugnisse,
  • einseitige Vertragsänderungen,
  • Verzicht auf schriftliche Bestätigung der Bestellmengen.

Das ist nun grundsätzlich verboten.

Weitere unfaire Handelspraktiken stehen auf der grauen Liste und sind nur noch dann erlaubt, wenn beide Vertragsparteien vorher ausdrücklich und eindeutig zugestimmt haben. Hierzu zählen beispielsweise die Rückgabe nicht verkaufter Mengen ohne Zahlung des Kaufpreises oder Zahlungen für Werbung und Verkaufspersonal.

Unser Ministerium wird die EU-Richtlinie 1:1 umsetzen

Gemüsebauern sind von der Düngeverordnung stark betroffen

Wer ordentliche Qualitäten und Erträge ernten möchte, muss auch ordentlich wirtschaften können. Dazu zählt eine ordnungsgemäße Düngung. Die rheinland- pfälzische Landwirtschaft hat bereits große Anstrengungen unternommen. Insbesondere die Pfälzer Grumbeere hat sich in den letzten 30 Jahren intensiv mit dem Thema Nitratreduktion beschäftigt.

Aber ich sage Ihnen jetzt wie es ist: Die Gemüsebauern in den roten Gebieten werden durch die geplanten Änderungen der Düngeverordnung stark betroffen sein. Diese Betriebe werden den Düngebedarf im Betriebsdurchschnitt um 20 Prozent reduzieren müssen. Zudem wird die zulässige Stickstoffmenge aus organischen Düngemitteln für jeden einzelnen Schlag begrenzt. Davon sind laut dem Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenanbau vor allem Betriebe betroffen, die sich auf den Anbau von Kohl, Brokkoli, Spinat, Salat, Bundzwiebeln und Radieschen spezialisiert haben. Zu Ihren TOP 3 im Vertrieb zählen Bundzwiebeln, Radieschen und Blatt- und Kopfsalate.

Doch wir alle müssen eine Tatsache zur Kenntnis nehmen. Gerade in Gemüseanbaugebieten ist das Grundwasser häufig mit Nitrat belastet. Die Messstelle mit den höchsten Nitratwerten im Grundwasser liegt hier ganz in der Nähe in Rheinland-Pfalz.

Bei uns steht die Uhr nicht mehr auf fünf vor zwölf, sondern auf eins vor zwölf. Die EU-Kommission hat am 25. Juli beschlossen, ein Zweitverfahren gegen Deutschland wegen der Nichteinhaltung der EG-Nitratrichtlinie einzuleiten. Sie verlangt von Deutschland erneut weitere Anpassungen, insbesondere für die Düngung in den belasteten Gebieten. Dänemark und den Niederlanden ist es in der Vergangenheit ähnlich ergangen und gegen Griechenland wurde bereits Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in einem Zweitverfahren erhoben.

Wir, die Bundesregierung, haben nun noch einen Monat Zeit, um gemeinsam mit den Ländern erneut eine Einigung zu erzielen und zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Die EU-Kommission wird unsere Antwort prüfen. Wenn die Kommission der Auffassung ist, dass wir den Anforderungen nicht ordnungsgemäß nachkommen, kann sie den Europäischen Gerichtshof anrufen. Sie haben schon gehört und gelesen, was daraus folgen kann: erhebliche Zwangsgelder von bis zu 857.000 Euro pro Tag.
Das will niemand, oder?

Wir hätten uns alle gewünscht, dass zunächst die 2017 vorgenommenen Nachbesserungen an der Düngeverordnung ihre volle Wirkung hätten entfalten können. Ihr Unmut ist groß und ich kann ihn gut nachvollziehen. Doch wir müssen jetzt nochmals nachbessern. Ich werde dazu am 28. August mit meiner Kollegin, unserer Bundesumweltministerin Svenja Schulze, nach Brüssel reisen und versuchen, alles Menschenmögliche möglich zu machen, um mit dem EU-Umweltkommissar Vella eine Einigung zu erzielen.

Doch es wird dabeibleiben: Die Düngung muss in belasteten Gebieten in Deutschland reduziert werden und wir müssen die Stickstoffeffizienz deutlich verbessern.

Mein Ziel ist, das Grundwasser besser zu schützen. Aber mein Ziel ist auch weiterhin, zu vermitteln, dass das Düngen seine Berechtigung hat. Es geht jetzt darum, eine praxistaugliche und zugleich umweltschonende Regelung zu erreichen. Diese wird aber nur in gemeinsamer Anstrengung zwischen Landwirtschaft und Konsumenten erreicht werden können. Auch die Konsumenten können zu einer Verbesserung beitragen, wenn sie nicht nur ihr Augenmerk auf das "tiefgrüne Outfit" des Gemüses reduzieren. Düngung hat seine Berechtigung um Sicherheitserträge zu garantieren. Das gilt sowohl für den konventionellen als auch für den Bio-Anbau.

Gemeinsam den Obst- und Gemüsebau zukunftsfähig machen

Dabei werden wir Sie unterstützen. Unser Ministerium hat schon vorgearbeitet. Seit mehr als drei Jahren gibt es das Modell- und Demonstrationsvorhaben "Optimierung der Stickstoffdüngung im Freilandgemüsebau", das unser Ministerium mit rund 1,4 Millionen Euro fördert. Ausgewählte Betriebe setzen neue gemüsebauliche Strategien in die Praxis um, die geringere Stickstoffverluste erwarten lassen. Zum Beispiel über Optimierungen bei der Bewässerung und bei den Fruchtfolgen. Es werden passgenaue Düngeberatungssysteme angeboten, die die unterschiedlichen Betriebsstrukturen berücksichtigen. Workshops tragen das Wissen in die Praxis.

Ich kann nur an Sie alle appellieren: Bitte schauen Sie sich das an und nutzen Sie es.

Die Ansprüche der Gesellschaft an die Land- und Ernährungswirtschaft sind hoch. Und sie werden weiter steigen. Mein Ziel ist, die gesellschaftlichen Erwartungen mit den Anforderungen der Praxis in Einklang zu bringen. Und dazu brauche ich Sie. Machen Sie mit. Es wird kein Weg daran vorbeigehen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, den Obst- und Gemüsesektor zukunftsfähig aufzustellen.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Mutterstadt


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