Es hilft der Umwelt nicht, wenn der Umweltschutz an der Landesgrenze endet.

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, anlässlich der Friedensbrotkonferenz am 20. September 2019 in Vilnius

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede

Ich freue mich sehr, hier zu sein und Sie als Schirmherrin der Friedensbrotinitiative begrüßen zu dürfen.

Dass wir heute in dieser Runde zusammenkommen können, ist einem Ereignis zu verdanken, das sich in diesem Jahr zum 30. Mal jährt: Dem Mauerfall am 9. November 1989!

Der Fall der Mauer hat nicht nur das Leben der Menschen in Deutschland verändert und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ermöglicht. Der Fall der Mauer hat auch das Leben in den anderen europäischen Ländern, insbesondere im Osten verändert.

Denn der Druck gegen die Mauer, die unser Land in zwei Hälften gespalten hat, hat ja seine enorme Kraft gerade auch von Freunden der Freiheit etwa in Polen und Ungarn bekommen. Im Juni 1989 fanden in Polen Wahlen statt, die zu einem großen Sieg der Opposition führten. Und im August 1989 wurde Tadeusz Mazowiecki der erste nichtkommunistische Regierungschef in Osteuropa seit vierzig Jahren.

Das machte den Menschen in der DDR Mut, ließ sie auf eine Wende im eigenen Land hoffen. Das Paneuropäische Picknick, das im August 1989 an der ungarisch-österreichischen Grenze stattfand, war ein weiteres Ereignis, das den Druck erhöhte: Damals nutzten 600 DDR-Bürger kurzentschlossen die Gelegenheit und flohen während der kurzen Grenzöffnung nach Österreich. Und als Ungarn im September 1989 seine Grenzen endgültig öffnete, war dies eine Ermutigung für die Menschen in der DDR, sich mit aller Kraft für die eigene Freiheit stark zu machen.

Viele Menschen in den ehemals sozialistischen Staaten haben nach dem 2. Weltkrieg Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie vermisst. Um diese wieder zu erlangen, starteten sie eine Bewegung, die uns zur Europäischen Union in ihrer heutigen Form geführt hat.

Diese Ereignisse waren mit ausschlaggebend für den Fall der Mauer in Deutschland. Mit dem Fall der Mauer eröffneten sich dann auch in Ländern Mittel- und Osteuropas wieder neue Perspektiven für die Freiheit. Elf europäische Staaten konnten der Europäischen Union beitreten und somit Teil einer starken Europäischen Union werden. Sie nehmen teil an ihr und entwickeln sie durch ihre Werte, ihre Geschichte und ihre Bedürfnisse weiter.

Die Europäische Union steht trotz aller Unterschiede heute für Frieden, Freiheit und gemeinsame Werte. Die Europäische Union ist aber mehr: Sie steht auch für Solidarität und Zusammenarbeit beim Verfolgen gemeinsamer Ziele.

Viele Probleme, mit denen wir in unseren jeweiligen Ländern konfrontiert sind, können wir nicht alleine bewältigen. Hieran müssen wir gemeinsam arbeiten und wir tun dies gerne! Zum einen, weil die Probleme grenzüberschreitend sind.

Der Klimawandel zum Beispiel macht nicht an Ländergrenzen halt. Landwirte in ganz Europa bekommen seine Folgen zu spüren. In Deutschland haben wir das zweite Dürrejahr in Folge. Die Niederschläge haben in vielen Regionen Deutschlands in diesem Jahr nicht ausgereicht, den akuten Bedarf zu decken, geschweige denn um die Bodenwasserspeicher aufzufüllen.

Kooperation ist aber auch deshalb sinnvoll, weil sich die Probleme in unseren Ländern zum Teil ähneln und wir hier voneinander lernen können. Und schließlich ist eine Zusammenarbeit unerlässlich, weil wir viele Probleme nicht allein lösen können. Es hilft nicht, wenn nur ein Land seine Landwirtschaft so gestaltet, dass sie zukunftsfähig und nachhaltig wird.

Hier können wir nur gemeinsam etwas erreichen.

Für eine gemeinsame Agrarpolitik nach 2020

Ein gemeinsames europäisches Engagement: das brauchen wir auch in der Agrarpolitik! Die Europäische Union setzt mit der Gemeinsamen Agrarpolitik, der GAP, hierfür den Rahmen.

Mit diesem Rahmen werden klare und für alle Mitgliedstaaten verbindliche Leitplanken vorgegeben, um den Charakter einer Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik zu sichern. Uns ist wichtig, dass die GAP nach 2020 einen größeren Beitrag zu Umwelt-, Natur- und Klimaschutz leistet und dafür auch Anreize für die Landwirte setzt, damit sich Landwirtschaft weiter lohnt Diese sogenannte "Grüne Architektur der GAP" ist für uns ein Kernpunkt der neuen GAP. Mit der "Grünen Architektur" legen wir fest, wie unsere Landwirtschaft mehr Leistungen für die Umwelt erbringen kann.
Dafür müssen aber zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

  • Erstens muss dieses "Mehr" an Umweltleistungen für unsere Landwirtsfamilien praktikabel, umsetzbar und auch lohnend sein.
  • Zweitens müssen bestimmte Kernelemente der "Grünen Architektur" EU-weit gleich umgesetzt werden.

Das ist auch eine Frage der Wettbewerbsgleichheit.

Aber nicht nur: Es hilft der Umwelt nicht, wenn der Umweltschutz an der Landesgrenze endet. Einen wirklich positiven Effekt für die Umwelt können wir nur erreichen, wenn alle europäischen Länder an einem Strang ziehen!

Mir ist bewusst, dass es immer noch große Unterschiede zwischen den europäischen Ländern gibt. Hier müssen wir aber auch die Gründe für die Beibehaltung einer Differenzierung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union berücksichtigen.

Diese liegen in

  • den Kosten für Land und Arbeit
  • der generellen Kaufkraft
  • den geforderten Treibhausgaseinsparungen
  • Anforderungen an die Luftreinhaltung
  • und dem außerlandwirtschaftlichen Einkommensniveau.

Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten haben, mit denen nicht alle Wünsche aller Mitgliedstaaten erfüllt werden können.

Wir haben nach dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens zudem eine schwierige Ausgangslage. Noch sind die Folgen des Brexits für die Europäische Union nicht absehbar, auch wenn wir uns alle sehr gut darauf vorbereiten. Umso wichtiger ist es, dass wir als diejenigen, die zur Europäischen Union stehen und sich klar zu diesem Bündnis bekennen, zusammenhalten!

Zukunft für Junglandwirte sichern

Die erfolgreiche Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ist aber auch wichtig für die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Und nur eine Landwirtschaft, die in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt ist, ist eine Landwirtschaft, die auch für die nachfolgende Generation attraktiv ist.

Es ist ganz klar: Landwirtschaft muss sich lohnen. Derzeit sehen viele Bauernkinder keine Zukunft mehr in der Landwirtschaft. Das müssen wir ändern.

Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik, die dazu beiträgt, das Einkommen der Landwirtsfamilien zu stabilisieren und die moderne Landwirtschaft umweltgerecht zu gestalten, schaffen wir Zukunft. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, den Beruf des Landwirts wieder attraktiv zu machen.

Gerade für die junge Generation sind Klima- und Umweltschutz zentrale Anliegen: denn es geht um ihre Zukunft.

Wir müssen daher zwei Dinge tun:

  • Wir müssen zum einen dafür sorgen, dass die Landwirte und ihre Familien auch künftig von ihrer Arbeit leben können. Das tun wir mit der Gemeinsamen Agrarpolitik!
  • Und wir müssen zugleich vermitteln, dass jeder Landwirt seinen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten kann. Moderne Landwirtschaft und Umweltschutz dürfen nicht länger als Gegensätze gedacht werden.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten ist die Europäische Union, unsere gemeinsame Idee von einem vereinten Europa, verstärkt unter Druck geraten. Dem Euroskeptizismus, dem wir leider in vielen europäischen Ländern begegnen, müssen wir uns entgegenstellen.

Die FriedensBrot-Initiative ist ein starkes Zeichen für den Zusammenhalt unserer Länder.

Und ich freue mich deshalb sehr, dass Sie mit dieser jährlichen Konferenz diesen Zusammenhalt mit Leben füllen. Dafür auch Ihnen, lieber Dr. Schenk, ein herzlicher Dank!

Diese Initiative ist ein Rahmen, in dem wir mit- und voneinander lernen können und uns auch über alle Unterschiede hinweg miteinander verständigen können. Denn eins ist klar: Viele der Probleme, mit denen wir jetzt und in Zukunft konfrontiert werden, können wir nur gemeinsam lösen!

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Vilnius


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