Wir müssen handeln!

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, auf dem Nationalen Waldgipfel am 25. September 2019 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.

Anrede

Dieser Gipfel ist ein Krisengipfel

Ich begrüße Sie alle sehr herzlich, zu unserem Nationalen Waldgipfel.

Das Klimakabinett hat am vergangenen Freitag Eckpunkte zum Klimaschutzprogramm 2030 getroffen. Zum Wald heißt es dort unmissverständlich. Ich zitiere: "Im Erhalt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder und der Holzverwendung liegt ein enormes Klimaschutzpotenzial. Dazu sind geeignete Maßnahmen zur Wiederbewaldung der Schadflächen sowie Maßnahmen zur verstärkten Anpassung der Walder insgesamt an den Klimawandel […] notwendig. Dazu gehört [auch] eine vermehrte Verwendung von Holz als klimafreundlichem Baustoff." Soweit das Klimakabinett.

Ich begrüße dieses Bekenntnis der Bundesregierung. Ich begrüße auch, dass die Forstwirtschaft zunächst nicht in den Zertifikatehandel einbezogen worden ist. Denn das, meine Damen und Herren, will wohl überlegt sein. Denn ein "Rein" in den Zertifikatehandel in guten Jahren, bei steigenden Vorräten, und ein "Raus" in schlechten Jahren, bei abnehmenden Vorräten, geht sicher nicht.

Ich setze mich aber dafür ein, dass der Klimaschutz bei der Entwicklung von Instrumenten zur Honorierung von Ökosystemleistungen einbezogen wird. Wir werden das Thema im Rahmen der Erarbeitung der Waldstrategie 2050 auf die Agenda setzen.

Der Beschluss des Klimakabinetts ist die Grundlage für meine Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister über zusätzliche Mittel aus dem Energie- und Klimafonds für den Wald im Klimawandel. Diese sollen 547 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren betragen. Davon fließen 478 Millionen in die GAK. Weil wir sie in enger Abstimmung mit den Ländern nutzen wollen.

Das bedeutet aber auch, dass die Länder diese Mittel kofinanzieren, also mit eigenen Mitteln ergänzen müssen. Ich appelliere deshalb an die Länder, hier mit erster Priorität tätig zu werden.

Wir waren auf einem guten Weg. Und dennoch ist dieser Gipfel ein Krisengipfel. Denn der Klimawandel hat uns deutlich schneller getroffen als erwartet. Mehr als 180.000 Hektar geschädigte Waldfläche müssen wieder bewaldet werden. Das entspricht über 250.000 Fußballfeldern! Noch im April sind wir von 110.000 Hektar ausgegangen. Wir rechnen inzwischen mit rund 105 Millionen Festmeter Schadholz insgesamt in den vergangenen beiden Jahren

Deshalb ist klar: Wir müssen handeln!

Mit den "Eckpunkten zu Deutschlands Wald im Klimawandel", die auch Ihrer Tagungsmappe beiliegen, stelle ich die wesentliche Orientierung für die Realisierung dieser Generationenaufgabe dar. Wir haben die Eckpunkte auf Basis der Empfehlungen der Wissenschaft erarbeitet. Ich nenne hier explizit das Papier des deutschen Verbandes der Forstlichen Forschungsanstalten, welches 74 Wissenschaftler unterschrieben haben. Und auf der Basis der Positionen von über 35 Verbänden, die wir anlässlich unserer Gespräche am 29. August im Bundeswaldministerium diskutiert haben.

Die Diskussionen und Ergebnisse heute sollen in die weiteren Beratungen zu den konkreten Maßnahmen und deren Umsetzung einfließen. Wir werden sie auch bei der Waldstrategie 2050 berücksichtigen, die wir bis Ende des nächsten Jahres entwickeln werden.

Mir ist deshalb wichtig: Dass wir uns darüber verständigen, welchen Wald wir wollen und welche konkreten Maßnahmen mit Nachdruck umgesetzt werden müssen.

Was für Wälder wollen wir?

Wir wollen Wälder erhalten und entwickeln, die wie bisher die verschiedenen, unverzichtbaren Leistungen für Natur und Gesellschaft auch in Zukunft erbringen. Wir brauchen klimaanpassungsfähige, naturnahe und nachhaltig bewirtschaftete Mischwälder. Diese mindern das Risiko großflächiger Kalamitäten und binden auch in Zukunft weiterhin Kohlenstoffdioxid.

Wir wollen Wälder, die leistungsfähig sind und auch für künftige Generationen nachhaltiges, heimisches Holz als wichtigen klimafreundlichen, nachwachsenden Rohstoff produzieren.

Und wir brauchen auch Wälder, die ihrer natürlichen Entwicklung überlassen bleiben. Um diesen Zukunftswald zu entwickeln, sind Mischwälder mit heimischen, standortangepassten Baumarten bevorzugt zu fördern.

Ein breites Spektrum von standortgerechten Baumarten soll die Stabilität der Wälder sichern und zur Risikominimierung beitragen. Dabei werden wir auch prüfen, ob und wo eingeführte Baumarten helfen, den Wald zu erhalten und zu bewirtschaften.

Was haben wir bereits angestoßen?

Es gibt viel zu tun. Wir haben aber auch schon viel angestoßen:

  • Der Deutsche Bundestag hat im Haushalt 2019 in der GAK zweckgebunden zusätzliche 5 Millionen Euro zur Bewältigung von Extremwetterereignissen im Wald und zur langfristigen Stabilisierung der Wälder beschlossen. Dabei war vorgesehen, in einem Zeitraum von fünf Jahren 25 Millionen Euro insgesamt zur Verfügung zu stellen, also jeweils 5 Millionen Euro jährlich. Im Regierungsentwurf zum Haushalt 2020 haben wir diesen Betrag auf 10 Millionen Euro erhöht.
  • Zusätzlich hat unser Ministerium im vergangenen Jahr steuerliche Erleichterungen beim Finanzministerium für besonders stark betroffene Forstbetriebe erreicht.
  • Die Landwirtschaftliche Rentenbank unterstützt die Forstwirtschaft in einer neuen Fördersparte.

Diese Maßnahmen greifen bereits, sie reichen aber bei weitem nicht aus.

Ich freue mich daher über den erreichten Verhandlungsstand mit dem Bundesfinanzminister von 547 Millionen Euro für den Wald im Klimawandel in den nächsten vier Jahren. Und danke den Ländern schon jetzt für die konstruktive Umsetzung.

Wofür wird das Geld benötigt:

  • Erstens für die Wiederbewaldung der Schadflächen.
  • Zweitens für die Anpassung der 11 Millionen Hektar Wald in Deutschland insgesamt an den Klimawandel.

Mit dem Rest sollen flankierende Maßnahmen wie Monitoring und Forschung sowie das klimafreundliche Bauen mit Holz unterstützt werden.

Die Länder stehen vor der großen Herausforderung, ihren Kofinanzierungsanteil für die flächenwirksamen Maßnahmen, die in der GAK umgesetzt werden sollen, zu bringen und die Maßnahmen dann auch effizient umzusetzen. Wir werden uns dazu auf der Agrarministerkonferenz in den beiden nächsten Tagen beraten.

Welcher Maßnahmen bedarf es konkret?

Die Eckpunkte umfassen konkrete Maßnahmen, die ich Ihnen – zusammengefasst –vorstellen möchte.

Kurzfristig müssen wir folgendes leisten:

1. Wir müssen Schadholz beseitigen

Geschädigte Bäume müssen raus aus dem Wald. Aber: Um einem Missverständnis vorzubeugen: Keinesfalls soll der Wald leergefegt werden. Totholz hat wichtige Funktionen im Wald als Lebensraum und Nährstoffquelle. Aber: Tote stehende Bäume gefährden den Verkehr in und am Wald. Sie gefährden Waldbesucher, Waldarbeiter und Fuhrleute, Förster und Holzkäufer.

Wir müssen hier den richtigen Mittelweg finden. Geschädigte noch lebende Bäume sind eine Gefahr für die weitere Ausbreitung der Borkenkäfer.

Wir müssen alles tun, um hier zu unterstützen. Das bedeutet:

  • Die noch zeitlich befristete Erhöhung der zulässigen Gesamtgewichte für Holz-LKW von 40 auf 44 Tonnen sollte verlängert werden.
  • Gleiches gilt für die Erleichterung bei Transportbeschränkungen.
  • Standorte für Holzlagerplätze, sowohl für Trockenlagerung als auch Nasslager, sollten regional abgestimmt geplant und weiter ausgebaut werden.

2. Wir müssen wiederbewalden und Wälder stärker an den Klimawandel anpassen

Die geschädigten Flächen sind wieder zu bewalden.

Dabei stellen sich Fragen:

  • Mit welchen Baumarten?
  • Wo bekomme ich geeignete Pflanzen oder das Saatgut her?
  • Kann ich die Naturverjüngung nutzen?
  • Wie können wir den Wasserhaushalt im Wald erhalten oder stärken?

Von der Diskussion in den Fachpanels erhoffe ich mir Hinweise zu diesen Fragen.

3. Wir müssen Wald und Wild gemeinsam denken

Jagd und Waldbewirtschaftung müssen Hand in Hand gehen. Wo zu hohe Schalenwilddichten die Wiederbewaldung oder die Anpassung der Wälder durch Waldumbau gefährden, müssen wir handeln.

Ziel ist es, auf solchen Flächen eine stringentere und zielgerichtete Jagd des Schalenwildes zu ermöglichen.

Das Jagdgesetz ermöglicht zwar schon jetzt angemessenes Handeln. Jäger und Waldbauern sollen gemeinsam jagdliche Schwerpunkte definieren. Das klappt leider nicht überall. Dafür passen wir das Bundesjagdgesetz an. Um einen tragfähigen Ausgleich zwischen Wald und Wild zu erreichen und zu gewährleisten, dass Jungpflanzen der Hauptbaumarten auch ohne Zaunschutz aufwachsen können.

4. Wir brauchen eine Infrastruktur für den Wald

Auch der Wald braucht eine gute Infrastruktur. Die Instandhaltung von Wegen und Holzlagerplätzen und sonstiger für die Bewirtschaftung notwendiger Infrastruktur muss weiter gefördert werden.

Bei der Waldbrandbekämpfung sind die Schnittstellen bei der Zusammenarbeit zwischen Forstleuten, Feuerwehr und ggf. Einrichtungen wie dem Technischen Hilfswerk immer wieder zu aktualisieren.

In munitionsbelasteten Gebieten sollten geräumte Schneisen angelegt werden, in naturschutzrechtlich geschützten Gebieten in Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden.

Diese Maßnahmen müssen wir mit weiteren – langfristigen - Maßnahmen flankieren. Dazu gehört:

5. Wir müssen den Klein-Privatwald stärker unterstützen und mehr in qualifizierte Fachkräfte investieren

Der größte Anteil von privaten Waldbesitzern in Deutschland sind Klein-Privatwaldbesitzer. Ihre Beratung und ihre Selbsthilfeeinrichtungen müssen wir fördern, damit sie noch professioneller werden. Ausbildung und forstliches Know-how ist immens wichtig, wenn wir die Wälder fit für den Klimawandel machen.

Ich appelliere daher an die Länder sich der forstlichen Ausbildung verstärkt zu widmen.

6. Wald und Klima brauchen Forschung

Wir haben eine gut aufgestellte Waldforschung. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten helfen uns heute. Wir müssen die Forschung zu geeigneten, klimaresilienten Baumarten und Herkünften daher ausbauen.

7. Wir müssen ein Waldschutzmonitoring etablieren

Zusätzlich zu den bestehenden Monitoringsystemen brauchen wir eine systematische Erfassung der Waldschäden durch Sturm, Käfer und Dürre auf nationaler Ebene. Ein solches System bereiten wir gerade mit den Ländern vor.

8. Wir müssen Holz stärker nutzen

Holz und Holzprodukte aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Schonung endlicher Ressourcen.

Als Initiator und Koordinator der "Charta für Holz 2.0" unterstützt unser Ministerium die verstärkte Verwendung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Daher müssen wir

  • uns gemeinsam mit den Ländern stärker für das klimafreundliche Bauen mit Holz einsetzen,
  • uns intensiver auf die Suche nach neuen, innovativen Verwendungsmöglichkeiten von Laubholz machen,
  • und unseren bedeutendsten nachwachsenden Rohstoff insgesamt effizient und intelligent im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzen.

Ich begrüße deshalb, dass die nächste Bauministerkonferenz sich auch mit dem Thema befassen wird.

9. Internationale Zusammenarbeit zur nachhaltigen Forstwirtschaft stärken

Ein letzter Punkt: Ich komme gerade zurück aus Finnland, wo ich am Rand des informellen Agrarrats einen Wald im Nordwesten der Region Uusimaa besucht habe. In solchen Situationen wird klar: Deutschland steht mit der Krisensituation nicht alleine da.

Massive Waldschäden sind aktuell auch in anderen europäischen Ländern, insbesondere in Zentral-Europa, zu verzeichnen. Deshalb gilt auch hier: Wir müssen gemeinsam handeln, uns austauschen. Denn nur gemeinsam werden wir diese gewaltige Herausforderung, vor der wir stehen, lösen können.

Lassen Sie uns damit beginnen. Hier und heute, bei unserem Nationalen Waldgipfel. Ich freue mich auf Ihren Input.

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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