"Freihandel ist wichtiger denn je. Aber er braucht Regeln, Werte und eine Zielrichtung."

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner anlässlich des 70. Jubiläums des Wirtschaftsausschusses für Außenhandelsfragen (WAA)

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Als vor 70 Jahren der Wirtschaftsausschuss für Außenhandelsfragen ins Leben gerufen wurde, lebten die Menschen in unserem Land unter schwierigen Bedingungen: Viele hungerten noch, der Mangel war Alltag. Die Volkswirtschaft lag am Boden.

Damals sahen viele in der Liberalisierung der Märkte und im Handel mit anderen Staaten eine Chance. Die Chance auf eine bessere Zukunft. Und sicher auch die Chance, sich als vertrauenswürdiger Partner neu in die Weltgemeinschaft zu integrieren. Dieser Weg führte auf noch unbekanntes Terrain. Jeder Schritt sollte gut abgewogen sein. Und genau deshalb wurden Sie, der Wirtschaftsausschuss für Außenhandelsfragen, gegründet. Herzlichen Glückwunsch!

70 Jahre später hat sich an Ihrer Aufgabe erstaunlich wenig geändert. Auch heute geht es darum, internationalen Handel nutzbringend für alle zu gestalten. Und auch heute noch dürfen wir uns auf Ihre Expertise verlassen, liebe Mitglieder des Ausschusses! Sie tragen nicht nur zu einer sehr umsichtigen, wohlüberlegten Handelspolitik bei, sondern auch zu ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz.

Doch während es 1949 schlicht und ergreifend darum ging, dass alle ausreichend zu essen bekommen, leben wir heute im Überfluss. Die Liberalisierung der Märkte hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer beispiellosen, weltweiten Wohlstandsentwicklung geführt.

Heute sind für unsere Land- und Ernährungswirtschaft offene Märkte wichtig:

  • Jeder vierte Euro in der deutschen Landwirtschaft wird heute im Export verdient, in der Ernährungswirtschaft ist es sogar jeder dritte Euro.
  • So wird Wohlstand generiert, auf den gerade unsere ländlichen Regionen nicht verzichten können.

Gleichzeitig sind die Anforderungen an den Handel gewachsen. Engagement für eine nachhaltige, sozial und ökologisch ausgerichtete Produktions- und Lebensweise wird immer wichtiger – und das auch völlig zu recht.

Zu den größten Bedrohungen für unsere Zukunft zählen die Endlichkeit unserer Ressourcen und der Klimawandel. Auf beides nimmt die Globalisierung nicht per se Rücksicht. Doch, was jetzt tun? Zieht sich nun jeder wieder auf seine Scholle zurück? Ist Freihandel heute überholt?

Meine These ist: Freihandel ist wichtiger denn je. Aber er braucht Regeln, Werte und eine Zielrichtung, die wir ihm geben können.

Regelbasierte Freihandelsabkommen sind im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung


Hier in Deutschland diskutieren wir viel über die Auswirkungen des Klimawandels und mögliche Maßnahmen. Bei uns bestreitet keiner mehr, dass es auch in unserem wirtschaftlichen Interesse ist, nachhaltiger und klimabewusster zu wirtschaften. Deshalb wollen wir das Prinzip der Nachhaltigkeit nun auch als Staatsziel in unsere Verfassung, das Grundgesetz, aufnehmen.

Mit einem auf unseren Regeln und Werten basierenden Freihandel können wir dazu beitragen, diese Botschaft auch in andere Teile der Welt zu tragen.

Ein Beispiel. In den vergangenen Wochen schockierten uns die Bilder von brennenden Regenwäldern im Amazonas. Die Brände gehen auf eine Politik zurück, die auf kurzfristige Gewinne setzt statt auf den langfristigen Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Freihandelsabkommen können helfen, Einfluss zu nehmen auf die Politik anderer Länder.

Das zeigt sich am Beispiel Mercosur. Mercosur ist ein Assoziierungsabkommen, auf das sich die Europäische Union mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay geeinigt hat. Wenn es in zwei bis drei Jahren in Kraft tritt, wird es den Handel zwischen den beteiligten Staaten liberalisieren – aber nicht nur das. Sein Nachhaltigkeitskapitel verpflichtet die Partner-Staaten auf die Einhaltung und effektive Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und eine nachhaltige Waldbewirtschaftung.

Auch wir werden verpflichtet, unsere Zusagen zum Pariser Klimaabkommen oder für eine nachhaltige Entwicklung gemäß der Agenda 2030 auch tatsächlich umzusetzen. So schafft Freihandel Nachhaltigkeit, wo nationale Alleingänge in die Sackgasse führen!

1949 wie auch 2019 gilt: Freier Handel ist kein Selbstzweck, er soll den Menschen dienen. Die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft ist auf offene Märkte angewiesen. Regelbasierte, wertegebundene Freihandelsabkommen sind eine Chance – über ihr wirtschaftliches Potenzial hinaus. Sie "exportieren" Schutzstandards, fordern nachhaltiges Handeln ein und geben Orientierung.

In Zeiten eskalierender Handelskonflikte hat die Frage daher nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine geostrategische und kulturelle Bedeutung. Wenn wir daher nicht wollen, dass Andere über unsere Köpfe hinweg über unsere Zukunft entscheiden, müssen wir die Spielregeln mitbestimmen.

Mit Unterstützung des WAA machen wir genau diese Fragen zum Thema des nächsten Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) – dem Davos der Landwirtschaftspolitik: Dort diskutieren wir im Januar 2020, wie wir mit Hilfe des internationalen Handels eine sichere, vielfältige und nachhaltige Ernährung für alle erreichen können.

Seien Sie herzlich willkommen. Ich freue mich auf Sie.

Herzlichen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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