Wer den Klimawandel ernst nimmt, muss die Bäume ernst nehmen

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner anlässlich der Ausrufung des Baum des Jahres 2020

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Vielen Dank für die Einladung, der ich als Schirmherrin natürlich gerne gefolgt bin.

Vor einem Jahr, lieber Herr Meier, habe ich hier, im Berliner Zoo, die besonderen Verdienste von Herrn Dr. Wodarz, dem Gründungsvater dieser Veranstaltung und Namensgeber Ihrer Stiftung, gewürdigt. Heute, da Herr Dr. Wodarz leider nicht mehr unter uns ist, wollen wir seiner gedenken. Und das tun wir am besten, indem wir weiterführen, was er geschaffen hat. Mit der jährlichen Ausrufung einer Baumart zum "Baum des Jahres" ist es ihm gelungen, eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Über Deutschlands Grenzen hinweg.

Es ist eine Tradition mit einer über dreißigjährigen Geschichte. Eine Tradition, die alljährlich unsere Aufmerksamkeit auf ein Wesen lenkt, das überall zugegen ist und das einen Kontrapunkt setzt zu unserer zunehmend hektischer werdenden Welt: dem Baum. Lieber Herr Meier, das Besondere an der Arbeit Ihrer Stiftung besteht darin, den Baum zu erkennen und zu würdigen. Der Wald löst in uns positive Grundgefühle aus, Wohlbefinden, Ruhe, Gelassenheit. Fast jeder von uns hat einen Baum, dem er sich besonders verbunden fühlt. Bei mir sind es eine Linde, eine Birke und eine Rotbuche im Garten meiner Eltern, mit denen ich quasi aufgewachsen bin. Und neuerdings auch ein kleiner Sprössling in unserem Garten, den mein Mann und ich zu unserer Hochzeit bekommen haben.

Wir begegnen Bäumen überall. Aber oft sehen wir sie nicht. Sie, lieber Herr Meier, sorgen dafür, dass wir die Bäume bewusster wahrnehmen. Dass wir mehr über sie erfahren. Denn nur was man kennt, liebt und schätzt man und setzt sich dafür ein. Das gilt natürlich ganz besonders für Kinder. Und deswegen möchte ich Ihnen von ganzem Herzen für Ihr Engagement, gerade auch mit naturpädagogischen Maßnahmen für Kinder danken. Liebe Baumköniginnen, auch bei Ihnen möchte ich mich bedanken. Sie sind die Botschafterinnen unserer Bäume und maßgeblich daran beteiligt, gerade junge Menschen für Bäume zu begeistern.

Die Robinie wird als eingebürgerter Laubbaum eine wichtige Rolle bei der Wiederaufforstung spielen

Die Situation unserer Wälder, unserer Bäume ist dramatisch. Die Folgen des Klimawandels setzen vielen Baumarten erheblich zu. 180.000 Hektar Wald wurden durch Stürme, Borkenkäfer und Trockenheit geschädigt. Das entspricht 250.000 Fußballfeldern. 105 Millionen Festmeter Schadholz sind seit Herbst 2017 angefallen.

Am 25. September musste ich einen Nationalen Waldgipfel einberufen, einen Nationalen Waldkrisengipfel. Wir konnten viel erreichen. Die notwendigen Maßnahmen laufen an, teilweise laufen sie schon auf Hochtouren. Doch, wer etwas von Bäumen versteht weiß: Wir haben es hier mit einer Generationenaufgabe zu tun. Wir müssen aufforsten. Wir brauchen klimaresiliente, naturnahe, leistungsfähige und standortgerechte Mischwälder, die auch in Zukunft wichtige Funktionen für Mensch und Natur leisten. Jeder Baum, der fehlt, fehlt uns als Mitkämpfer gegen den Klimawandel. Denn ja, unsere Bäume sind wichtige Klimaschützer. Unsere Wälder und die nachhaltige Holznutzung entlasten die Atmosphäre jährlich um 14 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen.

Wer den Klimawandel ernst nimmt, muss die Bäume ernst nehmen! Der Baum des Jahres 2020, die Robinie, ist nach der Flatterulme und der Esskastanie die dritte Baumart, die im nun anstehenden Waldumbau eine wichtigere Rolle spielen könnte. Die Robinie ist keine heimische Baumart. Sie stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde bereits im 17. Jahrhundert in Europa eingebürgert.

Für mich ist die Robinie ein Beispiel dafür, dass auch eingeführte Bäume, einen wichtigen Beitrag leisten können, den Wald klimaresilient zu machen. Besonders in Südosteuropa ist die Robinie mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsbaum. Als Winzertochter weiß ich das Holz der Robinie als Rebstock zu schätzen. Aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit wird die Robinie sicher auch in Deutschland eine zunehmend größere Rolle spielen.

Bäume verbinden auch über politische Grenzen hinweg Menschen

Wer mich kennt weiß: Ich halte nichts von ideologischen Grabenkämpfen. In der Diskussion um die Rettung unserer Wälder ist es mir wichtig, dass alle Beteiligten miteinander reden, nicht übereinander. Es muss darum gehen Argumente auszutauschen, nicht Anschauungen. Und Forscher zu hören, nicht Fanatiker. Darum freut mich sehr, dass bei der Wahl zum Baum des Jahres ganz unterschiedliche Verbände im Kuratorium saßen.

Das zeigt: Bäume verbinden auch über politische Grenzen hinweg Menschen. In diesem Sinne seien wir konstruktiv, pflanzen wir einen Baum! Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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