Ich will, dass eine ausgewogene Ernährung von Kindern Alltag wird - vom Hochstuhl bis zur Schulkantine

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner zum ZEIT FORUM Gesundheit

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Wie bringt man Kinder dazu, sich gesund zu ernähren?

Ich freue mich, dass sich DIE ZEIT heute dieser großen und wichtigen Frage unserer Gesellschaft widmet. Wie wir wissen, ist eine ausgewogene Ernährung der Schlüssel für ein gesundes Leben. Was wir inzwischen auch wissen: Der Grundstein für eine gesunde Ernährung wird bereits im Kindesalter gelegt. Deshalb setzt unsere Politik für gesunde Ernährung schon bei den Kleinsten an.

Übergewicht und Adipositas bei Kindern als erkennbares Problem

Bereits 15 Prozent unserer Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren sind übergewichtig, davon fast 6 Prozent adipös. Bei den 11- bis 13-Jährigen sind sogar bereits 20 Prozent übergewichtig. Viele übergewichtige Kinder haben ein Leben lang mit Gewichtsproblemen und den physischen und psychischen Begleiterscheinungen zu kämpfen.

Das hat langfristige Folgen: Übergewicht erhöht oft das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Darunter leiden nicht nur die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen: Allein hierzulande entstehen durch eine nicht ausgewogene Ernährung jährliche Kosten von rund 17 Milliarden Euro. Auch deshalb haben mich die Ergebnisse einer Studie der Universität Heidelberg geärgert, die im Februar Schlagzeilen machte:

Untersucht wurden rund 1.900 Kindergerichte auf deutschen Speisekarten. Mit dem Resultat: Etwa 70 Prozent der Gerichte seien aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht gesund für den Körper. Die meisten Kindergerichte enthielten zu viel Fett und Kalorien, gleichzeitig fehlten wichtige Nährstoffe. Damit wollte und will ich mich nicht abfinden.

Gemeinsam mit Ernährungswissenschaftlern und Vertretern der Gastronomie haben wir konkrete Maßnahmen vereinbart, von denen einige bereits umgesetzt wurden: Anfang Oktober haben wir den Startschuss für unseren Wettbewerb "Ausgezeichnet! Deutschlands beste Kinderspeisekarten" gegeben. Damit wollen wir gesunde und ausgewogene Kindergerichte in der Gastronomie fördern. Und wir wollen Impulsgeber für die ganze Branche sein.

Wir wissen: Ein Restaurantbesuch mit der Familie ist nichts Alltägliches. Aber ein besseres Speiseangebot in Restaurants ist ein Rädchen von vielen, das wir drehen können.

Was tut die Politik für die gesunde Ernährung von Kindern?

Ich will, dass eine ausgewogene Ernährung von Kindern Alltag wird - vom Hochstuhl bis zur Schulkantine. Was tut die Politik, was tut unser Ministerium dafür, dieses Ziel zu erreichen?

Drei Punkte sind für mich entscheidend:

  • Erstens: Wir müssen unsere Kleinsten besonders schützen und dafür sorgen, dass für sie bestimmte Lebensmittel nicht unnötig viel Süße enthalten. Dazu müssen wir auch die Forschung ausbauen und bündeln.
  • Zweitens: Wir müssen in allen Lebensphasen die Ernährungskompetenzen stärken.
  • Und drittens - und das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Wir müssen eine bessere Qualität der Kita- und Schulverpflegung sicherstellen.

Erstens: Unsere Kleinsten sind schützenswert

Wir wissen, dass die ersten 1.000 Tage im Leben maßgeblich beeinflussen, wie wir uns ernähren. Hier müssen wir die richtigen Weichen für ein gutes Aufwachsen stellen. Und hier müssen wir auch mal zur Ordnungspolitik greifen. Ich werde deshalb den Zusatz von Zucker und anderen süßenden Zutaten in Säuglings- und Kleinkindertees verbieten. Auch Beikostprodukte wie Breie dürfen nicht mehr unnötig gesüßt werden:

Zu viel Zucker in der Kindheit kann nicht nur die Gefahr für Karies erhöhen, sondern birgt auch das Risiko, später an Übergewicht oder Adipositas zu erkranken. Denn wer sich frühzeitig an einen stark süßen Geschmack gewöhnt, für den ist es schwierig ist, diese Ernährungsgewohnheiten später noch zu ändern.

Das wollen wir vermeiden - ohne Wenn und Aber! Wir wollen auch besser verstehen, wie das Ernährungsverhalten von Kindern beeinflusst wird.

Dazu haben wir einen Leuchtturm für die Forschung zur Kinderernährung geschaffen: An unserem neuen Institut für Kinderernährung am Max Rubner-Institut werden wir erstmals wissenschaftlich erforschen, welche Ernährung Kinder wirklich brauchen. Denn in vielen Studien werden Kinder und Jugendliche oft nicht berücksichtigt. Und häufig lassen sich auch die Methoden aus der Erwachsenenforschung nicht übertragen.

Zweitens: Die Ernährungskompetenz von Kindern stärken und die Ernährungsforschung ausbauen

Ich habe es schon oft gesagt: Ich möchte nicht die Geschmacks-Nanny der Nation sein. Verbote müssen die Ausnahme bleiben. Denn ich kann und will Erwachsenen nicht vorschreiben, wie sie sich selbst oder ihre Kinder ernähren sollen. Aber: Ich kann die Ernährungskompetenzen in allen Lebensphasen stärken. Damit jeder und jede Einzelne das notwendige Wissen hat, um selbst zu entscheiden, was gut für sich selbst und seine Kinder ist.

Hilfestellung geben beispielsweise unsere Handlungsempfehlungen des Netzwerks "Gesund ins Leben" zur Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft und im Säuglings- oder Kleinkindalter. Auch für Kitas und Schulen gibt es unterstützendes Material für die Ernährungsbildung von unserem Bundeszentrum für Ernährung.

Drittens: Die Verpflegungsqualität in Kitas und Schulen verbessern

Wenn es um die Ernährung von Kindern geht, kommt auch den Kitas und Schulen eine zentrale Rolle zu: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mittags in der Schule essen, nahezu verdoppelt. Kita- und Schulessen muss nicht nur gut schmecken, sondern gleichzeitig zu einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beitragen. Deshalb will ich eine flächendeckende Umsetzung der Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Kitas und Schulen.

Das ist übrigens gar nicht teuer: Ein Grundschul-Mittagessen nach DGE-Standards ist im Schnitt nur vier Cent teurer pro Mahlzeit. Seit zehn Jahren fördert unser Ministerium die bundesweiten Vernetzungsstellen für Kita- und Schulverpflegung. Sie helfen vor Ort, die Qualitätsstandards umzusetzen und bringen diejenigen zusammen, die sich für eine ausgewogene Mittagsverpflegung stark machen. Dazu haben wir für 2019 und 2020 die Mittel auf zwei Millionen Euro pro Jahr verdoppelt. Als Vertreterin der Vernetzungsstellen der Länder, danke ich Ihnen, liebe Frau Dr. Katharina Kompe, von ganzem Herzen für Ihre wertvolle Arbeit und Unterstützung.

Kinder sind unsere Zukunft: Sie verdienen besondere Aufmerksamkeit. Gerade, wenn es um eine gesunde Ernährung geht. Aus diesem Grund setzt sich unser Ministerium mit aller Kraft dafür ein, dass eine ausgewogene Ernährung bereits im Kindesalter einfacher wird. Auch Veranstaltungen wie diese, bei denen Fachleute aus allen Bereichen diskutieren und um die besten Lösungen ringen, helfen dabei.

Ich wünsche Ihnen allen eine lebhafte Debatte! Herzlichen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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