Konsument und Produzent – wie aus Vorwürfen Wertschätzung wird. Plädoyer für eine ideologiefreie Debatte.

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner auf dem Jahresempfang 2019 des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, (VÖB)

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Herzlichen Dank für die Einladung!

Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein.

Debattenkultur: Wie aus Vorwürfen Wertschätzung wird

Sie haben heute für den heutigen Abend ein ganz wichtiges Thema gesetzt.

Die Frage, wie es uns gelingen kann, dass aus Vorwürfen Wertschätzung wird.

Für Sie, als Vertreter der Banken, ist diese Diskussion nicht neu. Denn Sie alle haben erlebt, wie nach der Bankenkrise im Jahr 2009 das Vertrauen eingebrochen ist. Wie Sie alle in Mithaftung genommen worden sind für das Fehlverhalten von einigen Wenigen. Und wie aus dem geachteten Beruf des Bank- Angestellten für Teile der Gesellschaft in der öffentlichen Diskussion etwas ganz anderes geworden ist: Der zwielichtige "Banker".

Ich erlebe Vergleichbares in meinem Themenfeld, der Landwirtschaft, aktuell mit besonderer Härte. Dass polarisiert wird. Dass Bauern, die jeden Tag hart arbeiten, um unsere Mittel zum Leben herzustellen, die auf der Grundlage von Recht und Gesetz handeln, als Tierquäler und Umweltsünder diffamiert werden. Die, wenn sie Tiere halten, in ständiger Sorge vor Stalleinbrüchen leben. Weil einige Wenige ihre selbst definierten Vorstellungen von Gut und Richtig über Recht und Gesetz stellen.

Ganz in der Gedankenwelt von Roger Hallam, dem Mitgründer der Protestgruppe "Extinction Rebellion". Der unter anderem gesagt hat

  • "Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird die Demokratie irrelevant."
  • Weil, so Hallam, die Gefahren des Klimawandels größer seien als die Demokratie.

Und auf der anderen Seite haben wir die Verbraucher. Die, so der Eindruck, am liebsten das Fleisch von Tieren kaufen würden, die nie geschlachtet worden sind. Aber gleichzeitig in die Supermärkte strömen, wenn das 600 Gramm-Nackensteak zum Preis von 1,99 Euro gibt. Die natürlich nur nach den schönsten Äpfeln greifen. Nach dem perfekten Salat. Alles Produkte, die in dieser Qualität, in dieser Vielfalt, aber nicht ohne Düngung, nicht ohne Pflanzenschutz hergestellt werden können.

Wir haben also ein Auseinanderdriften, wie es stärker nicht sein könnte. Und gleichzeitig führen wir diese Auseinandersetzung in einer Debattenkultur, die immer schwieriger wird.

Denn wir alle müssen uns fragen, ob wir die Macht der Digitalisierung nicht vielleicht doch unterschätzt haben. Ob wir zu wenig wachsam waren, als sich Kommunikation in den digitalen Raum verlagert hat. Denn dabei ist eben nicht, wie erwartet, alles einfacher, alles transparenter geworden.

Sondern unübersichtlicher. Weniger einsehbar. Fragmentiert – wie es in der Diskussion um die Debattenkultur bezeichnet wird. Und an vielen Stellen eben auch hemmungsloser.

Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer- Stiftung, schreibt in einem Beitrag über Debattenkultur, dass offenkundig

  • die Versuchung übermächtig geworden ist, "sich durch Zuspitzungen und Übertreibungen die Aufmerksamkeit zu erkaufen, die es für differenzierte Stellungnahmen in der Regel nicht mehr gibt".
  • Denn etwas schlicht Vernünftiges zu sagen, so Lammert weiter, ist beinahe die Garantie dafür, nicht wahrgenommen zu werden.

Ich finde, das trifft es sehr gut. Denn, das sagt er damit implizit: Es geht eben nicht mehr um die Debatte, sondern nur noch um die Wahrnehmung.

Wie gehen wir damit um? Drei Punkte für einen Ausweg

Was kann jetzt der Ausweg sein? Für mich sind drei Punkte wichtig. Die zum Teil aus meiner Perspektive, der Landwirtschaft, kommen. Bei denen es aber auch viele Überschneidungen zu Ihrem Bereich gibt.

Erstens : Wir müssen in Innovationen investieren.

Zum einen, weil sie uns helfen können, vorhandene Probleme zu lösen. Probleme, an denen sich viele der aktuellen Differenzen festmachen. Zum anderen, weil wir die positive Dynamik und Aufbruchstimmung brauchen, die von einem Gründerklima ausgeht. Und das nicht nur in Berlin, sondern auch im Hunsrück, in der Altmark und in der Oberpfalz. Weil sich in unserem Land eben niemand abgehängt fühlen darf.

In der Landwirtschaft brauchen wir Innovationen ganz konkret für mehr Tierwohl, mehr Nachhaltigkeit, Klima-, Umwelt- und Naturschutz. Um die Produktion näher heranzubringen an die Erwartungen der Verbraucher.

Im ländlichen Raum brauchen wir Innovationen, vor allem im Bereich der Digitalisierung, um Lösungen zu bieten. Für ganz konkrete Probleme. Für die digitale Sprechstunde beim Arzt und beim persönlichen Bankberater, für Mobilität, für die Vernetzung.

Wir unterstützen das als Staat, unter anderem durch eine Vielzahl an Fördermöglichkeiten, durch Forschung.

Und hier an dieser Stelle sind Sie, als öffentliche Banken, als Förderbanken, wichtige Partner für uns. Denn Sie sind diejenigen, mit deren Unterstützung wir dabei in der Fläche wirken können.

Sie sind dabei nicht einfach nur Umsetzer von Programmen. Durch die Auflage von Programmen machen Sie nicht zuletzt auch staatliches Handeln in der Fläche präsent. Und natürlich auch darüber hinaus.

Denn Innovationen kosten Geld. Und Sie sind die Möglichmacher, die diejenigen an die Hand nehmen, die sich trauen zu investieren. Die Chancen abwägen, Businesspläne bewerten und Innovationen finanzieren. Die so dafür sorgen, dass politische Entscheidungen ankommen bei den Menschen vor Ort.
Sie sind auch diejenigen, die vor Ort Gründungen möglich machen, Start-Ups begleiten. Denn Gründungen sind es an vielen Stellen eben auch, die Innovationen, Weiterentwicklungen ermöglichen oder beschleunigen.

Als Bundeslandwirtschaftsministerin bin ich - qua Amt - stellvertretende Vorsitzende im Verwaltungsrat der Landwirtschaftlichen Rentenbank und Mitglied im Verwaltungsrat der großen Schwester KfW. Beides geschätzte Mitgliedsinstitute bei Ihnen.

Mit der Rentenbank überlegen wir gerade zusammen, wie wir Gründerinnen und Gründer im ländlichen Raum, aus dem Bereich Agrar- und Ernährungswissenschaft, langfristig noch besser unterstützen können. Damit eben nicht der Eindruck von Stillstand, von Abgehängtsein entstehen kann. Sondern von Innovationskraft, von Entwicklung, von neuen Chancen, die entstehen.

Mein zweiter Punkt ist: Wir müssen Verbraucher in die Verantwortung nehmen.

Und zwar positiv: Indem wir deutlich machen, welche Macht jeder einzelne hat, wenn es darum geht, was in unserem Land wie produziert wird.
Lassen Sie mich das noch einmal am Beispiel der Landwirtschaft sagen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir mit jedem Produkt, das wir auswählen, eine Bestellung auslösen – in Richtung unserer Landwirtschaft.

  • Wer Bio auf den Feldern will, muss Bio kaufen.
  • Und wer mehr Tierwohl in den Ställen will, muss mehr Tierwohl kaufen.

Denn unsere Landwirtschaft ist auch das Ergebnis dessen, wie und was wir einkaufen, was und wie wir essen. Das lässt sich so übertragen für Ihren Bereich. Für jeden anderen Bereich.

Und damit bin ich bei meinem dritten Punkt: Wir müssen reden.

Und zwar um der Debatte willen, um der Einigung willen. Nicht, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir müssen reden, auch um unsere Demokratie zu leben und zu erklären.

Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind enorm. Aber unsere Demokratie – über der im Übrigen nichts steht - gibt uns den Rahmen, die Werkzeuge an die Hand, um sie zu lösen.

Deshalb werde ich einen Dialog Landwirtschaft und Gesellschaft anstoßen. Nicht nur hier in Berlin, überall. Auf dem Land. Wir werden rausgehen. Vor Ort sein, diskutieren. Erklären. Aber auch zuhören.

Denn Wertschätzung kommt mit dem Wissen.

Achtung und Wertschätzung

Sie haben alle mitbekommen, dass es Ende Oktober große Demonstrationen gegeben hat von Bauern. Und einer der Teilnehmer hat bei der zentralen Kundgebung in Bonn gesagt:

"Wir Bauern wollen ein geachteter und respektierter Teil der Gesellschaft sein."

Das zeigt mir: Achtung und Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Für das was wir leisten – das ist eine ganz zentrale Motivation für uns alle. Ich glaube deshalb: Bei aller Aufgeregtheit in der Debatte, bei allen Unterschieden, ist nach wie vor der Wunsch nach Versöhnung, nach Anerkennung sehr groß.

Darauf können wir gemeinsam aufbauen. Daran müssen wir arbeiten!

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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