Agrarland darf kein Spekulationsobjekt sein

Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner bei der BMEL-Tagung "Boden ohne Bauern? Fairer Zugang zu einer knappen Ressource."

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Seit 1993 ist die Agrarfläche in Deutschland um 1,2 Millionen Hektar geschrumpft. Das ist die Fläche von 18.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Seit 2005 gibt es einen Anstieg der Kaufpreise um 193 %. Agrarflächen werden immer weniger und sie werden immer teurer.

Nun sagt man "Das beste Mittel gegen hohe Preise sind hohe Preise". Normalerweise steigt dann das Angebot oder die Nachfrage reagiert. Das funktioniert beim Boden nicht!

Die weltweiten Agrarflächen sind begrenzt, das Angebot kann nicht steigen. Und die Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird nicht sinken. Bei steigender Weltbevölkerung ist das Gegenteil der Fall! Unsere Böden werden also mehr und mehr zu einer auch für den Finanzmarkt attraktiven Rendite- und Anlagequelle.

Agrarland darf kein Spekulationsobjekt sein!

Besonders seit der Finanzkrise 2007 kaufen Finanzinvestoren Grünland und Äcker. Und treiben so die Preise, die aktive Landwirte kaum zahlen können. So steigen zudem die Pachten stark an. Davon profitieren die Verpächter, nicht die Bewirtschafter.

Schauen wir in die jüngsten Medien: Erst im Januar hat eine Bank in Sachsen-Anhalt eine 1000 Hektar-Agrargenossenschaft gekauft. Im vergangenen Jahr hat die Stiftung eines Einzelhandelsunternehmens eine 2.000-Hektar Genossenschaft im Burgenlandkreis übernommen. Ein großes süddeutsches Versicherungsunternehmen kauft Ackerflächen auf. 2016 hat ein Investor aus Liechtenstein 20.000 Hektar von der insolventen KTG AGRAR SE erworben.

Diese Beispiele zeigen: Wir haben akuten Handlungsbedarf bei der Novellierung des landwirtschaftlichen Bodenrechts. Denn unsere Böden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Sondern sie müssen da hinkommen, wo sie hingehören - in Bauern Hand. Denn besonders die junge Generation unserer Landwirtinnen und Landwirte braucht faire Chancen beim Erwerb wertvoller Ackerflächen!

Reform des landwirtschaftlichen Bodenrechts notwendig

Auch wenn die Strukturen der Investoren verschieden sind, die Methoden sind in der Regel dieselben: Für die Expansion werden Anteilskäufe genutzt. Damit wird der gesetzlich vorgeschriebene Vorrang von Landwirten und die Preiskontrolle im landwirtschaftlichen Bodenrecht umgangen. Für diese Ziele gibt es das Grundstückverkehrsgesetz.

Leider hat dieses Gesetz eine Regulierungslücke: juristische Personen werden nicht erfasst. Damit können Anteilskäufe nicht kontrolliert werden. Auch die Zahlung von Grunderwerbsteuer wird von juristischen Personen häufig umgangen.

Bei einem durchschnittlichen "share deal" in der Landwirtschaft mit rund 800 Hektar werden jedes Mal über 300.000 € Steuern umgangen. Die Verbünde sind in Tochtergesellschaften aufgespalten, damit können gesetzliche bzw. regulative Obergrenzen umgangen werden. Das gilt gleichermaßen für Direktzahlungen oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Und das wirkt doppelt negativ für unsere Bäuerinnen und Bauern: Denn die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Förderinstrumente ist in Gefahr, wenn immer mehr Direktzahlungen an Eigentümer außerhalb der Landwirtschaft gehen! Das Einkommen der Investoren resultiert zudem nicht nur aus der Landwirtschaft, sondern zusätzlich aus Bodenspekulation. Nicht selten mit günstig erworbenen Flächen der staatlichen Boden-Verwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG).

Ein Beispiel: Ein großer Agrarbetrieb hat 2002 von der BVVG 74-Hektar besten Ackerboden in der Börde für 6.400 € pro Hektar verbilligt erworben. 2018 wurde der Betrieb an einen Investor veräußert. Dabei wurde allein mit den 74 Hektar an die 3 Millionen Euro Gewinn erzielt. Unsere Landwirte sind dreifach im Nachteil:

  1. Spekulationsgewinne machen sie nicht, weil sie ihre Flächen für die nächste Generation erhalten,
  2. sie bekommen weniger Agrarsubventionen als eine Holding mit 10.000 oder 20.000 Hektar und
  3. sie zahlen Grunderwerbsteuer, wenn sie Flächen kaufen.

Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern

Die Zuständigkeit für das landwirtschaftliche Bodenrecht wollten die Länder haben und sie haben sie bei der Föderalismusreform 2006 bekommen. Eine Expertengruppe hat bereits 2015 große Rechtslücken benannt und Vorschläge für gesetzliche Änderungen zum landwirtschaftlichen Bodenrecht vorgelegt. Es ist eine Gefahr für die Agrarstruktur, dass bis heute nur Baden-Württemberg bereits 2009 ein modernes Agrarstrukturgesetz erlassen hat.

Umso mehr begrüße ich, dass inzwischen mehrere Länder an Gesetzesnovellen arbeiten. Welche rechtlichen Grenzen müssen wir nun also den aktuellen Entwicklungen entgegensetzten:

1. Wir müssen den Vorrang von Landwirten auf dem Bodenmarkt stärken.

Nur bei 5 % der Käufe von Investoren gelingt es, den Vorrang von Landwirten durchzusetzen. Im gesamten Jahr 2018 konnte in 216 Fällen mit zusammen 927 ha das Vorkaufsrecht gegenüber Investoren durchgesetzt werden. Dieselbe Fläche kann in einem einzigen „share deal“ ohne behördliche Kontrolle an einen Investor gehen.

2. Die Käufe von Investoren am Bodenmarkt müssen endlich wirksam kontrolliert werden.

Investitionen in lukrative Wirtschaftsbereiche sind normaler Teil des Wirtschaftslebens. Aber ein rechtlicher Rahmen, der 5-Hektar-Käufe überwacht und 1.000 Hektar "share deals" nicht erfasst, ist absurd. Es muss Schluss sein mit dem rechtsfreien Raum für juristische Personen.

3. Wir müssen die Wettbewerbsverzerrungen bei der Grunderwerbsteuer beseitigen.

Die Umgehungsmöglichkeit bei "share deals" und die doppelte Grunderwerbsteuer beim Vorkaufsrecht für Landwirte müssen zügig beendet werden. Deshalb wollen wir bei der laufenden Novelle des Grunderwerbsteuergesetzes dafür ein, diese Wettbewerbsvorteile für Investoren zu streichen.

4. Wir brauchen in Überhitzungsphasen eine wirksame Preismissbrauchskontrolle bei den Pachten.

Das funktioniert bisher nicht, weil 75 % der Pachtverträge gesetzeswidrig nicht angezeigt werden. Auch hier gibt es in dem veralteten landwirtschaftlichen Bodenrecht eine entscheidende Regulierungslücke: Zwar müssen die Verpächter jeden Pachtvertrag anzeigen. Aber es fehlt die Sanktionsregelung: keine Anzeige – keine Konsequenz. So umgeht inzwischen der Großteil der Verpächter die Anzeigepflicht und unterläuft damit die Preismissbrauchskontrolle.

Bund und Länder müssen gemeinsam agieren

Die Länder und der Bund müssen sich auf dem Bodenmarkt ergänzen, nur gemeinsam können wir die Probleme lösen. Der Bund trägt seinen Teil bei:

  • Koordination der Bund-Länder-Initiative landwirtschaftlicher Bodenmarkt;
  • Vergabe von Forschungsprojekten zur Entwicklung bei Agrarflächen;
  • Verbesserung der Transparenz: erstmals Erfassung von Holdings bei der Agrarstrukturerhebung 2020
  • Bei der Kaufwertestatistik wird künftig erfasst, wie viele landwirtschaftliche Grundstücke von Nichtlandwirten gekauft werden.
  • Agrarstrukturelle Verbesserungen bei der Flächenprivatisierung der BVVG.

Das zentrale Instrument auf dem Bodenmarkt muss ein modernes Bodenrecht sein. Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht, jetzt sind die Länder dran zu handeln!

Lassen Sie mich abschließend noch einmal die Bedeutung von Investitionen und von landwirtschaftlichen Böden klar herausstellen. Natürlich brauchen wir die Investitionen in den Agrarsektor! Aber wenn eine Versicherung Ackerland kauft, hat sich auf den Flächen nichts geändert – außer dem Eintrag ins Grundbuch.

Unser Boden ist mehr als nur Anlageobjekt. Er ist die Basis allen Lebens. Denn gesunde und fruchtbare Böden sind die Grundlage für gesunde Lebensmittel. Von denen wir in Zukunft immer mehr benötigen werden. Denn die Weltbevölkerung wächst stetig. In rund 30 Jahren werden wir rund zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten zu versorgen haben.

Experten schätzen, dass wir in den kommenden 40 Jahren so viele Nahrungsmittel produzieren müssen wie die gesamte Menschheit im Verlauf der vergangenen 8000 Jahre. Laut Umweltbundesamt gehen jedes Jahr weltweit 10 Millionen Hektar Fläche für die Landwirtschaft verloren. Das ist eine Fläche, rund eineinhalb Mal so groß wie Bayern.

Und dieser Boden – er wird für immer mehr Dinge beansprucht: Wir benötigen nicht nur immer mehr Nahrungsmittel und Futtermittel. Wir benötigen auch Platz für die Viehhaltung, wenn wir unsere Tierwohlaktivitäten umsetzen wollen. Und die Flächen sind Grundlage für ein stabiles Einkommen unserer landwirtschaftlichen Familien.

Wir sollten besonders den jungen Landwirten "den Rücken stärken", denn sie brauchen jetzt die Perspektiven für die Landwirtschaft der Zukunft. Wir brauchen also ohne Wenn und Aber das Bauern-Land in Bauern-Hand! Lassen Sie uns dafür gemeinsam Lösungen entwickeln.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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