Wir brauchen eine gemeinsame politische Kraftanstrengung

Rede Bundesministerin Klöckner in Aktueller Stunde zur Afrikanischen Schweinepest im Deutschen Bundestag

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Die Afrikanische Schweinepest hat jetzt auch Deutschland erreicht. Deshalb danke ich für die Möglichkeit, Sie hier über die aktuellen Entwicklungen informieren. So wie ich es seit Tagen auf vielen Ebenen mache.

Wir sind im intensiven Gespräch mit den Bundesländern, der Europäischen Kommission, den internationalen Behörden, den relevanten Verbänden und mit unseren Handelspartnern.

Wie ist die Situation:

  • Wenige Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze enternt wurden in dieser und der vergangenen Woche mit ASP-infizierte Wildschwein-Kadaver entdeckt. Insgesamt liegen sieben vom Friedrich-Loeffler-Institut, dem nationalen Referenzlabor, bestätigte Fälle mit ASP vor.

Wir müssen auf Basis dieser Zahlen unsere Maßnahmen planen und diese kommunizieren. Nicht auf Basis medialer Alarmmeldungen.

Die Afrikanische Schweinepest ist eine Krankheit, die für den Menschen völlig ungefährlich ist. Auch vom Verzehr von gegebenenfalls ASP-virushaltigem Fleisch geht keine Gefahr für die Gesundheit aus.

Wir wissen aber um die Gefahr einer sich ausbreitenden ASP für die gesamte deutsche Schweinehaltung. Weil diese Krankheit für Schweine fast immer tödlich ist.

Die Krankheit ist bei Wildschweinen sehr schleichend. Das darf man nicht unterschätzen und jetzt nicht hektisch reagieren. Uns ist deshalb eines ganz wichtig: Dass wir schnell und angemessen reagieren. Ich warne aber gleichzeitig vor Panik und Aktionismus und mahne zur Besonnenheit. Dazu gehört, dass wir schnell und umfassend informieren – auf der Basis amtlicher Befunde unseres Nationalen Referenzlabors des Friedrich-Loeffler-Instituts.

BMEL hat unmittelbar reagiert

Nach Bekanntwerden des ersten Fundes haben wir schnell reagiert: Der Krisenstab im BMEL hat unmittelbar seine Arbeit aufgenommen.

Wir haben zwei Ziele:

  • Erstens müssen wir verhindern, dass sich die Schweinepest weiter ausbreitet. Dass sie den Weg in die Ställe findet.
  • Zweitens müssen wir beobachten, wie sich die Märkte wei- ter entwickeln. Und Vorsorge treffen, falls es zu Marktverwerfungen kom- men sollte.

Auch der Zentrale Bund – Länder Krisenstab Tierseuchenbekämpfung wurde unmittelbar einberufen. Die Bund – Länder Task Force Tierseuchenbekämpfung ist bereits aktiv.

Mein Ministerium ist in ständigem Austausch mit den Brandenburger Behörden und der Europäischen Kommission.

Unmittelbar um die Fundorte wird ein sogenanntes Kerngebiet mit elektrischen Wildschutzzäunen gesichert. Außerdem wurde mit einem Radius von circa 24 Kilometern um den Fundort ein sogenanntes Gefährdetes Gebiet mit Schildern und Hinweistafeln markiert.

Als Sofortmaßnahme wurden zwanzig Gemeinden in drei Landkreisen als Restriktionsgebiet festgelegte, alle im Bundesland Brandenburg. Innerhalb der Restriktionsgebiete und aus den Restriktionsgebieten gelten strikte Verbringungseinschränkungen.

Vor-Ort wurde die Suche nach weiteren möglichen infizierten Tieren gestartet. So wurden auch die weiteren verendeten Tiere entdeckt.

Ziel ist es weiterhin, das infizierte Gebiet schnellstmöglich abzugrenzen, damit sich das Virus nicht noch weiter ausbreiten kann.

Wir sind gut vorbereitet: Präventive Maßnahmen

Wer die Entwicklung der ASP beobachtet hat, musste daher damit rechnen, dass sie – trotz aller vorbeugenden Maßnahmen - irgendwann auch nach Deutschland kommen könnte.

Deshalb haben wir bereits frühzeitig vorgesorgt, um im Krisenfall schnell reagieren zu können: Mehrfach wurde der Ernstfall mit den Nachbarländern sowie den Bundesländern geprobt.

Wir waren darum bemüht mit der polnischen Regierung eine Lösung für einen Zaunbau an der deutsch-polnischen Grenze zu realisieren. Auf unsere Kosten. Leider wurde dies von der polnischen Seite abgelehnt. Wobei auch ein Zaun niemals vollständige Sicherheit bedeutet hätte. Denn die ASP kommt nicht nur auf vier Beinen, sondern auch auf vier Rädern.

Auch die rechtlichen Instrumente liegen vor, um die ASP zu bekämpfen. Auf Initiative meines Hauses wurden bereits 2018 das Tier- gesundheits- und Bundesjagdgesetz sowie die Schweinepest-Verordnung geändert. Damit die zuständigen Behörden im Ausbruchsfall noch ziel- gerichteter handeln können. Sie wurden damit ermächtigt, folgende Anordnungen zu treffen

  • Einschränkung des Personen- und Fahrzeugverkehrs innerhalb bestimmter Gebiete.
  • Absperrung eines bestimmten Gebietes.
  • Beschränkungen oder Verbote der Jagd.
  • Beschränkungen oder Verbote der Nutzung von land- wirtschaftlichen Flächen.
  • Anlegen von Jagdschneisen und die vermehrte Fall- wildsuche, um die Infektionsmöglichkeiten gesunder Wildschweine zu minimieren.
  • Möglichkeit, dass gegebenenfalls Dritte (z.B. Forstbeamte oder Berufsjäger) beauftragt werden können, eine verstärkte Bejagung durchzuführen.

Was haben wir im Vorfeld des Ausbruches geleistet

Wir informieren schon seit längerer Zeit über die Bedrohungslage durch ASP. Vor allem an den Orten, die Gefahrenquellen sein können. Damit gerade Reisenden bewusst wird, dass die Seuche auch durch mitgebrachte Wurst übertragen werden kann. Wenn sie so weggeworfen wird, dass Wildschweine sie fressen können.

Wir richten uns gezielt etwa an Jäger, Landwirte oder Fernfahrer. Unter anderem mittels

  • Auslagen in verschiedenen Sprachen in Zügen, o durch mehrsprachige Plakate an Raststätten, o über die sozialen Medien.

Zudem werden die Schweinehalter regelmäßig von uns da- rauf hingewiesen, dass die Sicherheitsmaßnahmen der Schweinhaltungshygiene-Verordnung strikt eingehalten werden müssen.

Wirtschaftliche Auswirkungen der ASP reduzieren

Auch wenn die Seuche nur bei Wildschweinen aufgetreten ist. Die Auswirkungen auf die Märkte sind bereits deutlich. Gerade die Sauenhalter stehen vor erheblichen Absatzproblemen.

Wir sehen bereits seit dem ersten Fund direkte Reaktionen am Handelsmarkt. Der Schweinepreis ist in der vergangenen Woche um 20 Cent, also circa 15 Prozent, gefallen. In dieser Woche hat sich dieser Preis nicht weiter verschlechtert. Diese Entwicklung werden wir intensiv beobachten.

Wir haben zumindest die Situation, dass innerhalb der Europäischen Union der Handel von Schweinefleisch weiter möglich ist. Wo wir circa 70 Prozent unserer Exportumsätze erzielen. Weil im europäischen Binnenmarkt Regionalisierungskonzepte gelten. Das heißt konkret, dass Handelseinschränkungen nur für Betriebe gelten, die im Restriktionsgebiet liegen.

Aber, wir haben auch die Situation, dass der Export in Drittstaaten wegfällt. Hier erzielen wir ca. 30 Prozent unserer internationalen Exportumsätze. Unter anderem in China, Süd-Korea und Japan. Ein Importstopp asiatischer Importländer war zu erwarten, hat uns nicht überrascht.

Natürlich haben wir in den vergangenen Jahren intensiv verhandelt, auch hier Regionalisierungsvereinbarungen ab zuschließen. Sowohl bilateral als auch auf europäischer Ebene. Bereits 2018 haben wir den chinesischen Behörden einen konkreten Vorschlag für eine Regionalisierungslösung vorgelegt.
Ich habe persönlich in den beiden vergangenen Jahren die- se Thematik mit den zuständigen Ministern diskutiert. Auch haben wir versucht eine Trennung von infizierten Haus- und Wildschweinen bei der Beurteilung eines Importverbotes zu erreichen. Man muss klar sagen: von den entsprechenden Ländern wurde dies bisher abgelehnt.

Es geht hier um Verträge. Und dafür braucht es immer beide Seiten, die zustimmen. Es ist bisher weder der Europäischen Kommission noch einem anderen EU-Mitgliedsland gelungen, so eine Regionalisierung bei der ASP mit Asien zu vereinbaren.

Wir arbeiten dennoch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel daran, die Warenströme aufrecht zu erhalten. Ich persönlich bin im Dialog mit den zuständigen Agrarministern der importbeschränkenden Länder. Wir sind in engem Austausch mit dem Bundeskanzleramt. Zudem gibt es einen intensiven Austausch mit der Europäischen Kommission. Hinsichtlich der Marktentwicklungen und möglicher Marktstützungsmaßnahmen.

Wir analysieren täglich die Marktlage und sind vorbereitet, um – sollte es zu Marktverwerfungen kommen - die Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen Wie beispielsweise mit Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung. Hier geht es in erster Linie darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden, denn zurzeit sind die Kühlhäuser noch mit Exportware gut gefüllt.

Neben der Privaten Lagerhaltung gab es in der Vergangenheit immer wieder weitere Marktmaßnahmen wie Liquiditätshilfeprogramme. Es ist in jedem Fall wichtig, dass eine Maßnahme auf die jeweilige Situation zugeschnitten konzipiert wird. Mir ist wichtig, dass wir unsere Maßnahmen zielgerichtet aufbauen, um auch wirklich die Leidtragenden der Krise zu erreichen.

Eines ist für uns klar: Wir werden unsere Bäuerinnen und Bauern unterstützen. Wir lassen Sie in dieser besonderen Situation nicht allein.

Wir nehmen als Bundesregierung die aktuelle Situation sehr ernst. Wir brauchen eine gemeinsame politische Kraftanstrengung.

Ich warne davor, die aktuelle Situation populistisch ausnutzen. Dazu gehört auch, nicht Dinge zusammenzubringen, die nicht zusammengehören. Etwa den Ausbruch der ASP bei einem Wildschwein mit der Kritik an der Nutztierhaltung und Exporten. Das halte ich für unangemessen.

Ich appelliere an alle Akteure, die jetzigen ASP-Funde in Brandenburg nicht für eine Systemfrage zur eigenen Profilierung auszunutzen. Auf dem Rücken unser Bäuerinnen und Bauern.

Jetzt geht es darum, politisch verantwortlich zu handeln. Wir wissen um die Bedrohung, die von der ASP für die Schweinehaltung in Deutschland ausgeht.

Ich versichere Ihnen – dem Parlament – und unseren Bäuerinnen und Bauern, dass wir alles erdenklich Mögliche tun, um die Seuche zu bekämpfen. Das betroffene Seuchengebiet so klein wie möglich zu halten. Die wirtschaftlichen Konsequenzen so gering wie möglich zu halten.

Dazu braucht es eine gemeinsame politische Kraftanstrengung.

Vielen Dank.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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