Gemeinsam die Krisen meistern

Rede von Bundesministerin Julia Klöckner auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes.

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Beginnen möchte ich mit herzlichen Glückwünschen an Ihren wiedergewählten Präsidenten Joachim Rukwied.

Ich gratuliere auch den wiedergewählten Vize-Präsidenten Werner Schwarz, Walter Heidl, Karsten Schmal sowie dem neuen Vizepräsidenten, Detlef Kurreck.

Und lieber Walter Vogel, Ihnen herzlichen Dank für Ihre Arbeit, Sie sind dieses Mal nicht mehr angetreten.

Danken möchte ich Ihnen allen, in den Ländern, für Ihre ehrenamtliche Arbeit, in unruhigen Zeiten. Ihr Berufsstand steht im Wind, im Fokus gesellschaftlicher Debatten - vor Ort, national, europäisch und deutschlandweit.

Landwirtschaft war schon immer in Bewegung. Aber die Agenda, wie wir sie jetzt vor uns haben, war wohl selten so vielfältig und herausfordernd. Genau deshalb möchte ich mich bei Ihnen als Berufsvertretung bedanken für Ihren Einsatz - Einsatz für das große Ganze, nicht die schnelle Schlagzeile. Einsatz für den Zusammenhalt des Berufsstandes, nicht den schnellen Applaus einzelner Gruppen. Danke für Maß und Mitte, statt Polarisierung und Panikmache.

Lassen Sie uns alle gemeinsam die vor uns liegenden Aufgaben angehen. Ohne den Blick für das Wesentliche zu verlieren, das Aufgabe von Landwirten ist: die Ernährungssicherung. Das geht allzu oft bei der Diskussion um mehr Umwelt- und Klimaschutz unter.

Das heißt umgekehrt nicht, dass Umwelt-, Insekten-, Natur- und Klimaschutz außer Acht zu lassen seien. Im Gegenteil. Am Ende sind es ein und dieselben Interessen: Ohne entsprechend gute Bedingungen der Umwelt wird die Erntesicherung immer schwerer. Das erleben wir nicht nur in den Wäldern, sondern Sie auf den Feldern.

Eines vorweg: Wir brauchen keine rückwärtsgewandte Agrarwende.

Ja, die Verlockungen sind groß, sich sehnsüchtig eine romantische Landwirtschaft zu wünschen nach dem Motto: klein gleich gut, groß gleich schlecht.

Es ist schon paradox: Während wir als Verbraucher alle modernen Techniken und Medien in unserem Alltag nutzen, soll die Landwirtschaft aber so bleiben wie sie ist. Stehenbleiben und Festhalten am Alten wird von vielen heute gleichgesetzt mit besserer Landwirtschaft. Dass wir heute aber mit modernen Techniken mehr Ressourcen schonen, mehr Menschen ernähren können, dass neue Ställe mehr Platz und Tierwohl bringen, das wird oft außer Acht gelassen.

Sie alle wissen das, aber wir alle müssen mehr darüber reden und mehr erklären. Reden wir optimistisch, vorwärtsdenkend!

Da ich per Video heute zugeschaltet bin, macht es das Halten einer Rede nicht einfacher. Und das Zuhören für Sie auch nicht. Deshalb werde ich mich auch beschränken.

Bei der Vielzahl der Themen kein einfaches Unterfangen: ASP, Corona, Billigpreise im Supermarkt, Bauernbashing, die neue GAP, Freihandelsabkommen, Preisverfall, Schweinestau, Umbau der Tierhaltung, Gerichtsurteile, Planbarkeit und Verlässlichkeit, Generationenwechsel, Wettbewerbsverzerrungen Dürre, Pflanzenschutzmittel und Düngung, neue Pflanzenzüchtungen, Green Deal ...

Themen, zu denen uns allen sehr viel einfällt. Im Übrigen auch nahezu jedem Bürger. Fakten, Wissenschaft, Folgeabschätzungen sind in "hitzigen Zeiten" deshalb wichtig. Und die Bereitschaft davon auszugehen, dass der andere auch mal Recht haben könnte.

Afrikanische Schweinepest / Situation am Schweinemarkt

Ich habe mir persönlich ein Bild von der Tierseuchenbekämpfung in Brandenburg gemacht.

Eines ist dort deutlich geworden: Der Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest ist ein Langstreckenlauf. Die Sorgen bei vielen Schweinehaltern sind groß. Wir arbeiten an Lösungen, die schnell greifen.

Mit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest sind die Preise am Schweinemarkt weiter unter Druck geraten.

Aktuell bestimmen Corona-bedingte Einschränkungen bei der Schlachtung und der Zerlegung die Lage. Der stellenweise auftretende "Schweinestau" stellt Landwirte und Fleischbranche vor Herausforderungen. Das war auch Thema bei unserem Branchengespräch Fleisch am vergangenen Freitag.

Dabei ist klargeworden, dass alle Wirtschaftsbeteiligten und Behörden vor Ort noch enger zusammenarbeiten müssen. Und: Wir brauchen die Solidarität der ganzen Kette: Vom Ferkelzüchter über den Schlachter bis hin zum Handel.

Niemand konnte Corona voraussehen oder genau wissen, ob und wann die ASP uns trifft. Es geht hier deshalb nicht um Schuld. Es geht darum, jetzt vorausschauend zu planen – auch im Sinne des Tierschutzes. Die Top 3 Schlachtereien schlachten fast 60 Prozent aller Schweine in Deutschland. Das kann keiner kompensieren. Das kann man beklagen. Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass kleinere, dezentrale Schlachtereien, die wir auch fördern, es schwer haben, die hohen Investitionen
und Hygieneauflagen zu schultern.

Und ich bekomme immer wieder berichtet, wie sehr das Personal in diesem Bereich, gerade bei den mittelständischen Betrieben in der Fläche fehlt. Es ist kein Ausbildungsberuf, der boomt.

Auch aus dem Aspekt des Tierschutzes heraus dürfen die Tiere nicht zu lange in den Ställen bleiben. Schließungen von Schlachthöfen könne notwendig sein, aber wir müssen immer mit Augenmaß vorgehen. Klare Corona-Hygiene-Maßnahmen, Leitlinien müssen erarbeitet, weiterentwickelt werden, anhand derer unter Begleitung von neutralen Experten, z.B. von RKI, betroffene Standorte so weit wie möglich und vertretbar wieder hochgefahren werden können.

Ziel muss es sein, wieder mehr Schlachtungen zu ermöglichen, gleichzeitig aber die hohen Anforderungen zum Schutz der Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Mit der Aussetzung der Schlachthof-Schließung im Emsland und dem – wenn auch reduzierten – Weiterbetrieb tragen unsere Anstrengungen erste Früchte.

Wir haben während des Branchengesprächs auch Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung erörtert. Es bestand Einvernehmen, dass dies im Moment wenig Sinn macht. Auch andere Maßnahmen wie Herauskaufprämien werden von der Branche im Moment abgelehnt.

Wir müssen die Ausbreitung der ASP stoppen.

Deshalb

  • stehen wir in ständigem Kontakt mit den verantwortlichen Stellen in Brandenburg und sind auch vor Ort. Der Bau mit einem Spezialzaun geht voran. Er wird aber kein Allheilmittel sein,
  • erhalten wir fortlaufend die neuesten Informationen vom Friedrich-Loeffler-Institut und geben sie weiter,
  • tagt der Bund-Länder-Krisenstab unter Leitung von Frau Staatssekretärin Kasch.
  • Wir sind vorbereitet für Hilfsmaßnahmen, die entsprechenden Gespräche habe ich in Brüssel mit der Kommission geführt.
  • Gestern habe ich mit meinem neuen polnischen Kollegen über effektive Wildschweinbarrieren gesprochen. Verabredet ist ein Treffen zwischen meinem tschechischen, meinem polnischen Kollegen und mir an der deutsch-polnischen Grenze.

Deutschland ist nach wie vor frei von ASP beim Hausschwein. Und ASP ist nicht gefährlich für die Verbraucher.

Das gilt es immer wieder zu betonen!

Und es gilt, die Ausbreitung unbedingt zu verhindern - innerhalb Brandenburgs und auf die anderen Bundesländer.

Darüber hinaus arbeiten wir daran, den Export von Schweinefleisch in Drittstaaten wieder zu ermöglichen. Bei der Ausfuhr in Richtung China, Süd-Korea oder Japan erzielen wir rund 30 Prozent unserer internationalen Exportumsätze. Gerade auch mit Teilen, die wir nicht essen, in anderen Ländern aber zur Delikatesse gehören. Auch das ist Nachhaltigkeit Wir stehen in intensiven Verhandlungen mit diesen Ländern über Regionalisierungs-Vereinbarungen. In der vergangenen Woche konnte ich persönlich dazu eine japanische Delegation im Ministerium begrüßen.

Das sind erste vorsichtige, positive Signale.

Es ist aber bisher weder der EU-Kommission noch einem EU- Mitgliedsland gelungen, eine Regionalisierung mit Asien zu vereinbaren. Wir bleiben dran.

Alle, die die ASP aber nun dafür nutzen, um pauschal gegen die Tierhaltung zu wettern, muss man mit Fakten entlegenen: Weder ist die heimische Tierhaltung an Corona, noch am Ausbruch der ASP Schuld. Die Diskussion um die Tierhaltung wird so polarisiert, so absolut geführt wie einst die Debatte um die Atomkraft oder die Windkraft – emotional aufgeladen, sehr kontrovers.

Ich will verhindern, dass daraus eine Ausstiegsdebatte wird. Denn dann verlagern wird das Problem, lösen es aber nicht. Mein Ziel ist, Wirtschaftlichkeit und Tierwohl auf deutschem Boden zusammenzubringen, die Tierhaltung, die gesellschaftlich akzeptierter ist, mit den Landwirten zusammen umzubauen.

Deshalb gehen wir hier sehr zielstrebig voran. Deshalb investieren wir schon mal 300 Millionen Euro für den Stallumbau, dazu gehen wir die Änderung des Baugesetzbuches und der TA Luft an - damit Tierwohlställen nicht der Gesetzgeber selbst im Wege steht. Die 300 Millionen Euro für 2020 und 2021 für den Stallumbau im Sinne des Tierwohls aus den Corona-Soforthilfemaßnahmen sind eine stolze Summe. Aber machen wir uns nichts vor: Der Zeitraum, damit die Mittel abfließen können ist - gelinde gesagt - sportlich. Ich meine, die Förderperiode für den Stallumbau muss über das Jahr 2021 hinaus verlängert werden.

Planung und Bau solcher Vorhaben dauern länger. Ich setze mich daher für eine Verlängerung ein, auch wenn die Mittel als Corona- Sofortmaßnahme in zwei Jahren abfließen sollten.
Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wir wollen, dass Tierhaltung in Deutschland bleibt, der Ausstieg aus der Tierhaltung ist für mich keine Option. Denn auf Importe und Standards haben wir kaum Einfluss. Wer mehr Tierwohl will, muss die Frage zuhause beantworten und ermöglichen.

Die Bundesregierung und die Große Koalition ist sich einig: Wir wollen neue Standards in der Nutztierhaltung:

  • mehr Platz im Stall,
  • mehr Beschäftigungsmöglichkeiten,
  • eine noch stärker am Wohl der Tiere orientierte Haltung.

Das sichert auch langfristig die gesellschaftliche Akzeptanz.

Deshalb habe ich die Borchert-Kommission eingesetzt. Auftrag war, den Handlungsbedarf zu beschreiben, die Mehrkosten zu beziffern und Wege der Finanzierung aufzuzeigen. Für Letzteres gibt es mehrere Optionen - die nun in einer Machbarkeits- und einer Folgeabschätzungsstudie europarechtlich und umfassend geprüft werden.

Die Vorschläge der Kommission wurden in der Bevölkerung und parteiübergreifend sehr gut aufgenommen. Mein Dank gilt allen, die an der Erarbeitung beteiligt waren und sind. Ganz besonders Jochen Borchert. Ende Februar/März werden Ergebnisse der Machbarkeitsstudie und Folgenabschätzungen vorliegen.

Um es ganz klar zu unterstreichen: An einem Umbau der Tierhaltung für kein Weg vorbei. Aber das geht nur mit den Tierhaltern zusammen, mit Realismus, ja mit Anstrengungen, aber unbedingt auch mit der finanziellen und auch baurechtlichen Unterstützung, damit unsere heimischen Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. Sonst hören die Betriebe auf. Das will ich nicht. Ökologie, Tierwohl und Ökonomie müssen immer zusammengebracht und -gemacht werden.

Ich habe bereits Kriterien für ein staatliches Tierwohlkennzeichen beim Schwein vorgelegt. Die Borchert-Kommission erarbeitet nun bis Ende Januar die Kriterien für Rind und Geflügel. Es ist die Grundlage dafür, dass Verbraucher mehr Tierwohl erkennen und dann auch honorieren können. Und anhand dieser Kriterien sollen auch zum Beispiel für Umbauten Investitionshilfen gezahlt werden. Denn alleine an der Ladentheke - das zeigt immer wieder die Realität - ist der Kunde nicht bereit, das Mehr an Tierwohl, das er sich wünscht, auch voll und ganz zu bezahlen. Die Tierhalter alleine können das aber nicht stemmen. Wir wollen die Tierhaltung begleiten, um sie in Deutschland zu halten. Mit hohen Standards und auskömmlichen Preisen.

Die Zukunft der GAP

Wir befinden uns auf der Zielgeraden der Verhandlungen für die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020. Und es ist keine Frage: Die GAP wird nachhaltiger werden.

Es soll verbindliche Leitplanken für die Klima- und Umweltauflagen geben – aber auch für die Klima- und Umweltleistungen: die Konditionalität.

Ich bin der Meinung: Damit es fair zugeht und es kein Umweltstandards-Dumping gibt, müssen die Anforderungen für alle Mitgliedstaaten gelten. Wenn am Ende nur die nationalen Strategiepläne darüber entscheiden, dann wissen wir, wie bei uns die Diskussionen laufen und wie sie in manch anderen Staaten laufen.

Die Einkommenssicherung der Landwirte und die Ernährungssicherung gehören aber ebenso zu einer erfolgreichen GAP. Ich werde dafür sorgen, dass dies angemessen berücksichtigt wird.

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich im Juli auf den Mehrjährigen Finanzrahmen geeinigt. Dafür haben wir hart und lange verhandelt. Das Ergebnis hat sich gelohnt. Deshalb danke ich auch unserer Bundeskanzlerin, die sich im Sinne der Landwirtschaft zusammen mit Frankreich bis zuletzt für ein angemessenes Budget eingesetzt hat. Es zeigt: Europa hat verstanden, dass uns unsere Landwirtschaft viel wert sein muss.

Von 2021 bis 2027 werden der GAP rund 387 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, für Deutschland 44 Milliarden Euro. Damit bleiben die Mittel für Deutschland nahezu auf dem bisherigen Niveau. Trotz Brexit.

Wir können die GAP aber nicht losgelöst von anderen Strategien der EU diskutieren. Sie ist mit den Strategien des Green Deals der EU-Kommission zu verzahnen. Konkret mit der:

  • Farm-to-Fork Strategie und
  • der EU-Biodiversitätsstrategie.

Dort sind sehr ambitionierte Ziele definiert. Eher beschrieben als Vision. Aber diese Ziele müssen sich an der Praxis orientieren.

Wir freuen uns über den Ansatz der Kommission, das Ernährungssystem in seiner Gänze zu betrachten. Aber Visionen, die Realitäten auf dem Acker ignorieren, helfen nicht weiter. Wenn etwa bei der Düngung und beim Pflanzenschutz pauschale Ziele formuliert werden.

  • ohne nachvollziehbare wissenschaftliche Basis,
  • ohne klar definierten Ausgangspunkt,

dann schadet das einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Es sind auch noch einige Widersprüche aufzulösen: Wenn mehr Unabhängigkeit der europäischen Nahrungsmittelerzeugung und mehr Regionalität gefordert sind, dann muss auch die Erntesicherung, die Ertragssicherung mitgedacht werden.

Gut ist, dass die Farm-to-Fork-Strategie neue Züchtungstechniken wie das Genome Editing erwähnt. Erst kürzlich wurden zwei Forscherinnen für ihre Arbeit an CRISPR/Cas mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Diese Technologie kann einen wichtigen Beitrag leisten:

  • bei der Züchtung klima- und schädlingsresilienter Pflanzen.
  • bei der Bekämpfung des Welthungers.

Sie müssen wissen, was mit der GAP auf Sie zukommt. Deshalb brauchen wir Folgenabschätzungen für die Vorhaben der Kommission! Hier sind sich die EU-Agrarminister einig. Der Auftrag an die EU Kommission ist klar formuliert.

Die GAP ist eine europäische Erfolgsgeschichte, von der die deutsche Landwirtschaft in den vergangenen 60 Jahren stark profitiert hat. Die neue GAP-Förderperiode wird die Basis für eine erfolgreiche zukünftige Landwirtschaft sein.

Ein Wort zu Mercosur: Eine Unterschrift unter den Vertrag halte ich aktuell für falsch. Während unsere Landwirte immer mehr Blühstreifen anlegen, die GAP grüner wird, wird in Brasilien Regenwald gerodet, um Konkurrenzprodukte für den europäischen Markt zu erzeugen. Solange verabredete Umweltziele nicht eingehalten werden und unserer europäischen Landwirtschaft massive Wettbewerbsnachteile entstehen, sollte man das Abkommen nicht pushen.

Das Aktionsprogramm Insektenschutz

Über das Aktionsprogramm Insektenschutz (API) der Bundesregierung wurde viel diskutiert. Die Landwirtschaft nimmt beim Insektenschutz eine besondere Rolle ein und muss ihren Beitrag leisten.

Aber: Sie müssen Schädlinge, die die Ernten bedrohen, weiter bekämpfen können. Und dafür sollen die Möglichkeiten geschaffen werden.

Obst und Gemüse, wie es Verbraucherinnen und Verbraucher wollen, ist ohne Pflanzenschutz nicht denkbar. Zumal wir weit unter einem Vollversorgungsgrad bei Obst und Gemüse in Deutschland liegen, auch noch weit unter der Hälfte.

Corona hat uns vor Augen geführt: Gefüllte Supermarktregale sind keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis einer produktiven Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland und Europa.

Und eines werden wir nicht akzeptieren: Dass das Umweltministerium nun ein Insektenschutzgesetz auf den Weg bringt, um noch weitere Verbote durchzudrücken.

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen gehen über das Aktionsprogramm Insektenschutz weit hinaus. Verbote führen zudem dazu, dass Förderung nicht mehr möglich ist, und sie brechen Vertrauen. Landwirte haben darauf vertraut, dass Landwirtschaft auch in Vogelschutzgebieten verantwortungsvoll möglich bleibt.

Ja, auch die Landwirtschaft muss beim Insektenschutz neue Wege gehen. Das mute ich Ihnen zu, aber das wissen Sie selbst. Es gibt viele weitere Bereiche, in denen noch mehr getan werden kann: in den Privatgärten, Dörfern und Städten. Das Thema einfach bei Ihnen, liebe Bäuerinnen und Bauern, abzuladen, werde ich nicht akzeptieren. Wer beim Insektenschutz nur auf Bauern zeigt, ist auf dem einen Auge blind. Insektenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber ich unterscheide: Insektenschutz: ja. Schädlingsschutz, der Ernten und Ressourcen vernichtet, nein.

Wer zeigen möchte, was er bereits als Landwirt leistet, sollte an unserem Bundeswettbewerb Insektenschutz teilnehmen. Im Herbst startet die Premiere. Ich lade Sie herzlich ein - machen Sie mit!

Ein letztes Thema ist mir noch wichtig zu erwähnen: Dass das BMEL über erneut über Mittelzuwächse verfügen und einen Rekordhaushalt vorweisen kann, ist wichtig und notwendig. Die Aufgaben sind nicht kleiner, sondern größer geworden.

Mir ist wichtig, dass die agrarsoziale Sicherung für die Landwirtschaft erhalten bleibt. Angesichts des demographischen Wandels ist eine Stabilisierung der Beiträge umso wichtiger. Mit über vier Milliarden Euro Zuschüsse aus dem BMEL-Haushalt setzen wir ein klares Zeichen. Ebenso war es notwendig, die landwirtschaftliche Krankenkasse mit einem Zuschuss auszustatten. Mir war das ein besonderes Anliegen, 30 Millionen Euro sind gut investiertes Geld. So können coronabedingte Mehrausgaben gepuffert und Beiträge stabil gehalten werden: Ohne den Einsatz unseres Ministeriums wäre der Beitrag durchschnittlich um über fünf Prozent gestiegen. Auch das ist ein guter Erfolg für die Branche. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass die landwirtschaftliche Krankenversicherung bei der Vergabe zusätzlicher Bundesmittel berücksichtigt wird.

In vielen aktuell geführten Debatten haben wir zu viel Schwarz und Weiß. Das wird der Landwirtschaft und der Realität nicht gerecht.

Ja, ich verstehe demonstrierende Bauern sehr gut. Aber das entbindet nicht von der Verantwortung, darauf zu achten, unter welcher Fahne man marschiert. Wer jedem anderen Argument einzig mit Rohheit und Beleidigungen begegnet, der läuft ins Abseits. Und erweist seinem Berufsstand einen Bärendienst.

Deshalb möchte ich schließen mit einem Appell: Arbeiten Sie daran, wieder mit einer Stimme zu sprechen. Wir brauchen jetzt ein gemeinsames Verständnis.

  • Wie wir Tierwohl, Biodiversität, Naturschutz mit der Sicherung unserer Ernten unter einen Hut bekommen.
  • Wie wir uns dem sich verändernden Klima anpassen.
  • Wie wir wirtschaftliche Perspektive schaffen.

Damit auch Ihre Kinder Lust auf Landwirtschaft haben. Und damit es uns gelingt, die anstehenden Debatten mit gegenseitigem Respekt zu führen.

Vielen Dank!

Erschienen am im Format Rede

Ort: Erfurt


Das könnte Sie auch interessieren

Landwirtschaftlicher Bodenmarkt in Deutschland (Thema:Boden)

Boden ist ein unersetzlicher Produktionsfaktor für die Landwirtschaft. Er spielt für die wirtschaftliche Stabilität und nachhaltige Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe eine zentrale Rolle. Er bildet die Grundlage einer sicheren Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung und für ein ausreichendes Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte.

Mehr

Begleitausschuss "Nationaler GAP-Strategieplan" (Thema:Gemeinsame Agrarpolitik)

Begleitausschuss auf nationaler Ebene zur Steuerung und Begleitung der Umsetzung des GAP-Strategieplans in der Förderperiode 2023 – 2027.

Mehr

Änderungen im Düngerecht (Thema:Düngung)

Eine verantwortungsbewusste Politik sucht stets einen fairen Ausgleich zwischen Gegenwart und Zukunft. Das gilt in besonderem Maße für die Landwirtschaft, der daran gelegen sein muss, unsere natürlichen Lebensgrundlagen gleichermaßen zu schützen und zu nutzen. In einigen Regionen Deutschlands gefährden Überdüngung und hohe Nitratbelastungen jedoch Boden, Wasser und biologische Vielfalt.

Mehr