Forschung und Innovation können unser Leben besser, gesünder und auch nachhaltiger machen

Rede von Bundesministerin Julia Klöckner auf der Plenardebatte Gentechnik Standort Deutschland im Deutschen Bundestag

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Forschung und Innovation können unser Leben besser, gesünder und auch nachhaltiger machen.

Ich will wieder mehr Sachlichkeit in die Debatte bringen und mit Beispielen kommen: Kartoffeln mit einer geringeren Acrylamidbildung - Acrylamid, das heißt krebserregend. Salat mit einem höheren Vitamin-C-Gehalt, Pilz-resistenzen unter anderem von Mais, Weizen oder Bananen, um Pflanzenschutzmittel einzusparen, oder Trockentoleranz von Mais, um den Wasserverbrauch zu reduzieren.

Warum erwähne ich das? Schon seit Beginn der Landwirtschaft hat die Wissenschaft besonders geeignete Pflanzenexemplare ausgewählt und vermehrt. Ohne dies gäbe es unsere heutige Ernährung nicht; ohne Züchtung wäre das nicht denkbar. Seit Jahrzehnten werden zufällige Veränderungen beispielsweise durch Bestrahlung forciert und nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" eingesetzt. Das ist wie ein Suchen nach der Nadel im Heuhaufen. Aber es gibt neue Züchtungstechnologien, die uns unglaublich viel Zeit sparen und die im Übrigen von spontanen Zufallsmutationen überhaupt nicht zu unterscheiden sind. Ich plädiere zusammen mit der Union dafür, dass wir hier offen sind und ideologische Scheuklappen endlich ablegen.

Warum? Weil es gerade immer wieder die Grünen sind, die aus der städtischen Sicht heraus in den ländlichen Raum hinein Forderungen an die Landwirtschaft haben: Sie soll weniger Pflanzenschutzmittel verwenden, sie soll aber bitte regional produzieren und keine Ressourcen verbrauchen. Lebensmittelverschwendung soll reduziert werden, und vor allen Dingen sollen Pflanzen angebaut werden, die für den Boden gut sind - und das angesichts eines sich verändernden Klimas. Aber das Instrument, das die Landwirte dafür brauchen, wollen Sie ihnen nicht geben, und selber Bauern werden wollen die wenigsten von Ihnen.

Das ist doch die Herausforderung für eine verantwortungsvolle Politik.

Wenn man sich in der Debatte die Bandbreite zwischen FDP und Grünen anschaut, muss man sagen: Das ist wirklich sehr interessant. Deshalb sucht der Landesminister Volker Wissing auch diese Bühne. Es war ja ein besonderes Schauspiel hier. Er braucht die Bundesbühne, um seine Meinung dort zu äußern, wo die FDP in der Opposition ist. Das könnte er eigentlich auf der Landesbühne tun, weil er dort in der Regierung ist; aber da macht er es nicht. Und warum macht er es dort nicht? Ich möchte Ihnen einen kurzen Auszug aus dem Koalitionsvertrag vorlesen, den Herr Wissing unterschrieben hat. Dort heißt es: "Die rheinland-pfälzische Landwirtschaft arbeitet im Anbau gentechnikfrei; daran werden wir nichts ändern." Das ist die FDP, wenn sie regieren darf.

Insofern will ich auch sagen: Der Aufsichtsratschef von BioNTech, Helmut Jeggle, sagte in Richtung der rheinland-pfälzischen Landesregierung, wo die FDP mitregiert: Ein solches Bemühen wie zum Beispiel in Brandenburg um andere Unternehmen können wir leider bisher in Rheinland-Pfalz nicht feststellen. Initiativen in diese Richtung seitens der Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen kann man da nicht wahrnehmen. - Deshalb braucht man also die Bundesbühne: um die Wünsche zu äußern, die man selber nicht umsetzen will.

Aber lassen Sie mich zu den Grünen kommen. Es ist schon hoch span-nend, was die Grünen von sich geben. Sie haben ja den BASF-Standort in Rheinland-Pfalz als gentechnikfrei erklärt, was intellektuell schon sehr anspruchsvoll ist, als gentechnikfrei gefeiert und sogar darauf angestoßen, als diese Forschungssparte von BASF in die USA abgewandert ist.

Ich will ganz deutlich sagen: Ich fand die Frage von Dr. Hocker zu Baden-Württemberg überhaupt nicht missverständlich; sie war vielleicht anspruchsvoll für Sie. Aber ich muss Ihnen bei dieser Frage sagen: In Baden-Württemberg sollten 5 Millionen Euro eingesetzt werden für die Gen-Forschung, Stichwort auch "CRISPR/Cas", um der Landwirtschaft zu helfen, die Ziele zu erreichen, die Sie immer vor sich hertragen. Sie haben Ihre Ministerin ausgebremst. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich werde Teile dieser Forschung mit Geldern aus meinem Haus fördern.

Wir fördern übrigens auch andere Methoden der Pflanzenzüchtung, vor allem die Forschung in diesem Bereich. Natürlich ist CRISPR/Cas oder ist Grüne Gentechnik kein Allheilmittel. Aber Offenheit ist eine Möglichkeit, um nicht von anderen überholt zu werden und sich nachher nicht die Frage stellen zu müssen, warum der Wissenschaftsstandort Deutschland nicht nach vorne kommt und andere Länder uns überholen.

Deshalb, liebe Grüne, würde ich Ihnen schon nahelegen, den offenen Brief von über 100 Wissenschaftlern an Sie ernst zu nehmen. Mit Sorge beobachten wir Falschinformationen über vermeintliche gesundheitliche und ökologische Risiken bis hin zu angeblichen wirtschaftlichen Nachteilen im globalen Süden. Das wird dort kritisiert. In Zeiten von Fake News ist es unanständig, wenn die Grünen das tun. Professor Wilfried Wackernagel vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften an der Universität Oldenburg ist keiner, der Fake News verbreitet, er ist Wissenschaftler.

Deshalb sage ich Ihnen: Kommen Sie aus Ihrer ideologischen Ecke, aus den Grabenkämpfen heraus! Denn am Ende geht es um Folgendes: Es geht darum, dass wir die Ziele der Nachhaltigkeit erreichen, aber auch das Menschenrecht auf Nahrung. Und es ist meiner Meinung nach arrogant von unserer Seite aus, wo die Lebensmittelregale im Supermarkt voll sind, anderen Ländern, die massiv unter dem Klimawandel leiden, die keine Erntesicherung haben, nicht diese Forschung hier bei uns zu ermöglichen, um ihnen zu helfen, dass ihre Landwirtschaft überleben kann.

Deshalb frage ich, wenn wir über "Farm to Fork" sprechen, die Strategie "Vom Hof auf den Teller", die Sie ja immer vor sich hertragen: Warum lassen Sie immer einen Aspekt von "Farm to Fork" bzw. des Green Deal aus? Weil dort von der Gentechnik und von CRISPR/Cas die Rede ist. Die Grünen sind sehr flexibel: Sie sind für Kennzeichnung - ja - bei Grüner Gentechnik. Aber so genau nehmen sie es natürlich nicht, wenn gentechnisch hergestellte Vitamine in den Lebensmitteln oder den Arzneimitteln sind. Da wollen sie nicht, dass das draufsteht. Warum? Weil sich die Bürger dann daran gewöhnen würden. Sie brauchen nur ein Thema für den Wahlkampf. Das ist unseriös.

Erschienen am im Format Rede

Ort: Berlin


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